Predigt von Hans
Löhr am 10. Sonntag nach Trinitatis um 9:00 Uhr in der Kirche
Sankt Kunigund in Reuth und um 10:00 Uhr in Sankt Nikolai in Neuendettelsau.
Predigtwort: Es freue sich der Himmel, und die Erde sei fröhlich, und
man sage unter den Völkern: Der HERR regiert! 1. Chronik 16,31
Liebe Gemeinde,
vor 50 Jahren veröffentlichten die Beatles ihre erfolgreichste Single,
also Einzelschallplatte, mit dem Lied: Hey Jude [Aussprache: Dschuhd. Gemeint ist Julian
Lennon]. Darin heißt
es sinngemäß:
Und immer, wenn du den Schmerz
fühlst
Hey Jude, lade dir nicht die Last der ganzen Welt auf deine Schultern.
Du weißt, dumm ist, wer so tut, als ginge ihn alles nichts an.
Damit macht er die Welt nur noch kälter.
Hey Jude, lade dir nicht die Last der ganzen Welt auf deine Schultern.
Du weißt, dumm ist, wer so tut, als ginge ihn alles nichts an.
Damit macht er die Welt nur noch kälter.
Mich hatte dieses Lied damals mitten ins Herz getroffen, weil es genau
die Gefühle wiedergab, die auch mich bewegten. Angeregt durch diesen Song malte
ich ein Bild von einem jungen Mann mit langen Haaren und blutendem Herzen. Auf
seinen Schultern trug er die Weltkugel, unter der er zusammenbrach.
Das Bild war nicht gut und auch kitschig. Ich habe es deshalb nicht
aufgehoben. Aber ich brachte damit zum Ausdruck, was mich umtrieb. Damals tobte
noch immer der Krieg der Amerikaner in Vietnam. Kurz bevor ich mein Bild malte,
sah ich ein Foto aus My Lai. Ein Kampfjet hatte das Dorf mit Napalm aus den USA
angegriffen. Getroffen wurde eine Schar Kinder, die entsetzt aus dem brennenden
Dorf rannten. Ein Foto zeigt ein neun Jahre altes Mädchen, komplett nackt, die
Arme weit von sich gespreizt. Das Napalm hatte ihre Kleider und einen großen
Teil ihrer Haut verbrannt. Das Mädchen lief schreiend auf den Fotografen zu.
Dieses Bild ging damals um die Welt und trug mit dazu bei, dass die Stimmung in
Amerika kippte und die US-Armee ein paar Jahre später sieglos und planlos aus
Vietnam abzog:
Und immer, wenn du den Schmerz
fühlst
Hey Jude, Lade dir nicht die Last der ganzen Welt auf deine Schultern
Du weißt, dumm ist, wer so tut, als ginge ihn alles nichts an.
Damit macht er die Welt nur noch kälter.
Hey Jude, Lade dir nicht die Last der ganzen Welt auf deine Schultern
Du weißt, dumm ist, wer so tut, als ginge ihn alles nichts an.
Damit macht er die Welt nur noch kälter.
Nein, ich konnte nicht so tun, als ginge mich das alles nicht an. Aber
ich konnte auch nicht die Last der ganzen Welt auf meine Schultern laden. Ich
habe dann den Kriegsdienst verweigert und bin seitdem ein entschiedener Gegner
von jeder Art Krieg und Militär. Du hier magst das vielleicht anders sehen. Ich
sehe es so. Meine Abscheu gegen den Vietnamkrieg damals trug entscheidend dazu
bei, dass ich Theologie studierte und heute hier auf der Kanzel stehe.
Warum erzähle ich das alles? Weil sich im Grunde nicht viel geändert
hat. Heute haben wir andere Probleme wie den Klimawandel und sind betroffen von
dem, was sich mit den Flüchtlingen im Mittelmeer abspielt. Doch hinter allem
lauert nach wie vor die unterschätzte Kriegsgefahr. Wie soll man sich da
verhalten?
