Sonntag, 29. November 2015

Unter Gottes Flügeln hl

Losung: Wie köstlich ist deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben! Psalm 36,8

Lehrtext: Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch! 1.Johannes 3,1

Liebe Leserin, lieber Leser,

Helga ist heute 85. Vor 70 Jahren floh ihre Familie mit ihr aus Ostpreußen vor der heranrückenden Roten Armee sowie Svetlana vier Jahre zuvor vor der deutschen Wehrmacht aus der Gegend von Smolensk fliehen musste. Doch bleiben wir bei Helga. Ihre Familie hat in der Nähe von Würzburg eine zweite Heimat gefunden. Da hat Helga einige Jahre später geheiratet und drei Kinder bekommen. Inzwischen hat sie fünf Enkel und vier Urenkel. Bis 1994 hat sie gearbeitet. Nun lebt sie von einer kleinen Rente in einem kleinen Haus, das sie mit ihrem Mann erworben hatte. Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Nur manchmal träumt sie noch von der Flucht. Dann wacht sie mitten in der Nacht von ihrem eigenen Schrei auf. Erleichtert sinkt dann ihr Kopf aufs Kissen zurück: ‚Nur ein Traum. Ich bin ja in Sicherheit nun schon so viele Jahre. Ich brauche keine Todesangst mehr zu haben und auch nicht mehr zu hungern. Gott sei Dank!‘
Helga hat Zuflucht gefunden in Westdeutschland, in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat, wo nicht mehr die Willkür regiert, sondern Recht und Gesetz. Sie kann in einer Gesellschaft leben, in der die Menschen wieder zu Wohlstand gekommen sind, wo sie im Falle von Krankheit und Arbeitslosigkeit von einem Netz aus sozialen Sicherungssystemen aufgefangen werden. Helga ist bewusst, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Auch nicht die 70 Jahre Frieden. Ihre Kinder und Enkel kennen das nicht anders. Sie machen sich darüber auch nicht so viele Gedanken.
‚Eigentlich‘, denkt Helga, ‚eigentlich ist es ein Wunder, dass ich nach Krieg und Vertreibung noch einmal so ein gutes Leben führen durfte und das schon so viele Jahre.‘ Und so ist das heutige Losungswort ihr liebstes Bibelwort geworden und hängt gerahmt in ihrem Schlafzimmer. Denn sie ist überzeugt, dass sie das alles nicht dem Können und den Leistungen anderer Menschen zu verdanken hat, sondern Gott, der diese Menschen dazu in seinen Dienst nimmt auch wenn sie selbst das gar nicht wissen.
Und so ist Helga nicht nur in einem sozialen Netz, sondern auch in ihrem Glauben geborgen. Sie weiß, dass sie ein Kind ihres Vaters im Himmel ist. Sie denkt daran, wenn sie das ‚Vater unser‘ betet. Sie denkt daran, wenn sie jedes Jahr aufs Neue die Kerzen am Adventskranz anzündet, die schon in ihrer Kindheit gebrannt haben.
Und Svetlana? Was wohl aus ihr geworden ist?

Gebet: Herr, schützend hast du deine Flügel über mein Leben gebreitet. Und wenn es ohne dich schwierig geworden ist, konnte ich darunter zurückkehren, wieder Kraft schöpfen und Frieden finden. Denn die Tür zu dir steht offen, um mich zu empfangen, wenn ich heimkomme zu dir. Amen

Herzliche Grüße

Ihr / dein Hans Löhr


Die Herrnhuter Losungen bestehen aus einer Sammlung von kurzen Bibeltexten des Alten und des Neuen Testamentes. Für jeden Tag des Jahres wird ein Bibelwort aus dem Alten Testament aus einer Sammlung von 1.824 Versen ausgelost (= Losung), das dem Leser als Leitwort oder guter Gedanke für den Tag dienen kann. Aus dem Neuen Testament wird durch einen Mitarbeiter der Herrnhuter Brüdergemeine ein so genannter „Lehrtext“ gewählt, der üblicherweise in einem Bezug zu dem gelosten alttestamentlichen Vers steht. Die ‚Losungen‘ gehen auf Nikolaus Graf von Zinzendorf zurück und erscheinen seit 1721. Sie gelten als überkonfessionell, da sie für alle Christen, egal welcher Konfession, erstellt werden. Sie werden in 61 Sprachen übersetzt und erscheinen als Druckausgabe im deutschen Sprachraum in einer jährlichen Auflage von über einer Million Exemplaren. Hans Löhr und Elfriede Bezold-Löhr schreiben seit 2010 zu den ‚Losungen‘ kurze Auslegungen und Gebete. 

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