Sonntag, 25. Oktober 2015

„Wir ruhen all in Gottes Hand“ hl


Predigt von Hans Löhr in den Gottesdiensten in Thann und in Sommersdorf

 Losung: Wer in der Finsternis geht und wem kein Lichtstrahl scheint, der vertraue auf den Namen des HERRN! Jesaja 50,10

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn du das Wort „Zukunft“ hörst, wie geht's dir damit? Was hast du da für ein Gefühl? Bist du neugierig oder eher skeptisch, zuversichtlich oder hast du eher Bedenken? Naja, wenn man die Nachrichten in diesen Wochen und Monaten liest mit Griechenland-Krise und Flüchtlingskrise, VW-Krise usw., dann überwiegen beim Gedanken an die Zukunft wohl eher die negativen Gefühle. Und wenn man bedenkt, was mit zunehmendem Alter im eigenen Leben auf einen alles zukommen kann, fördert das auch nicht gerade die Zuversicht.
Früher war das auch nicht besser, im Gegenteil. Da wurden unsere Vorfahren in viel kürzeren Abständen immer wieder in Kriege verwickelt, mussten Hungersnöte hinnehmen oder wurden wegen ihres Glaubens verfolgt. Da waren Protestanten und Katholiken einander spinnefeind. Und wenn unsere Vorfahren krank wurden, gab es für sie keine gute, bezahlbare medizinische Versorgung und so sind viele von ihnen in verhältnismäßig jungen Jahren gestorben. Die Menschen waren damals wie heute Spielball der Mächtigen. Über Krieg und Frieden wurde ohne sie entschieden. Sie hatten zu parieren, wenn die Herren sie zu den Waffen riefen oder ihnen eine schwere Steuerlast aufbürdeten und ihnen einen großen Teil der Ernte wieder abnahmen.
Und trotzdem haben in dieser oft wenig lebensfreundlichen Welt unsere Vorfahren Kinder gezeugt und aufgezogen, haben um ihr klitzekleines Glück gekämpft, und wenn sie alles verloren hatten, fingen sie wieder von vorne an. Was blieb ihnen auch anderes übrig. Nein, große Erwartungen an die Zukunft hatten sie noch weniger als wir heute. Und so machten auch sie sich große Sorgen, wenn sie daran dachten, was wohl alles auf sie zukommen könnte.
Was hätten sie wohl gesagt, wenn man ihnen erzählt hätte, wie es einmal ihren Nachfahren, ihren Urenkeln und Ururenkeln zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland gehen würde? Wenn man ihnen von euch erzählt hätte, wie ihr heute lebt? Die Vorfahren hätten sich ungläubig die Augen gerieben, den Kopf geschüttelt und gesagt, dass man ihnen nicht mit solchen Märchen kommen solle. Aber sind wir, obwohl es uns so viel besser geht als ihnen, heute glücklicher und zufriedener? Haben wir weniger Angst und machen wir uns weniger Sorgen?
Also frage ich dich noch mal: Wenn du das Wort „Zukunft“ hörst, wie geht es dir damit?
Am intensivsten beschäftigt man sich am Jahreswechsel mit der Zukunft und fragt sich, was das neue Jahr wohl bringen wird. Da sind die katholischen Sternsinger auch in evangelischen Häusern willkommen, weil man sich ihren Segen gern gefallen lässt und dafür auch eine Spende für Notleidende macht.
Seit ein paar Jahren wird an Silvester immer öfter ein Lied aus der deutschen Pfadfinderbewegung gesungen. Es ist aus einem Lied hervorgegangen, das man vor allem in der englischsprachigen Welt zum Jahreswechsel singt und heißt: „Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr“ (YouTube-Video. Sängerin: Nicole).

1. Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss
Ist alle Wiederkehr,
Die Zukunft liegt in Finsternis
Und macht das Herz uns schwer.
Der Himmel wölbt sich übers Land,
Ade, auf Wiedersehn!
Wir ruhen all in Gottes Hand,
Lebt wohl auf Wiedersehn.