Jeder von uns hier reagiert auf seine Weise. Der eine schaut weg. Der
andere zuckt mit den Schultern. Der dritte ist angesichts der eigenen
Hilflosigkeit nahezu verzweifelt. Ein vierter unterstützt die jungen Menschen
mit ihrer Fridays For Future Bewegung. Ein Fünfter spendet für die
Seenotrettung von Flüchtlingen. Ich finde es gut, wenn uns die Probleme unserer Zeit nach wie
vor etwas angehen und wir nicht mit Gleichgültigkeit die Welt noch kälter
machen.
Doch, und jetzt komme ich zum entscheidenden Punkt, es hilft niemandem,
wenn wir glauben, wir alleine hätten alles in der Hand und müssten die Last der
Welt tragen. Es bringt nichts, wenn wir ständig auf die Probleme starren wie
das Kaninchen auf die Schlange. Das lähmt nur und nimmt die Hoffnung. Stattdessen
brauchen wir immer wieder mal Abstand und eine andere Sichtweise, sonst werden
wir scheitern.
Abstand und eine andere Sichtweise - das ist der springende Punkt. Nicht
wir sind‘s doch, auf die alles allein ankommt, die alles allein schaffen
müssen. Nicht wir regieren die Welt. Sondern es gilt, was im Bibelwort für
diese Predigt aus dem ersten Buch der Chronik steht: Es
freue sich der Himmel, und die Erde sei fröhlich, und man sage unter den
Völkern: Der HERR regiert! (1. Chronik 16,31)
Der Herr regiert! – Das muss ich mir immer wieder einmal klarmachen, um
nicht mutlos zu werden. Nicht Donald Trump regiert, nicht Vladimir Putin, nicht
Xi Jinping. Auch nicht Frau Merkel. Gott hat auch die Staats- und Regierungschefs des G7 Treffens in der Hand, die seit Freitag in Biarritz beraten. Gut, wenn diese das auch wüssten und sich danach richten
würden?
Am 10. Dezember 1968 starb im Alter von 82 Jahren der bedeutendste
Theologe des 20. Jahrhunderts, der Schweizer Karl Barth. Am Vorabend seines
Todes telefonierte er noch mit einem Freund. Sie sprachen über die damals
bedrohliche Weltlage. Da sagte Barth: »Bleiben wir doch zuversichtlich auch in
den dunkelsten Augenblicken! Lassen wir die Hoffnung nicht sinken, die Hoffnung
für alle Menschen, für die ganze Völkerwelt! Gott lässt uns nicht fallen.
Keinen einzigen von uns und uns alle miteinander nicht. Es wird regiert!«
Genau darauf kommt es meines Erachtens an. Vielleicht war das, was ich
bisher gesagt habe nicht dein Thema. Vielleicht interessierst du dich nicht für
Politik und auch nicht für Umweltfragen und gesellschaftliche Probleme. Aber
was im Großen gilt, gilt auch im Kleinen. Gott regiert nicht nur das gesamte Universum.
Er regiert auch dein und mein kleines Leben.
Jeder von uns macht sich ja auf die eine oder andere Weise Sorgen. Sei
es um die eigene Gesundheit oder um Familienmitglieder. Seien es finanzielle,
berufliche und sonstige Probleme. Und auch da gilt, dass ich nicht ständig um
meine Sorgen kreisen darf wie der Mond um die Erde. Nicht nur die
Himmelskörper, auch die Sorgen haben eine starke Anziehungskraft, sodass wir
versucht sind, unsere Aufmerksamkeit ständig auf sie zu richten.
Ich kenne
ein paar durchaus gute Christen in unserer Gemeinde, die, sobald wir uns begegnen, ständig von ihren Krankheiten und ihren familiären Problemen reden.
