Sonntag, 18. März 2012

Gott zuerst! hl

Predigt von Hans Löhr im Lichtblickgottesdienst am 18.03.2012

Einleitung nach der Begrüßung:
Mit dem Thema des heutigen Gottesdienstes gebe ich euch zwei kleine Wörter mit in den Sonntag und in die neue Woche und, wer weiß, vielleicht in eine noch viel längere Zeit. Zwei kleine Wörter, die es in sich haben: „Gott zuerst!“
Der Vorteil dieses Mottos ist, dass man es sich merken kann. Ein weiterer Vorteil ist es, dass du dieses Motto überall notieren kannst, damit du immer wieder daran erinnert wirst. Aber warum sind diese beiden Wörter so wichtig? Und was können sie in deinem Leben bewirken?.
Ich denke, sie sind wie das Ruder an einem großen Schiff. So ein Schiffsruder ist verhältnismäßig klein. Aber wenn du es mit dem Steuerrad oder der Ruderpinne bewegst, dann ändert sich sein Kurs und sei das Schiff noch so groß. Wenn aber das Ruder klemmt oder gar nicht mehr vorhanden ist, dann mögen die Motoren des Schiffes noch so stark und die Segel noch so groß sein – das Schiff treibt dennoch orientierungslos auf dem Wasser. Ausgeliefert den Stürmen und den Meeresströmungen läuft es Gefahr, einen Eisberg zu rammen, auf ein Riff zu laufen, oder an der Küste zu zerschellen.
„Gott zuerst!“ – Diese zwei Wörter geben uns Orientierung und halten uns auf Kurs.
Lesung (=Bibelwort zur Predigt) aus der Offenbarung des Johannes Kapitel 22:
Jesus sagt: »Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. …  Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch Gemeinden das alles mitzuteilen. Ich bin der Sohn Davids, der strahlende Morgenstern … « (aus: „Willkommen daheim“)
Predigt
Liebe Freunde,
meine Frau und ich freuen uns gemeinsam mit dem Kirchenvorstand über die wachsenden Teilnehmerzahlen im Lichtblickgottesdienst. Auch nach nunmehr sechs Jahren hält dieser Trend an. Wir wissen aber auch, dass es vor Gott nicht um das äußere Wachstum geht, sondern dass jeder einzelne auch geistlich in die Tiefe wachsen kann. Unser Anliegen ist es, den Glauben so zur Sprache zu bringen, dass sich dadurch das Leben von möglichst vielen Menschen zum Positiven verändert. Das geht aber nur, wenn sie bereit sind, für ihren Glauben selbst Verantwortung zu übernehmen und auch unter der Woche etwas dafür zu tun. Dazu möchten ich euch ein paar Gedanken von Bill Hybels weitergeben, dem Gründer und Hauptpastor von Willow Creek, einer der weltweit einflussreichsten Kirchengemeinden bei Chicago.
Willow Creek hat eine groß angelegte Studie durchgeführt, was Menschen dazu bringt, im Glauben zu wachsen. Bill Hybels sagt zum Ergebnis: »Das entscheidende Merkmal, um vorauszusagen, ob jemand geistlich wächst, sind nicht Predigten, Dienste oder besondere Veranstaltungen, sondern, ob jemand die Bibel liest und sich täglich geistlichen Übungen verpflichtet.« Dazu zählt Hybels das regelmäßige Gebet, aber auch die Bereitschaft, anderen Menschen Gutes zu tun, sich dem Willen Gottes unterzuordnen und ihm seine Verfehlungen zu bekennen. Alles Dinge, die seit Jesu Zeiten Gültigkeit haben.
