Losung: Ich streckte meine Hände aus den
ganzen Tag nach einem ungehorsamen Volk, das nach seinen eigenen Gedanken
wandelt auf einem Wege, der nicht gut ist. Jesaja 65,2
Lehrtext: Als der Sohn noch weit entfernt
war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals
und küsste ihn. Lukas 15,20-21
Liebe Leserin, lieber Leser,
‚Sollen sie doch in ihr Unglück laufen, wenn sie so verbohrt
und eigensinnig sind!‘ – So würden wohl nicht wenige Menschen von solchen
denken, die nicht hören wollen. Vielleicht würde auch ich so denken, wenn ich
Gott wäre. Bin ich aber nicht. Gott sei Dank.
Gott sei Dank ist Gott kein Mensch. Ihn kann man nicht
beleidigen. Seine Liebe ist stärker als sein Stolz. Und wenn es darum geht,
barmherzig zu sein, ist ihm seine Würde egal. Dann rennt er seinem unglücklichen Menschenkind
entgegen, statt wie ein Ölgötze mit verschränkten Armen auf seinem Thron sitzen
zu bleiben.
Davon erzählt Jesus in seinem Gleichnis vom ‚Verlorenen
Sohn‘. Und der heutige Lehrtext-Vers daraus ist für mich auch der wichtigste.
In den meisten Predigten, Auslegungen und Erklärungen wird allerdings folgender Satz
hervorgehoben: »Da ging er (der
eigensinnige Sohn) in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die
Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu
meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel
und vor dir. Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.«
Genau genommen will er seinem Vater nicht die Wahrheit sagen. Er schiebt als Motiv seiner Heimkehr ein Sündenbekenntnis vor, wo er doch eigentlich nur sagen will: „Vater, ich habe Hunger.“
Genau genommen will er seinem Vater nicht die Wahrheit sagen. Er schiebt als Motiv seiner Heimkehr ein Sündenbekenntnis vor, wo er doch eigentlich nur sagen will: „Vater, ich habe Hunger.“
Dem Vater ist es egal, aus welchem Grund sein Sohn
heimkommt. Es jammert ihn, er hat Mitleid als er die Elendsgestalt sieht, die
doch sein Sohn ist und bleibt. Und so geht, nein, so rennt (!) er ihm
entgegen, fällt ihm gleich um den Hals und küsst ihn, noch bevor der Sohn
irgendeine Erklärung sagen kann.
Eigentlich müsste man Jesus wegen dieser Geschichte aus der
Kirche ausschließen. Denn so geht es doch nicht! Wo bleibt denn da die Moral?
Wo bleiben Reue und Zerknirschung? Selbsterniedrigung und Sündenstrafen? Dazu
setzt er dem Ganzen die Krone auf, weil seine Geschichte ein Gleichnis für Gott
selbst ist; dafür, wie er sich zu denen verhält, die sich ihm gegenüber
unmöglich benommen haben.
Nun ja, auch deshalb wurde Jesus von den Religionsführern
seiner Zeit ans Kreuz gebracht. Dostojewski und sein Großinquisitor lassen
grüßen! [Hier die Geschichte zum Nachlesen]
Fazit von Losung und Lehrtext heute: Statt beleidigt die
Arme zu verschränken, streckt Gott wehmütig seine Hände nach dir aus, wenn du
ihn verlässt und eigene Wege gehst, die nicht gut für dich sind. Und er geht,
nein, er rennt dir entgegen, sobald du einen Schritt auf ihn zu tust. Dieser
Gott ist an Weihnachten Mensch geworden für dich und für mich und für alle
anderen auch.
Gebet: Himmlischer
Vater, du hast alles für mich getan, was gut für mich ist. An dir liegt es
nicht, wenn ich falsche Entscheidungen treffe und in mein Unglück renne. Es
liegt an mir, mich darauf zu besinnen, dass ich dein Kind bin und bleibe und
darauf zu vertrauen, dass ich dir jederzeit willkommen bin, jederzeit und unter
allen Umständen. Amen
Herzliche Grüße
Ihr / dein Hans Löhr
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