Natürlich sollen sie auch die Dinge zur Sprache bringen dürfen, die sie beschäftigen
und belasten. Und dafür ist ja ein Pfarrer auch da, dass er sich dann für
solche Leute Zeit nimmt und zuhört. Aber wenn es gar nicht mehr aufhört, wenn
immerzu nur gejammert und geklagt wird als gäbe es sonst nichts Schlimmeres als
die eigenen Sorgen, dann frage ich mich schon, wo denn da der Glaube und das
Gottvertrauen bleiben. Auch im persönlichen Leben gilt dieselbe Feststellung
wie im öffentlichen: Es wird regiert!
Dazu passt dieses kleine Gedicht, das ich sehr mag. Vielleicht gefällt
es dir ja auch:
Ich komm’, weiß nicht woher / ich bin,
und weiß nicht wer / ich leb’, weiß nicht wie lang / ich sterb’ und weiß nicht
wann / ich fahr’, weiß nicht wohin / Mich wundert’s, dass ich fröhlich bin. ///////
Da mir mein Sein so unbekannt / geb' ich
es ganz in Gottes Hand / die führt es wohl, so her wie hin / Mich wundert's,
wenn ich noch traurig bin. (Hans Thoma)
Wir alle zusammen sind von Jesus eingeladen, immer wieder unsere Lasten
und Sorgen an ihn abzugeben. »Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für
euch!«, heißt es im ersten Petrusbrief. Tut Gott denn das nicht? Hat er denn
das bisher nicht getan? Gilt denn plötzlich nicht mehr, was wir alle einmal
gelernt haben: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“?
Neulich habe ich gelesen: Jeder Spatz ist eine Predigt gegen die Sorgen.
Schließlich sagt Jesus: »Verkauft man nicht fünf Spatzen für zwei Groschen?
Dennoch ist vor Gott nicht einer von ihnen vergessen. Fürchtet euch nicht! Ihr
seid kostbarer als viele Spatzen.« (Lukas 12,6-7) Liebe Freunde, erinnert
euch an dieses Wort, wenn ihr das nächste Mal einen Spatz seht und lasst euch
von ihm sagen: „Gott denkt an dich und sorgt für dich! Er regiert dein kleines
Leben und diese große Welt.“
Ich meine, wir sollten beides tun: Uns den kleinen und großen Probleme stellen und tun, was in unserer Macht steht. Wir
sollten aber auch auf Gott schauen, der alles in der Hand hat. Nur beides
zusammen bringt uns weiter. In einer kleine
Geschichte heißt es dazu:
Einige Fischer sind mit ihrem Boot draußen
beim Fang. Da kommt ein großer Sturm auf. Sie fürchten sich so sehr, dass sie
die Ruder loslassen und den Himmel anflehen, sie zu retten. Aber das Boot wird
immer weiter abgetrieben. Da sagte ein alter Fischer: „Was habt ihr auch die
Ruder losgelassen! Zu Gott beten und gleichzeitig rudern – nur das kann uns
helfen.“
Rudern und beten, das Eine tun und das
Andere nicht lassen – darauf kommt es an. Dann haben wir keinen Grund, uns von
unseren Sorgen und Ängsten ins Bockshorn jagen zu lassen. Nein, wir müssen
nicht die Last der ganzen Welt auf unseren Schultern tragen. Wir sind’s doch
nicht, die alles so herrlich regieren. Er ist’s, der den Spatz nicht vergisst
und dich auch nicht. Der die großen und die kleinen Leute in seiner Hand hat.
Auf ihn dürfen wir unsere Sorgen werfen, weil er für uns sorgt. Von ihm können
wir sagen: Es
freue sich der Himmel, und die Erde sei fröhlich, und man sage unter den
Völkern: Der Herr regiert! Das tun wir und so sagen wir zum Schluss jetzt alle
gemeinsam: Der Herr regiert!
Alle: "Der Herr regiert!"
Alle: "Der Herr regiert!"
Amen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen