Donnerstag, 27. Juli 2017

Glaube und Religionstheater - Zum Reformationsjubiläum 2017 hl

Am 31. Oktober sind es genau 500 Jahre, dass Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht hat. Dann ist das Jubiläumsjahr zur Reformation beendet. Ob es auch etwas gebracht hat?
Nun, es gab sehr viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge, Zeitungsbeiträge, Buchveröffentlichungen, Diskussionen, Filme, Konzerte und nicht zuletzt Predigten. Ich konnte nur einen kleinen Teil davon zur Kenntnis nehmen. Aber ich habe nirgends entdeckt, dass die evangelische Kirche in Deutschland mit ihren Landeskirchen ein zukunftsweisendes Konzept vorgestellt hätte. Stattdessen war das Jubiläum weitgehend  eine Rückschau, hat sich die Kirche selbst gefeiert und feiern lassen.

4 Grundprinzipien
Und genau darin sehe ich das Problem. Denn Luther ging es vor 500 Jahren nicht um die Kirche, sondern zuerst um den Glauben. Er hatte vier Grundprinzipien für eine an der Bibel orientierte Gemeinschaft der Glaubenden formuliert: 1. Allein Jesus Christus und sonst keine anderen Offenbarungen von Gott. 2. Allein die Bibel und keine anderen Quellen für den Glauben. 3. Allein die Gnade Gottes und keine menschlichen Pfuschereien, um ihm recht zu sein.
4. Und das alles allein durch den Glauben, durch unbedingtes Gottvertrauen statt dadurch, religiöse Sätze für wahr zu halten.

Religionstheater auf vielen Bühnen
Mehr braucht es nicht. Keine kirchlichen Hierarchien und Ämter. Keine Kirchensteuer und keine Immobilien. Keine Gesetze und Vorschriften. Keine Talare und Alben. Keine Stolen und Beffchen. Keinen Lutherrock und kein Amtskreuz. Keine Rituale und Liturgien. Keine Behörden und Kirchenverwaltungen. Das alles zusammen und noch viel mehr ist Religionstheater.
Solange es den Leuten gefällt und man damit niemandem schadet, solange es vor allem den Glauben nicht verdunkelt, mag es auch weiterhin unterhalten. Nur soll man es nicht allzu wichtig nehmen. Christliches Religionstheater gibt es ja auch anderswo mit anderen Besetzungen und anderen Kulissen. Die einen nennen ihr Theater katholisch, die anderen evangelisch, die dritten orthodox. Es gibt so viele Bühnen wie Kirchen mit unterschiedlichem Programm. Und es ist nicht ersichtlich, weshalb die Bühnen in Deutschland besser sein sollen als die in Afrika und die in Lateinamerika besser als die in Asien. In einem aber sind sie sich alle gleich, und das ist die religiöse Betriebsamkeit, die sie zur Schau stellen.

Die Kirche hat Jesus gekreuzigt
Man möge bei alledem nur nicht vergessen, dass es vor 2000 Jahren die Religion, genauer die Kirche und ihre Vertreter waren, mit denen sich Jesus angelegt hatte und die ihn daraufhin ans Kreuz gebracht haben. Dass die Kirche damals ‚Synagoge‘ hieß, das Sakralgebäude ‚Tempel‘  und der Erz- oder Landesbischof ‚Hoherpriester‘, tut dabei nichts zur Sache.
 Die Botschaft Jesu war eben für die Nutznießer der Religion brandgefährlich. Sie widersprach ihrem Machtanspruch. Ihmzufolge geht es nur darum, dass ich mein ganzes Vertrauen auf Gott setze, meinen Schöpfer und Hüter. Ich soll mir gesagt sein lassen, dass er mich bedingungslos und voraussetzungslos liebt. Und ich soll ihn darum wieder lieben und meinen Nächsten wie mich selbst. Dieser menschenfreundliche Gott ist in Jesus sichtbar geworden und nur in ihm.
Das ist alles, worum es im Glauben geht. Alles andere sind religiöse Zutaten, die den Glauben oft mehr entstellen als dass sie ihn fördern. Um diesen Glauben weiterzugeben, braucht es Gemeinschaften, aber nicht unbedingt Kirchen mit dem ganzen Betrieb, den wir in Deutschland kennen.

Wie will die Kirche den Glauben leben?
Wenn es aber schon Kirchen gibt, wenn es eine evangelische Kirche gibt, die sich etwas darauf zugute hält, am Evangelium, der Botschaft Jesu ausgerichtet zu sein, dann möchte man doch im Jubiläumsjahr der Reformation gerne erfahren, wie sie diese Botschaft lebensnah und zeitnah unter die Menschen bringt. Wie sie aufbricht zu neuen Ufern und alten Ballast abwirft. Wie sie auf Reichtum, Macht und Privilegien verzichtet. Wie sie vor allem den Glauben selbst lebt, den sie doch weitergeben soll, nämlich das rückhaltlose Vertrauen auf den liebenden Gott.

Hans Löhr, Pfarrer i.R.  Autor des Blogs
www.glaubenswachstum.blogspot.de
Artikel im Gemeindebrief der Evang.-Luth. Pfarrei Sommersdorf-Thann Ausgabe August bis Oktober 2017

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