Ja, die Zukunft liegt in Finsternis und macht das Herz uns schwer. An diese Zeile musste ich denken, als ich das heutige Losungswort aus dem Buch des Propheten Jesaja gelesen habe. Da heißt es:
Wer in der Finsternis geht und wem kein Lichtstrahl scheint, der vertraue auf den Namen des HERRN! Jesaja 50,10 Gerade auch in biblischen Zeiten, sind Menschen in Finsternis gegangen. Meist aus ganz ähnlichen Gründen wie auch unsere Vorfahren und wie manchmal auch wir heute. Und natürlich haben sie sich gefragt, wo ein Licht ist, an dem sie sich orientieren können, das ihnen den Weg durch die finsteren Täler des Lebens zeigt.
Ab und zu sehe ich in den Wohnstuben in unseren Dörfern einen Wandspruch hängen: „Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.“ Ich frage mich dann, ob dieses Wort wirklich trösten kann? Das heutige Losungswort gibt uns einen anderen Hinweis. Da heißt es für alle, in deren Leben es finster geworden ist: „Vertraue auf den Namen des Herrn!“ Ich bin überzeugt, wenn das den Menschen damals in biblischen Zeiten und wenn das auch unseren Vorfahren nicht wirklich geholfen hätte, würde dieses Wort nicht in der Bibel stehen und hätten unsere Vorfahren nicht am Glauben festgehalten, allen Bedrängnis und Katastrophen zum Trotz.
Dagegen kommt mir der Spruch mit dem „Lichtlein“ vor wie das berühmte Pfeifen im dunklen Wald. Wer allein durch einen dunklen Wald geht, pfeift sich manchmal Mut zu. Aber dieses Pfeifen klingt dann meistens recht kläglich und verstärkt oft noch die Angst.
Und, so frage ich, hilft dir der Spruch mit dem „Lichtlein“ oder das Pfeifen wirklich, wenn eine Operation bevorsteht, eine Chemotherapie oder Bestrahlung? Hilft dir das, wenn du durch einen schmerzlichen Scheidungsprozess musst oder von einem Menschen für immer Abschied nehmen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir das dann hilft. Aber das hat mir schon bisher geholfen, der Glaube, dass ich in Gottes Hand ruhe, wie es in dem Lied heißt. Auf ihn vertraue ich umso mehr, je finsterer es um mich und in mir wird. Und dazu lade ich auch dich ein. Nicht von ungefähr heißt es in der Bibel: »Das Volk das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht; und über die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.« Wir hören dieses Wort Jahr für Jahr in den Weihnachtsgottesdiensten und denken dabei an Jesus, der Gottes Gnadenlicht mit auf die Welt gebracht hat, mehr noch, der von sich selbst sagt: »Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht im Finstern umherirren, sondern das Licht des Lebens haben.« Das ist etwas ganz anderes als ein „Lichtlein“, das von irgendwo her kommen soll.
Angesichts der vielen Flüchtlinge haben nicht wenige Menschen in unserem Land davor Angst, was das wohl für ihre Zukunft bedeutet. Werden die Flüchtlinge unser Land verändern? Werden sie das Leben eines jeden einzelnen von uns verändern? Und wie wird es dann wohl in der Zukunft weitergehen? Das sind berechtigte Fragen. Man soll sie den Menschen nicht ausreden. Es kann ja auch niemand sagen, wie es künftig mit uns in Deutschland weitergeht. Auch die klügsten Politiker ‚fahren nur auf Sicht‘ und wissen nicht, was hinter der nächsten Kurve kommt. Aber was die Zukunft bringt,das konnte unseren Vorfahren auch niemand sagen. Sie haben halt versucht, so gut es ging, zu leben und aus jeder Situation das Beste zu machen. Und das Gleiche ist meiner Meinung nach auch jetzt dran. Wir hier ändern an der politischen Situation nichts. Wir können uns nur unser eigenes Leben vermiesen, wenn wir Nur noch schimpfen und jetzt schon Angst haben vor etwas, von dem wir nicht wissen, ob es überhaupt eintritt. Angst aber ist immer ein schlechter Ratgeber. Angst hat noch selten etwas zum Guten verändert.
Demgegenüber werbe ich dafür, dass wir zu den Flüchtlingen anständig und menschlich sind. So wie jetzt schon viele Bürgerinnen und Bürger, die an der Grenze zu Österreich leben und täglich mit Flüchtlingen zu tun haben. Was wollen wir denn auch anderes tun, wenn Familien mit kleinen Kindern in der Kälte stehen und darauf hoffen, dass wenigstens in Deutschland die Menschen barmherzig sind. Wir können den Politikern ihre Aufgaben nicht abnehmen. Sie sind gewählt worden, damit sie auch mit einer solchen Krise verantwortlich umgehen. Aber jeder von uns kann seinen kleinen Teil dazu beitragen, dass die Stimmung in unserem Land nicht umkippt in Ablehnung und Hass oder gar in Gewalt, sondern dass wir uns als Christen bewähren und anständig und menschlich bleiben, auch wenn das vielleicht nicht einfach ist.
»Die Zukunft liegt in Finsternis«. Das stimmt für uns. Das stimmt für die Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Tod aus ihrem Land zu uns geflohen sind. Und auch das stimmt für sie wie für uns: »Wir ruhen all in Gottes Hand«. In diesem Glauben lasst uns getrost in die Zukunft gehen. Und auch wenn sie finster ist, so gilt doch, was im Psalm 23 steht: »Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und Stab trösten mich.« Amen

Herzliche Grüße

Ihr / dein Hans Löhr

Information von Tagesschau.de: "Stimmen die Gerüchte über Flüchtlinge?" (Faktencheck)


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