Predigt von Hans
Löhr in Wernsbach Sankt Laurentius und Neuendettelsau Sankt Nicolai.
Predigttext: 1. Mose 50,15-21.
Liebe Gemeinde,
heute heißt das Thema: „Auch dein Leben zählt“. Dazu spreche ich über
einen Ausschnitt aus einer der schönsten Geschichten der Bibel. Sie steht im ersten
Buch Mose, in den Kapiteln 37 bis 50 und enthält alles, was eine gute und
spannende Geschichte ausmacht: Leidenschaft und Gefühlsausbrüche, eine
Familientragödie, ein vertuschtes Verbrechen, Höhen und Tiefen im Leben des
Helden unserer Geschichte, sexuelles Begehren und Gefängnis, Träume und Pläne,
Überfluss und Hungersnot und schließlich das große Happy End.
Und dieses glückliche Ende ist auch der Predigttext für diesen Sonntag.
Ich lese ihn euch jetzt aus dem Alten Testament vor:
Die 10 Brüder Josefs aber
fürchteten sich, als ihr Vater Jakob gestorben war, und sprachen: Josef könnte
uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben. Darum
ließen sie ihm ausrichten: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: So
sollt ihr zu Josef sagen:Vergib doch deinen Brüdern die
Missetat ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. - Nun vergib doch diese
Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters!Aber Josef weinte, als sie
solches zu ihm sagten.
Hier will ich unterbrechen und sagen, warum Josef geweint hat. Er sah
die Angst seiner Brüder, dass er sich nun, nach des Vaters Tod, an ihnen rächen
könnte. Und noch einmal lief seine Lebensgeschichte wie ein Film vor ihm ab: Wie
der Vater ihn als Kind seinen zehn Brüdern vorgezogen hatte. Wie er selbst ihnen
hochmütig seine Träume erzählte, in denen er über sie herrschte. Wie sie ihn dann
aus Eifersucht, Neid und Hass beseitigen wollten und ihn als Sklaven in das ferne
Ägypten verkauften. Josef sah sich im Hause des Ägypters Potiphar, in dem er es
bis zum Vorgesetzten über die anderen Sklaven brachte. Er sah vor sich, wie ihn
Potiphars Frau verführen wollte und er daraufhin unschuldig ins Gefängnis kam.
Er erinnerte sich der Träume, die er deuten konnte und dass ihn diese Begabung
nach über zehn Jahren die Freiheit wieder brachte. Und nun sah er sich als
Stellvertreter des Pharao, des Königs von Ägypten. Nun hätte er die Macht, sich
an seinen Brüdern zu rächen und sie zu vernichten. Das alles sah Josef vor sich
und die Tränen liefen ihm übers Gesicht. Und Josef sah noch etwas, dass Gott in
alledem am Werk war und sein Ziel mit ihm verfolgte.
Und während er das sah, heißt es weiter in der Bibel:
Und seine Brüder gingen hin und
fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte. Josef aber
sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Statt? Ihr
gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu
tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk. So
fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen. Und er
tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.
Soweit diese Geschichte. Und jetzt frage ich dich: Was siehst du, wenn
du auf dein Leben schaust? Welche Freude hast du erlebt? Und welches Leid, das
sich vielleicht eingegraben hat in dein Gesicht? Welches Glück ist dir
widerfahren? Welche Verluste haben dich gezeichnet und welche Narben hat deine
Seele? Und - wie war es mit Gott in alledem? Hast du sein Wirken gespürt? Verstehst
du im Nachhinein, warum dieses und jenes so kommen musste, wie es gekommen ist?
Und kannst du erkennen, ob alles einem guten Zweck dient? - - -
Die Brüder des Josef gedachten es böse mit ihm zu machen, wie die Bibel
sagt. Und weiter: Gott aber gedachte es gut zu machen. Wozu? Um Josef einen
Gefallen zu tun? Um ihm zu helfen? Das mag vordergründig so aussehen. Aber im
Hintergrund hat Gott sich den eitlen, hochnäsigen Josef ausgesucht, um seine
Verheißung zu erfüllen, die er Abraham gegeben hatte. Dessen Nachkommen sollten
ein großes Volk werden und nicht wieder untergehen. Und dazu hatte Gott sich
zuvor den betrügerischen Jakob ausgesucht, der seinen Bruder Esau und seinen blinden
Vater Isaak hintergangen hatte, und zuvor die grausame Sarah, die ihre Magd
Hagar mit dem kleinen Ismael in die Todeswüste schickte. Aber Gott rettete auch
diese beiden. Später hat er sich für seine Verheißung König David ausgesucht,
der eine verheiratete Frau schwängerte und ihren Mann umbringen ließ. Und
wieder später den feigen Petrus und den Christenverfolger Paulus und so weiter
und so weiter.
Immer waren es Menschen aus Fleisch und Blut mit ihren guten und
schlechten Seiten, die Gott sich ausgesucht hat und bis heute aussucht, um
seine Pläne zu erfüllen, aber keine Engel und keine Heiligen. Und warum? Gott
hat nur solche Menschen wie wir sind. Und mit uns baut er seine Welt, mit
unseren guten Taten und mit unserem Versagen. Ja, Gott gebraucht auch unser
Versagen, um daraus schließlich etwas Gutes zu machen. Auch die bösen Absichten
der Menschen müssen dazu dienen, dass er seine Pläne erfüllt.
