Lichtblickgottesdienst in Burgoberbach. Predigt: Hans Löhr
Liebe Freunde,
meine jüngste Tochter war vielleicht drei oder vier, da habe ich sie scherzhaft gefragt: „Wem gehörst du denn?“ Die Antwort, die ich erwartete, war „der Mama“, aber noch lieber hätte ich gehört, „dem Papa“. Stattdessen sagte sie spontan: „Mir selber!“ Da war ich vielleicht verblüfft! Und so selbstbewusst wie jene Antwort war, so ist sie auch bis heute geblieben.
Und jetzt frage ich dich: Wem gehörst du? Bei uns in Franken ist es üblich, dass Erwachsene ein Kind, dass sie nicht kennen, fragen: „Wem g‘hörst ner (nachher) du?“ Und meistens sagt es dann: „Ich bin der Meiers Fritz“. Und das sagen dann auch noch die Erwachsenen von sich. Sie nennen seltsamerweise zuerst den Nachnamen und dann den Vornamen. Jedenfalls weiß der Fragende dann sofort, mit wem er es zu tun hat.
Und so frage dich jetzt noch mal: Wem gehörst denn du? Klar, auch du gehörst in gewisser Hinsicht deinen Eltern und natürlich auch dir selber. Aber als Deutscher oder Deutsche gehörst du auch dem deutschen Staat. Falls du das bezweifelst, dann zahle einfach mal keine Steuern, dann wirst du schnell merken, wem du gehörst und nach wessen Pfeife du tanzen musst.
Und als Angehöriger einer Firma gehörst du gewissermaßen auch dem Betrieb. Da hast du klare Pflichten, die du erfüllen musst, aber auch Rechte. Du bekommst Lohn für deine Arbeit, Urlaubstage und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Doch wenn man sich von dir trennt oder, schönfärberisch gesagt, wenn man dich „freistellt“, gehörst du nicht mehr dazu. Dann musst du selber zusehen, wo du bleibst und wo du deine Brötchen verdienen kannst. Auch Ehepaare gehören gewissermaßen einander. Manchmal lebenslang, manchmal auf Zeit. Bei Frauen kommt das oft auch im Nachnamen zum Ausdruck, wenn sie ihn von ihrem Mann übernommen haben.
Wie sich Gott uns Menschen bekanntgemacht hat
Und damit sind wir in der Bibel. Auch da macht der Name deutlich, wem ein Mensch gehört. Ich lese dazu den Abschnitt, in dem sich Gott dem Mose bekannt macht. Er steht im 2. Buch Mose in Kapitel drei. Da heißt es:
1. Stimme aus dem Feuer zu einem Schafhirten (Nicht im Tempel zu einem Priester)
»Mose hütete damals die Schafe seines Schwiegervaters Jethro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er die Herde von der Steppe hinauf in die Berge und kam zum Horeb, dem Berg Gottes. Dort erschien ihm der Engel des HERRN in einer Flamme, die aus einem Dornbusch schlug. Als Mose genauer hinsah, bemerkte er, dass der Busch zwar in Flammen stand, aber nicht niederbrannte. »Merkwürdig«, dachte Mose, »warum verbrennt der Busch nicht? Das muss ich mir aus der Nähe ansehen.«
Der HERR sah, dass Mose sich dem Feuer näherte, um es genauer zu betrachten. Da rief er ihm aus dem Busch zu: »Mose, Mose!« »Ja, Herr«, antwortete er. »Komm nicht näher!«, befahl Gott. »Zieh deine Schuhe aus, denn du stehst auf heiligem Boden!
2. Selbstvorstellung Gottes: Wer ich bin
Ich bin der Gott, den schon deine Vorväter verehrt haben, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.« Mose verhüllte sein Gesicht, denn er hatte Angst davor, Gott anzuschauen.
3. Was ich bin (mitfühlender Befreier)
Der HERR sagte: »Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Schreien über ihre Antreiber habe ich gehört, ich kenne seine Schmerzen.
