Losung: Wenn ich rufe zu dir, HERR, mein Fels, so schweige doch nicht. Psalm 28,1
Lehrtext: Die Blinden schrien: Ach Herr, du Sohn
Davids, erbarme dich unser! Aber das Volk fuhr sie an, dass sie schweigen
sollten. Doch sie schrien noch viel mehr. Matthäus 20,30-31
Liebe Leserin, lieber Leser,
manchmal reicht es nicht, einfach nur stumm zu beten.
Manchmal muss man Gott gegenüber auch laut werden. Ich hoffe weder für dich
noch für mich, dass wir in eine Situation kommen, in der wir zu ihm schreien müssen
wie die Blinden von Jericho. Aber ich weiß von Menschen, die waren so
verzweifelt, dass sie nur noch schreien konnten.
Ich will mal ganz vorsichtig fragen, ob nicht vielleicht
schon im Schrei zu Gott eine erste kleine Hilfe steckt. Jedenfalls stelle ich
es mir noch schlimmer vor, im tiefsten Leid zu verstummen. Dann wäre ich wohl
total einsam mit mir und meiner Verzweiflung. So aber gibt es immer noch eine
Beziehung zwischen ihm und mir, immer noch eine letzte Hoffnung, dass er meinen
Schrei nicht überhört.
Ganz böse wird es, wenn andere den Verzweiflungsschrei eines
Menschen ersticken möchten wie die Leute von Jericho den Schrei der beiden Blinden.
Wer im Krankenhaus oder im Mietshaus in seinem Leid laut schreit, gilt schnell
als Störenfried. Da ist dann die Beruhigungsspritze nicht weit. Gut, man möchte
andere nicht beunruhigen. Aber ist es das, was Menschen wirklich hilft?
Warum haben die Blinden so geschrien? Weil sie in Jesus ihre
letzte Chance gesehen haben. Die Blinden haben die Chance gesehen. Die Sehenden aber waren blind. Und wie ging die Geschichte
weiter? Jesus, der den Blinden geholfen hat, wurde bald darauf von den Sehenden
gekreuzigt. Dort hat er in seiner größten Not laut zu Gott geschrien. Er ließ
es nicht bei einem geflüsterten Gebet bewenden. Er schrie so laut, dass nicht nur der Vorhang im Tempel zerriss, sondern auch Gottes Vaterherz. Aber der Bibel zufolge gab es keinen anderen Weg, die Macht des Bösen und des Todes zu brechen als diesen.
Nur sein in Ohnmacht und Liebe hingenommenes Leid hatte dazu die Kraft.
Heute dürfen wir die Schreie der Leidenden nicht
überhören noch ersticken. Es ist unsere Christenpflicht, alles Erdenkliche zu
tun, um ihnen zu helfen. Leid, das von Menschen verursacht wird, darf man nicht
einfach hinnehmen, sondern muss es bekämpfen; vielleicht nicht mit Waffen, aber
doch mit allem, was Gott uns an Herz, Verstand und Mitteln gegeben hat. Manchmal
reicht es nicht, einfach nur stumm zu beten. Manchmal muss man Gott und den
Menschen gegenüber auch laut werden.
Gebet aus dem Buch der Psalmen: Herr, mein Gott, du allein kannst mir noch
helfen! Tag und Nacht schreie ich zu dir! Höre mein Gebet, vernimm mein
Flehen! Amen. (Psalm 88,2.3)
Herzliche Grüße
Hans Löhr
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