So war das mit den Brüdern des Josef. Doch er hat seinen Plan auch mit dir
und mit mir. Rückblickend, hatte schon alles seinen Sinn. Darum wird auch das,
was heute ist, seinen Sinn haben, auch wenn wir das noch nicht verstehen können.
Genauso wie das, was war und was morgen sein wird. Und wenn du gerade schwere
Zeiten durchmachst, dann hilft es dir vielleicht, wenn du so betest: „Herr, ich
verstehe meine Not nicht, aber du weißt, welchen Sinn sie hat.“
Liebe Freunde, mögen Kirchen und Religionen ihre Heiligen haben. Gott
hat nur Menschen wie dich und mich, um seine Pläne zu verwirklichen, fehlbare
Menschen und doch bemüht. Solche, die scheitern und denen dann doch auch etwas
gelingt. Solche, die sich schuldig machen, denen er aber vergibt. Genau zu
solchen Leuten ist Jesus mit Gottes Liebe gekommen, um ihnen, um dir und mir zu
sagen, wie wichtig wir für ihn sind.
Mögen die Menschen denken, dass nur die Erfolgreichen und Tüchtigen,
nur die Vornehmen und Angesehenen, die Besseren und Frömmeren, die Mächtigen
und Reichen, die mit der weißen Weste
und einem schwarzen Talar, - mögen Menschen denken, dass nur solche bedeutend
sind und einen großen Einfluss auf das Weltgeschehen haben. Solche, die sich in
Hamburg zum G 20 Gipfel getroffen haben. Mögen Menschen das denken. Gott denkt
so nicht.
Ihm sind unsere Maßstäbe herzlich egal. Er misst mit seinem Maß. Und
dabei fragt er uns nicht, ob uns das passt. Gehen wir noch einmal zurück zur
Josefsgeschichte. Gott hatte Josef in Ägypten gebraucht. Und damit der dorthin
kam, haben ihn seine Brüder verkauft. Gott hatte Josef als zweitmächtigsten
Mann nach dem Pharao gebraucht. Und damit er diese Stellung erreichte, musste
er zuvor ins Gefängnis, wo er die Träume seiner Mitgefangenen deutete, weshalb
der Pharao auf ihn aufmerksam wurde.
Jetzt endlich hatte Gott den Josef an der Stelle, an der er ihn haben
wollte. Jetzt konnte Josef mit seinen Begabungen die heraufziehende, große
Hungersnot abwenden und somit auch seine Brüder und die ganze Sippe retten, die
Nachkommen des Abraham. Die zogen nun nach Ägypten, um von Josef Getreide zu
kaufen und so am Leben zu bleiben.
Die Brüder hatten das nicht verstanden. Aber Josef. Er wusste nun, wozu
er das alles durchgemacht hatte, all die Höhen und Tiefen in seinem Leben. Er
wusste, dass Gott seine Hand im Spiel hatte, damit die Geschichte mit seinem
Volk weitergehen konnte. Viele Generationen später ging aus diesem Volk Jesus
hervor, der uns Menschen nicht nur aus einer Hungersnot rettet, sondern aus der
Macht des Bösen und des Todes.
So verbindet sich die uralte Josefsgeschichte mit unserer
Lebensgeschichte heute. So gilt auch für dich und für mich, dass unser Leben
einen Sinn hat, den Gott stiftet und einen Zweck, den er bestimmt. Auch wir
wissen meist nicht, warum es neben den ruhigen und normalen Tagen auch wieder
Höhen und Tiefen gibt, die uns im Innersten treffen, Tage der Freude, an denen
Kinder geboren werden, eine Ausbildung erfolgreich beendet oder eine Hochzeit
gefeiert wird, aber eben auch Tage des Leids, an denen man am Grab eines lieben
Menschen steht, wo Partnerschaften zerbrechen, der Arzt eine schlechte
Nachricht hat, Kinder Sorgen machen oder eine finanzielle Notlage droht.
Doch in all dem Auf und Ab, in der Weltgeschichte ebenso wie in unserer
Lebensgeschichte, geht Gott unbeirrt seinen Weg mit uns. Er will uns an das
Ziel zu bringen, das er vorgesehen hat
und seine Schöpfung vollenden. Und dabei spielst auch du und spiele auch ich
eine Rolle für ihn. Er braucht uns für sein großes Ziel. Auch du bist ihm wichtig.
Auch dein Leben zählt.
Das Happy End, das gute Ende der Bibelgeschichte ist, dass Josef sich
mit seinen Brüdern versöhnt. Er nimmt ihnen die Angst, redet freundlich mit
ihnen und versorgt sie.
Das Happy End, das gute Ende unserer Lebensgeschichte ist, dass Jesus
sagt: Komm zu mir. Alles ist gut. Was dich quält und was dir Angst macht, ich
habe es überwunden. Amen
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