Samstag, 29. Juli 2017

Nachdenken über Vergänglichkeit hl

LosungSiehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Ach wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben! Psalm 39,6 

LehrtextJesus betet: Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen. Johannes 17,15 

Liebe Leserin, lieber Leser,

schon manchen Wind hat die alte Linde am Sommersdorfer Schloss kommen und gehen sehen. Dann haben ihre Blätter geraschelt. Und wenn ein großer Sturm kam, ist auch mal ein Ast abgebrochen. Man sieht die Bruchstellen noch heute. Die Winde sind verweht. Die Linde ist geblieben und steht, bis auch ihre Zeit gekommen ist.
Wie ein Wind nach dem andern so wehen auch die Menschengeschlechter über die Erde. Manchmal brauen sie sich zu einem vernichtenden Sturm zusammen. Dann erinnert noch eine Zeit lang eine Schneise der Verwüstung an sie wie vor 70 Jahren. Manchmal sind sie wie ein friedlicher Sommerwind, der kaum eine Spur hinterlässt. So wie sie gekommen sind, sind sie auch wieder gegangen, alle. Wir wissen nicht viel von ihnen. Wir kennen nicht einmal unsere Vorfahren, die vor 150 und mehr Jahren gelebt haben. Vielleicht steht hie und da noch ein Name auf einem vergilbten Papier. Aber sonst?
     König David wusste das. Und darum hat er gebetet: »HERR, lehre doch mich, / dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss. Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Ach, wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben! Sie gehen daher wie ein Schatten / und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie sammeln und wissen nicht, wer es kriegen wird. Nun, Herr, wes soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich
     Stimmt das? Gehören auch wir, gehören du und ich zu denen, die sich viel vergebliche Unruhe machen? Worüber habe ich mich nicht schon alles aufgeregt in meinem Leben. Und was ist davon geblieben? Manchmal meint man, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie sollten, dass die Welt unterginge, vielleicht nicht die große, aber die eigene kleine. Und dann? Dann ebbt die Aufregung ab, die Gefühle beruhigen sich. Und irgendwann hat man vergessen, worüber man sich aufgeregt hat. Und der ganze Stress, – hat der sich gelohnt? Nun, ohne Aufregung und Stress geht es auch nicht. Aber vielleicht könnte es ein bisschen weniger sein und dafür etwas mehr Liebe zu denen, die einem nahe stehen, zur Natur, zur Kunst und - zu Gott. 
     Wenn ich mal am Ende meines Lebens zurückschaue, werde ich nicht sagen, ich habe alles richtig gemacht. Werde ich nicht sagen, ich bereue nichts. Solche, die nichts bereuen, sind mir ohnehin verdächtig. Dann werde ich wohl die Zeit bedauern, die ich auf die eine oder andere Weise vergeudet habe, aber mich hoffentlich auch über das freuen, woran ich mich gern erinnere. Und das werden nicht unbedingt die zahllosen Stunden sein, die ich allein am PC verbracht habe, sondern die, in denen ich mit anderen etwas unternommen habe. Und vielleicht komme ich dann auch zu diesem Ergebnis und sage: »Es war, was es war und es ist, was es ist, - sagt die Liebe.«  (nach Erich Fried)
     Vielleicht können wir alle gar nicht so sehr viel anders leben als wir es tun. Doch darüber nachzudenken, ist ein weites Feld und sprengt den Rahmen dieser Auslegung. David jedenfalls, immerhin ein bedeutender König, sagt, nachdem er über die Vergänglichkeit und Vergeblichkeit von allem nachgedacht hat: »Nun, Herr, wes soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich.« Er, der ohne mein Zutun mit allem begonnen hat, wird auch ohne mein Zutun alles zu einem guten Ende bringen. Darauf hoffe auch ich und das beruhigt mich.
     Im Johannesevangelium betet Jesus (Lehrtext) für die Menschen, die Gott ihm gegeben hat, nicht, dass er ihnen die Welt erspart und damit auch Schmerzen und Leid, Angst und Tod. Aber er bittet, dass sie darin nicht untergehen, sondern durch das Böse hindurch bewahrt und erlöst werden. Und genau das sagen wir ja auch im Vaterunser, wenn wir beten „und erlöse uns von dem Bösen“. Wir bitten nicht, dass uns böse Erfahrungen erspart bleiben. Sie gehören zu diesem Leben in dieser Welt und in dieser Zeit dazu. Aber wir bitten, daraus erlöst und befreit zu werden. Jetzt schon und auch dann. Mitten im Leben und an seinem Ende, wenn Gott vollenden wird, was er mit uns begonnen hat.
     
Gebet: Herr, mach du mich gewiss, dass mein Leben ein Ziel hat, damit ich nicht ziellos und planlos dahinlebe. Damit ich eine Hoffnung auf ein gutes Ende habe. Doch schenke mir auch jetzt den Glauben, dass du mein Gott bist, der mich behütet und mir hilft. So kann ich mich an deiner Schöpfung und an meinem Leben freuen und dir danken. Amen

Herzliche Grüße 

Hans Löhr

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