»Entscheidend ist«, so Hybels, »dass die Gemeinde jedem Einzelnen beibringt, wie er für sein geistliches Leben selbst Verantwortung übernimmt und die geistlichen Disziplinen zu einem Teil seines Lebens macht. In vielen Gemeinden besteht die Tendenz, dass der Pastor sagt: „Komm, und ich werde dich geistlich nähren.“ Dadurch kann die Einstellung entstehen, dass man, um ein guter Christ zu sein, zu einem Gebäude kommt, eine Stunde in einem Stuhl sitzt und dem Pastor zuhört. Unsere Studie«, so Hybels, »hat jedoch mit blendender Klarheit gezeigt, dass es weit mehr braucht ...Ich sage unseren Gottesdienstbesuchern. Ich kann die Bibel nicht für euch lesen, ich kann nicht an eurer Stelle beten, ich kann nicht die Sünden für euch bekennen – das alles müsst ihr bis zum nächsten Gottesdienst selbst tun. Wenn wir dann wieder zusammenkommen, können wir das gemeinsam tun. Stellen Sie sich vor, sie hätten einen 18 Jahre alten Sohn. Er sitzt an Ihrem Tisch und sagt: „Füttere mich!“ Werden Sie ihn füttern oder werden Sie sagen: „Iss doch selbst!“? Wer sich die ganze Woche zurücklehnt und nur darauf wartet, beim nächsten Gottesdienst vom Pastor geistlich gefüttert zu werden, wird verlieren!«
Den Kritikern, die behaupten, Willow Creek würde Menschen wie Kunden behandeln, hält er entgegen: »Jesus hat Menschen gedient – und das versuchen wir auch. Wir dienen armen Menschen, zerbrochenen Menschen, geschiedenen Menschen. Wir versuchen allen zu dienen. Wenn Sie darauf positiv reagieren, machen wir weiter bei ihren Verwandten und Freunden. Sie sind ein Schatz, geschaffen als Ebenbild Gottes, und es ist für uns eine Ehre, ihnen zu dienen. Für uns sind die Menschen keine Kunden, und sie stehen für uns auch nicht an erster Stelle. Zuerst kommt Christus.«
Was kommt zuerst – darum geht es. Wenn ihr meine Frau fragt, warum sie im Lichtblick-Gottesdienst keinen Talar anzieht, wird sie euch ein paar wohlüberlegte Antworten geben. Wer mich das fragt, dem antworte ich mit einem Augenzwinkern: Der Talar hat einfach zu viele Knöpfe. Und wenn ich den ersten falsch einknöpfe, dann sind alle anderen auch falsch geknöpft und ich muss wieder von vorn anfangen. Auf das, was zuerst geschieht, darauf kommt es an. Auf den ersten Knopf oder auf den ersten Eindruck beim ersten Rendezvous oder beim Einstellungsgesprächen in der Firma. Das alles hat Folgen.
Was kommt denn bei dir zuerst? Was ist dir am wichtigsten und wonach richtest du dich?
Bill Hybels sagt: Bei uns in Willow Creek kommt Jesus Christus zu erst. Nach ihm richten wir uns in allem, was wir tun. Doch das betrifft nicht nur die Gemeindearbeit, sondern auch das persönliche Leben der Mitarbeitenden und der Gemeindeglieder. Das ist ein hoher Anspruch, und ich glaube, Christen sollten tatsächlich so anspruchsvoll sein. Aber das Motto „Gott zu erst!“ Klingt manchem vielleicht nach einem drohenden Zeigefinger, der dir ein schlichtes Gewissen macht und dich unter Druck setzt. Das wäre fatal. „Gott zuerst!“ – Damit verhält es sich wie mit einem Navigationsgerät. Du entscheidest, ob du es verwenden willst. Es zwingt dich nicht zu tun, was es sagt. Aber es zeigt dir den richtigen Weg. Und darum ist das Motto „Gott zuerst!“ weniger ein Satz für andere als vielmehr für mich selbst.
Ich möchte ein paar Beispiele nennen, wo und wie mich dieses Motto beeinflusst.
Wenn ich früh die Augen aufschlage, können die Gedanken und Gefühle, die dann in mir auftauchen, über den ganzen Tag entscheiden. Ich kann mich gleich beim Aufwachen über die Kollegen ärgern, denen ich heut begegne. Ich kann über die vielen Aufgaben stöhnen, die heute auf mich warten. Ich kann Angst haben vor der Entscheidung, die ich treffen muss. Und wenn ich dann mit solchen Gedanken und Empfindungen in den Tag hineinstolpere, werden die restlichen Stunden davon bestimmt.