4. Was ich tun werde (Gottes Absicht)
Nun bin ich herabgekommen, um sie aus der Gewalt der Ägypter zu retten. Ich will sie aus diesem Land herausführen und in ein gutes, großes Land bringen, in dem es Milch und Honig im Überfluss gibt. 9 Ja, ich habe die Hilfeschreie der Israeliten gehört; ich habe gesehen, wie die Ägypter sie quälen.
5. Was du tun sollst (Auftrag)
Darum geh nach Ägypten, Mose! Ich sende dich zum Pharao, denn du sollst mein Volk Israel aus Ägypten herausführen!«
6. Wie ich heiße (Der Gottesname als Zusage und Ermutigung)
Mose entgegnete: »Wenn ich zu den Israeliten komme und ihnen sage, dass der Gott ihrer Vorfahren mich zu ihnen gesandt hat, werden sie mich nach seinem Namen fragen. Was sage ich dann?« 14 Gott antwortete: »Ich bin der IchBinDa! Darum sag den Israeliten: Der IchBinDa hat mich zu euch gesandt. 15 Ja, der HERR hat mich geschickt, der Gott eurer Vorfahren, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. – Denn das ist mein Name für alle Zeiten. Alle kommenden Generationen sollen mich so nennen.«
Was diese Geschichte erzählt, war damals im Alten Orient einzigartig und revolutionär. In allen Kulturen damals hat es Sklaven und Zwangsarbeiter gegeben. Das war völlig normal. Wenn ein Volk gegen ein anderes Krieg geführt hatte, – und damals wurden viele Kriege geführt –, dann gehörten die Besiegten den Siegern und wurden versklavt. Aber nie hat es das gegeben, was wir soeben gehört haben. Nie hat ein Gott gesagt: Diese Sklaven sind mein Volk. Sie gehören nicht dem Sieger, nicht dem König, sondern mir.«
Aus dieser Geschichte wächst der Glaube der Israeliten und heute der Juden ebenso wie der Glaube von uns Christen. Unser Gott ist nicht ein Gott der Pharaonen, nicht der Ausbeuter und Unterdrücker, sondern in erster Linie ein Gott der Sklaven, der Erniedrigten und Beleidigten, der Gefangenen und Geschundenen, der Armen und der Flüchtlinge.
Diese Geschichte, liebe Freundinnen und Freunde, hat es in sich. Wer wissen will, wer Gott ist, muss unbedingt auch diese Geschichte kennen. Sie ist die Gründungsurkunde für den Glauben der Juden und auch für den Glauben der Christen.
Der Gott der Sklaven…
Nun also brennt da ein Busch in der Steppe. Aber er verbrennt nicht. Und als der Schafhirte Mose neugierig hinzutritt, hört er eine Stimme die sagt: „Ich bin der Gott der hebräischen Zwangsarbeiter in Ägypten. Sie gehören nicht dem Pharao, sondern mir. Und du wirst sie mit meiner Hilfe befreien.“ Unfassbar, da interessiert sich ein Gott für diejenigen, die ganz unten sind. Mehr noch: Er sieht ihr Elend. Er hört ihre Hilfeschreie. Und, jetzt haltet euch fest, er kennt ihre Schmerzen.
Wenn ich das lese und höre, kriege ich Gänsehaut und hab einen Kloß im Hals. Gott kennt die Schmerzen der Sklaven. Das war einzigartig. Und das haben später viele, zu viele Christen schnell wieder vergessen, als sie selbst an die Macht kamen und zu Sklavenhaltern wurden. Bis ins 19. Jahrhundert haben sich die superfrommen weißen Christen im Süden der Vereinigten Staaten Sklaven gehalten und den Gott verehrt, der doch in der Bibel von sich sagt: Ich kenne ihre Schmerzen. Und in Deutschland fand man damals nichts dabei, die Arbeiter auszubeuten. Noch heute gibt es in unserem Land Arbeitsverhältnisse, die zum Himmel schreien.
