Losung: Wie köstlich
ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel
Zuflucht haben! Psalm 36,8
Lehrtext: Seht, welch
eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen -
und wir sind es auch! 1.Johannes 3,1
Liebe Leserin, lieber Leser,
Helga ist heute 85. Vor 70 Jahren floh ihre Familie mit ihr
aus Ostpreußen vor der heranrückenden Roten Armee sowie Svetlana vier Jahre
zuvor vor der deutschen Wehrmacht aus der Gegend von Smolensk fliehen musste. Doch
bleiben wir bei Helga. Ihre Familie hat in der Nähe von Würzburg eine zweite
Heimat gefunden. Da hat Helga einige Jahre später geheiratet und drei Kinder
bekommen. Inzwischen hat sie fünf Enkel und vier Urenkel. Bis 1994 hat sie
gearbeitet. Nun lebt sie von einer kleinen Rente in einem kleinen Haus, das sie
mit ihrem Mann erworben hatte. Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Nur
manchmal träumt sie noch von der Flucht. Dann wacht sie mitten in der Nacht von
ihrem eigenen Schrei auf. Erleichtert sinkt dann ihr Kopf aufs Kissen zurück:
‚Nur ein Traum. Ich bin ja in Sicherheit nun schon so viele Jahre. Ich brauche
keine Todesangst mehr zu haben und auch nicht mehr zu hungern. Gott sei Dank!‘
Helga hat Zuflucht gefunden in Westdeutschland, in einer
Demokratie und in einem Rechtsstaat, wo nicht mehr die Willkür regiert, sondern
Recht und Gesetz. Sie kann in einer Gesellschaft leben, in der die Menschen
wieder zu Wohlstand gekommen sind, wo sie im Falle von Krankheit und
Arbeitslosigkeit von einem Netz aus sozialen Sicherungssystemen aufgefangen
werden. Helga ist bewusst, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Auch
nicht die 70 Jahre Frieden. Ihre Kinder und Enkel kennen das nicht anders. Sie
machen sich darüber auch nicht so viele Gedanken.
‚Eigentlich‘, denkt Helga, ‚eigentlich ist es ein Wunder,
dass ich nach Krieg und Vertreibung noch einmal so ein gutes Leben führen
durfte und das schon so viele Jahre.‘ Und so ist das heutige Losungswort ihr
liebstes Bibelwort geworden und hängt gerahmt in ihrem Schlafzimmer. Denn sie
ist überzeugt, dass sie das alles nicht dem Können und den Leistungen anderer
Menschen zu verdanken hat, sondern Gott, der diese Menschen dazu in seinen
Dienst nimmt auch wenn sie selbst das gar nicht wissen.
Und so ist Helga nicht nur in einem sozialen Netz, sondern auch
in ihrem Glauben geborgen. Sie weiß, dass sie ein Kind ihres Vaters im Himmel
ist. Sie denkt daran, wenn sie das ‚Vater unser‘ betet. Sie denkt daran, wenn
sie jedes Jahr aufs Neue die Kerzen am Adventskranz anzündet, die schon in
ihrer Kindheit gebrannt haben.
Und Svetlana? Was wohl aus ihr geworden ist?
Gebet: Herr, schützend hast du deine Flügel über
mein Leben gebreitet. Und wenn es ohne dich schwierig geworden ist, konnte ich
darunter zurückkehren, wieder Kraft schöpfen und Frieden finden. Denn die Tür
zu dir steht offen, um mich zu empfangen, wenn ich
heimkomme zu dir. Amen
Herzliche Grüße
Ihr / dein Hans Löhr
Die Herrnhuter Losungen
bestehen aus einer Sammlung von kurzen Bibeltexten des Alten und des Neuen
Testamentes. Für jeden Tag des Jahres wird ein Bibelwort aus dem Alten
Testament aus einer Sammlung von 1.824 Versen ausgelost (= Losung), das dem
Leser als Leitwort oder guter Gedanke für den Tag dienen kann. Aus dem Neuen
Testament wird durch einen Mitarbeiter der Herrnhuter Brüdergemeine ein so
genannter „Lehrtext“ gewählt, der üblicherweise in einem Bezug zu dem gelosten
alttestamentlichen Vers steht. Die ‚Losungen‘ gehen auf Nikolaus Graf von
Zinzendorf zurück und erscheinen seit 1721. Sie gelten als überkonfessionell,
da sie für alle Christen, egal welcher Konfession, erstellt werden. Sie werden
in 61 Sprachen übersetzt und erscheinen als Druckausgabe im deutschen
Sprachraum in einer jährlichen Auflage von über einer Million Exemplaren. Hans
Löhr und Elfriede Bezold-Löhr schreiben seit 2010 zu den ‚Losungen‘ kurze
Auslegungen und Gebete.
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