Ich kann aber auch die Augen aufschlagen und sagen „Gott zuerst!“ Und dann: »Guten Morgen, mein himmlischer Vater! Ich danke dir von Herzen, dass du mich in dieser Nacht, vor der Gefahr Angst, Not und Schmerzen behütet und bewacht hast.« Das Dankeschön am Morgen für Gott ist wie ein positives Vorzeichen für das, was in den nächsten Stunden folgt. Und beim Einschlafen ist es ähnlich. Ich kann die negativen Erlebnisse des Tages mit in den Schlaf hinein nehmen und mich davon auch noch in meinem Unterbewusstsein und in meinen Träumen bestimmen lassen. Oder ich kann, bevor ich die Augen schließe sagen: „Stopp, Gott zuerst!“ und dann mit den Worten von Psalm 4 beten: »Ich liege und schlafe ganz mit Frieden, denn du allein, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne.“
Ich erinnere noch einmal an die Lesung von vorhin, da Jesus sagt: »Ich bin der Anfang und das Ende.«. Ja, er ist der Anfang und das Ende der Welt, der Anfang und das Ende deines und meines Lebens, der Anfang und das Ende dieses Tages. Er ist der Erste und der Letzte – auf ihn kommt alles an.
„Gott zuerst!“ – Diese beiden kleinen Wörter sind ein blitzschneller Check, ein Maßstab in vielen Situationen. Mit ihnen frage ich mich: „Was würde Gott in diesem Augenblick an dem, was ich denke, fühle, sage oder tue gefallen und was nicht?“ Dafür brauche ich nur den Bruchteil einer Sekunde und ich weiß sofort, wie ich mich entscheiden muss.
·      „Gott zuerst!“ – Bei einem meiner Patientenbesuche im Klinikum steht der Name einer Frau auf meinem Zettel, die ich nicht kenne. Als ich das Zimmer betrete, weiß ich mit einem Blick, wie ich sie einzuschätzen habe. Sie ist etwa so alt wie ich, sieht ungepflegt aus, ihre Haut und ihr Gesichtsausdruck lassen darauf schließen, dass sie starke Raucherin ist und vermutlich Alkoholprobleme hat. Meine innere Schublade, in die ich sie hinein stecken will, ist weit offen. Doch stopp: „Gott zuerst!“ Im Licht dieser zwei Wörter ändert sich die Situation schlagartig. Jetzt sehe ich vor mir einen innerlich zerbrochenen Menschen, der mit seinem Leben schlecht zurechtkommt, der sich durch viele Schwierigkeiten hindurchkämpfen muss und wohl gern anders wäre als er ist. Ich sehe vor mir eine Tochter Gottes so wie ich ein Sohn Gottes bin. Vor ihm stehen wir beide auf derselben Stufe und haben dieselbe Würde. Und ich sehe einen Menschen, der nicht meine Geringschätzigkeit braucht, sondern meine Zuwendung und Anteilnahme. Dem es gut tut, wenn ich mir ein paar Augenblicke Zeit für ihn nehme und ihm zuhöre und zum Abschied ein gutes Wort sage.
·      „Gott zuerst!“. Vor zwei Jahren waren meine Frau und ich in Tansania bei unserer Partnergemeinde. Bevor unsere schwarzen Freunde mit dem Geländewagen losgefahren sind, haben sie erst einmal gebetet: „Herr, behüte uns vor den Gefahren der Straße und lass uns gut ankommen. Amen“ Angesichts der Straßen in Tansania, angesichts des Zustands der Autos und der Verkehrsverhältnisse dort waren mir diese Gebete hochwillkommen. Und ich dachte mir, das könnten wir doch auch zuhause machen. Aber wieder daheim, steigen wir nun genauso ins Auto wie immer und fahren einfach drauflos. Nur wenn wir eine lange Strecke vor uns haben, beten wir gemeinsam, aber meistens erst, wenn wir schon losgefahren sind.