Dieser Gott ist und bleibt zu allererst der Gott der Schutzbedürftigen, der Elenden und Armen, auch heute. Sie will er retten. Für sie ergreift er Partei und sucht sich Menschen, die ihm dabei zur Hand gehen. Und ich sage das nun in aller Deutlichkeit: Wer an Gott glauben und ihm vertrauen will, der kann das nur, wenn er nicht nur für ihn ein Herz hat, sondern für alle, die auf Hilfe angewiesen sind: Für die Kinder, für die Flüchtlinge in unserem Land, für die Behinderten, für die Kriminellen im Gefängnis, die Waisen in Tansania, für die Obdachlosen. Für die Huren, die Bettler in den Städten, für Pflegebedürftige und Demenzkranke. Und für die Minderheiten, für Ausländer, für die Schwulen, für die Juden, für die Muslime und wer sonst noch in unserem Land schief angesehen und schlecht behandelt wird.
Denn Gott ist immer auch ihr Gott. Er hat sie alle geschaffen sowie auch dich und mich. Er bevorzugt uns deutsche, weiße Christen nicht, wie fromm wir auch zu sein meinen. Ihm gehören alle Menschen. Ihm gehören auch die Tiere. Wenn du zu ihnen nicht barmherzig bist, wie soll dann Gott zu dir barmherzig sein? Darum heißt es in der Bibel: »Der Gerechte erbarmt sich über seine Tiere, die Gottlosen aber sind herzlos.« (Sprüche 12,10) Doch das ist ein anderes Thema, das ein anderes Mal ausführlich zur Sprache kommen muss.
Und du hier, du gehörst Gott auch, egal, wie du zu ihm stehen magst. Er kennt dich. Er kennt auch deine Probleme, hört deine Seufzer und spürt deine Schmerzen. Weißt du eigentlich, was das tiefste Geheimnis der Liebe ist? Wenn einer weiß, was dir weh tut. Er weiß das.
Merkwürdig, dass Gott damals zu einem Schafhirten in der Steppe gesprochen hat und nicht zu einem Bischof oder Pfarrer in einer Kirche.
… und dein Gott
Und jetzt wieder zu dir. Dieser Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, dieser IchBinDa ist auch dein Gott. Sein Name ist Programm und ist für dich von größter Bedeutung. Seine Identität ist, dass er dein Gott sein will. Als Gott ist er immer auch dein Gott. Darin stimmt er mit sich über ein. So will er sich selbst verstehen. Wenn er also seinen Namen nennt und von sich spricht, hat er immer auch dich vor Augen. Denn er ist eben nicht nur der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, sondern auch der Gott Gerhards, Manuelas, Inges, Friedrichs, Gabrieles, Ulrichs, Sebastians und wie ihr alle hier heißt. Er erkennt dich persönlich mit Namen (Jesaja 43,1), er hat ihn in seine Hand geschrieben, wie die Bibel sagt (Jesaja 49,16) und ihn an seinen Namen angehängt. Und niemand kann ihn mehr auslöschen.
Die alten Römer damals haben ihre Söhne oft durchnummeriert. Sie haben sie Tertius, der Dritte, genannt ; Quintus, der Fünfte; Septimius, der Siebte. Die Nazis wollten ihren Opfern den Namen nehmen und haben ihnen eine Nummer eintätowiert. Und auch du bist in unserem Land eine Nummer: Eine Steuernummer, eine Krankenkassennummer, eine Ausweisnummer. Damit wirst du identifiziert. Aber bei und durch Gott bist du ein einzigartiger Mensch mit einem guten Namen. Da musst du nicht erst noch etwas werden. Da bist du schon jemand. Da bist du sein Sohn oder seine Tochter. Denn er hat gewollt, dass du lebst, hat dich geschaffen und auf die Welt gebracht und wird dich einmal wieder zu sich nehmen, damit du nicht verloren gehst.
Viele aber meinen, wenn man sie fragt, sie seien halt ein Produkt des Zufalls. Meinst du das hier auch? Bist du ein Produkt des Zufalls? Und was bedeutet das dann? Ist dann alles irgendwie egal, weil es ja so sein kann oder auch nicht oder ganz anders, zufällig eben? Ist dir dann alles egal und bist du anderen Menschen egal? Ist dann auch dein Wert, deine Würde egal? Wenn es so ist, dann, so sagt man bei uns in Franken, g‘hörst du der Katz.
Mehr Respekt und Anstand
Wenn du das aber nicht meinst, dann kannst du ein freier Mensch sein mit einem gesunden Selbstwertgefühl. Dann kannst du viele von deinen unnötigen Ängsten in die Mülltonne werfen, kannst mutig und zuversichtlich sein und dich deines Lebens freuen. Und wenn dir dann einer dumm kommt, vielleicht ein Chef, irgendein höheres Tier oder ein arroganter Nachbar. Oder wenn jemand aus der Verwandtschaft überheblich ist, weil er sich nur dann groß fühlen kann, wenn er dich klein macht. Wenn dir einer so kommt, dann steht Gott hinter dir, legt seine Hände auf deine Schultern und sagt: „Du weißt doch, wer du bist. Du bist meine Manuela, mein Ulrich, meine Inge, mein Lukas. Du gehörst mir. Ich kenne deine Ängste. Ich weiß um deine Sorgen. Ich sehe, wie man dich behandelt. Aber ich werde nicht zulassen, dass man dich, meine Tochter, meinen Sohn, zerbricht. Ich stärke dir den Rücken, dass du dich nicht einschüchtern lässt. Ich mache dir Mut, dass du dich wehrst und sagst: „Wie reden Sie denn mit mir? Ich erwarte von Ihnen mehr Respekt und Anstand.“
Das Gefängnis Ägypten – das haben nicht nur die Israeliten damals kennengelernt. Das kennen viele von uns hier. Ich auch. Da bist du eingesperrt in eine lange Krankheit, in schwierige finanzielle Verhältnisse, in eine kaputte Beziehung, in ein belastendes Arbeitsverhältnis, in eine Sucht, in Trauer, in allerlei Ängste, in Einsamkeit und seelische Schmerzen. Im Gefängnis deines Ägyptens kannst du viele Jahre leiden. Aber es ist nicht deine Bestimmung. Da ist ein Gott, der dich kennt, der deine Situation sieht, der mit dir fühlen kann und der handelt. Er will und wird auch dich da herausführen und in einen neuen Lebensabschnitt bringen, indem es dir besser geht. Alles was er dazu braucht, ist dein Vertrauen, dass das Neue besser sein wird als das Alte ist. Denn er, der jetzt da ist, wird auch morgen für dich da sein. Das ist sein heiliger Name. Und er selbst wird seinem Namen Ehre machen.
Also, wem gehörst du denn? Dem Zufall, dem Schicksal, dem Chef, dem Staat, oder jemandem, der dich ausnützt? Die Bibel sagt, du gehörst Gott wie er dir in Jesus Christus begegnet. Er kennt dich. Er sagt, ich sehe deine Not, ich höre dein Gebet, ich fühle deine Schmerzen, ich helfe dir mit starker Hand und tröste dich mit meinem Namen. Denn ich bin Gott, der „IchBinDa“ und lasse dich nicht im Stich. Amen
Danke für die Predigt - allerdings gehöre ich ganz bestimmt nicht dem Staat und daran ändert auch eine Steuerpflicht nichts. Selbst Einzelverträge mit meinen frühreren Arbeitgebern begründeten keinerlei Eigentumsanspruch, sondern "nur" vertragliche Verpflichtungen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand anders sehen kann. Der Hinweis auf die Sklavenhalterei ist einseitig, denn die gab es lange zuvor schon im arabischen Raum. Muslime hatten sich hierbei in Afrika bedient und deren Bedingungen waren offenbar sehr viel schlimmer, wie man lesen kann.
AntwortenLöschen"Mögen andere (z.B. Muslime) von ihrer Schande sprechen. Ich spreche von der meinen." Bert Brecht 1933
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