·      „Gott zuerst!“ – Mittags kommen die Kinder hungrig von der Schule heim und sitzen ungeduldig am Tisch. Sie können der Verlockung nicht widerstehen, schon mal die ersten Bissen auf die Gabel zu spießen. Doch dann bremsen wir sie uns sagen: „Jetzt beten wir erstmal.“ Und dann sprechen wir ein Tischgebet und bringen damit zum Ausdruck, dass es nicht selbstverständlich ist, Essen auf dem Tisch zu haben und dass wir Gott dafür danken können.
·      „Gott zuerst!“ – Das gilt auch, wenn man dich in den Operationssaal schiebt. Dann tut es dir gut, wenn du vor der Narkose noch einmal dafür betest, dass dir Gott durch die Kunst der Ärzte und die Medizin helfen möge, damit du wieder aufwachst und bald gesund wirst. Das wäre doch was, wenn du das dann nicht nur still für dich tätest, sondern zur versammelten Mannschaft sagen würdest: „Moment mal, bevor Sie damit anfangen, mich aufzuschneiden, wollen wir erstmal beten.“ Die Ärzte und Schwestern würden vielleicht Augen machen, aber, und davon bin ich überzeugt, es würde sie auch beeindrucken, wenn du für sie beten würdest. Sie würden sich dann besonders Mühe geben. Und darum geht es doch, dass sie sich bei der Operation besonders Mühe geben, vor allem, wenn es dich betrifft. Aber wer traut sich das schon? Ob ich den Mut dazu hätte? Übrigens, in den kirchlichen Krankenhäusern in Tansania ist das gemeinsame Gebet der Ärzte und Schwestern vor einer Operation normal.
·      „Gott zuerst!“ – Wenn du ein schwieriges Gespräch mit dem Chef vor dir hast, halte kurz inne und sage: „Gott, gib mir jetzt die richtigen Worte und den Mut, aufrichtig und klar zu sein.“
·      „Gott zuerst!“ – So können auch Kinder vor einer Schulaufgabe sich kurz besinnen und sagen: „Lieber Gott, hilf mir, dass ich nicht so nervös bin und dass ich mich jetzt gut konzentrieren kann.“
Und so gibt es zahllose Gelegenheiten, bei denen du kurz innehalten kannst. Dieses „Gott zuerst!“ tut dir gut. Es hilft dir, die Situation, in der du dich gerade befindest, in einem anderen Licht zu sehen als sonst. Es hilft dir, überlegter, besonnener und gefasster zu sein und dich nicht von deinen Gefühlen und Gedanken hin und her treiben zu lassen wie ein Schiff ohne Ruder.
Und nun stell dir vor: Was würde sich in deinem Leben ändern, wenn Gott den ersten Platz einnähme? Wenn du mehrmals am Tag sagen würdest: „Stopp, Gott zuerst! Was gefällt ihm jetzt und was nicht?“ Du würdest jedenfalls Verantwortung für deinen Glauben und für dein Leben übernehmen. Du hättest einen Maßstab, mit dem du alles messen könntest. Du hättest eine Orientierungshilfe, wenn du vor jeder Entscheidung kurz inne hieltest und Gott bätest, dir zu helfen.
„Gott zuerst!“ – Ich meine, es lohnt sich, diese beiden Wörter mit in den Sonntag und in die neue Woche zu nehmen und es einmal auszuprobieren, was sie bewirken. Ich bin überzeugt, dass dir das gut tut und deinen Mitmenschen auch.
Zuletzt nenne ich noch einen Grund, dieses Motto für sich zu wählen. Bei Gott kommst du zuerst. Du, so wie du jetzt hier auf dem Stuhl sitzt. Denn für dich hat er die Welt geschaffen. Für dich lag Jesus in der Krippe, hing er am Kreuz und ist auferstanden. Vielleicht fragst du jetzt ungläubig: Wirklich alles für mich? Na klar, für wen denn sonst? Und darum mach Gott die Freude, dass er auch bei dir zuerst kommt. 
Amen
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Herzliche Grüße und Gottes Segen für die neue Woche!

Hans Löhr

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