Losung: Der Storch unter dem Himmel weiß
seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie
wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen. Jeremia 8,7
Lehrtext: Wir sollen desto mehr achten auf das Wort, das
wir hören, damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben. Hebräer 2,1
Liebe
Leserin, lieber Leser,
heute ist
in besonderer Weise das Nach-Denken über die Bibel gefragt.
Vielleicht ist ja dafür am zweiten Weihnachtsfeiertag ein bisschen Zeit:
Was ist »das Wort, das wir hören« und auf das wir achten sollen,
wie es im Lehrtext heißt? Für einen gläubigen Christen ist es immer ein und dasselbe Wort, das ihm nur in
verschiedenen Gewändern erscheint. Und dabei kommt es nicht so sehr auf
die Gewänder an, sondern darauf, was bzw. wer in ihnen steckt.
Von dem
Wort, das wir hören, von dem einen, alles entscheidenden Wort, neben dem alle
anderen Worte nichtssagend sind, heißt es im Johannesevangelium: »Im Anfang
war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Alle (!)
Dinge sind durch dasselbe gemacht. In ihm war das Leben, und das Leben
war das Licht der Menschen. Und das Wort ward Mensch (Fleisch) und wohnte
unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des
eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.« (Johannes
1)
Jesus
Christus ist dieses eine Wort Gottes. Alle anderen Worte der Bibel sind seine
Gewänder. Sie haben nur dann eine Bedeutung, wenn sie durchscheinend sind auf
ihn, wenn ich ihn in diesen Worten finde: Seine Liebe, seine
Wahrheit, seine Barmherzigkeit, seine Vergebung und seinen Anspruch. Als Christ
lese ich die Bibel deshalb anders denn als Jude, Moslem oder Atheist.
Martin
Luther hat es so ausgedrückt: »Darin stimmen alle rechtschaffenen
(biblischen) Bücher überein, dass sie allesamt Christum predigen und treiben.
Auch ist das der rechte Prüfstein, alle Bücher zu tadeln (kritisieren),
wenn man sieht, ob sie ihn, Christum, treiben (zum
Vorschein bringen) oder nicht. Sintemal (zumal) alle Schrift (die
ganze Bibel) Christum zeiget und der Apostel Paulus nichts denn Christum wissen
will. Was ihn, Christum, nicht lehret, das ist nicht apostolisch (die reine
Lehre der Apostel), wenns gleich S. Petrus oder Paulus lehret. Wiederum, was
ihn, Christum, prediget, das wäre apostolisch, wenns gleich Judas, Hannas,
Pilatus oder Herodes lehrt.«
Ich meine,
es lohnt sich, diesen Satz Luthers genau zu lesen und ihn sich einzuprägen,
dann hat man einen Maßstab, wie man als evangelischer Christ die Bibel
verstehen soll. Dann lässt du dich von anderen, die anderes sagen, nicht so
leicht verunsichern. Doch dazu gehört, dass ich Jesus kenne, das, was er gesagt
hat, und was im Neuen Testament, besonders in den Evangelien von ihm berichtet
wird. Man findet nicht in jedem Bibelwort Jesus wieder. Deshalb hat Luther zum
Beispiel den Jakobusbrief nicht gemocht. Deshalb sind viele Gesetze und
Bestimmungen besonders aus dem Alten Testament für uns ohne Bedeutung.
In der
heutigen Tageslosung ist vom „Recht des Herrn“ die Rede. Christus ist in seiner
Person auch das „Recht des Herrn“. Besonders deutlich wird das an dem Gebot,
Gott und seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. Es findet sich bereits im
Alten Testament und Jesus hat es später an die erste Stelle aller Gebote
gesetzt.
Storch,
Turteltaube, Kranich und Schwalbe haben den natürlichen Instinkt, zu tun, was
für sie wichtig ist. Wir Menschen haben einen solchen Instinkt in Bezug auf Gott
und sein Wort nicht. Wir müssen uns immer wieder neu entscheiden, ob wir sein
Wort hören und es wissen wollen; ob wir auf Jesus vertrauen und ihm folgen wollen,
durch den uns Gott begegnet.
Gebet: »Herr, dein Wort ist meines Fußes
Leuchte und ein Licht auf meinem Wege« (Psalm 119,105). Amen
Herzliche
Grüße und einen ruhigen, besinnlichen zweiten Weihnachtsfeiertag!
Ihr / dein
Hans Löhr
Ergänzung:
These 1 des Barmer Bekenntnisses von 1934: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“
These 1 des Barmer Bekenntnisses von 1934: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“
a) Für mich ist es durchaus denkbar, dass Martin Luther oder Karl Barth (BTE) Unrecht haben.
AntwortenLöschenb) Für mich ist es nicht denkbar, dass Jesus Christus unrecht hat.
c) Wenn man den Standpunkt vertritt, dass man die ganze Bibel nur aus der christlichen Sicht richtig versteht, sagt man zwangsläufig auch, dass die Juden ihre eigene Heilige Schrift nicht richtig verstehen. Ich dachte, von diesem Irrtum hätten wir uns inzwischen verabschiedet.
d) Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass ich nicht jedes Wort der Bibel hier und jetzt verstehe und verstehen kann, sondern das mich je nach Alter und Situation verschiedene Worte auf unterschiedliche Art ansprechen, manche vielleicht nie.
Lieber Thomas Jakob,
AntwortenLöschenvielen Dank für Ihren Kommentar. Ich würde mir wünschen, dass mehr Leserinnen und Leser so wie Sie die Auslegungen von Losungen Lehrtext kommentieren. Nun zu Ihren kritischen Anmerkungen:
Zu a) ja, denkbar ist das. Denkbar ist, dass jeder Mensch Unrecht hat. Auch Luther und Karl Barth haben sich geirrt bzw. manche Dinge falsch eingeschätzt. Trotzdem sind beide für mich Leuchttürme der evangelischen Theologie.
Zu b) die Frage, ob Jesus Christus Recht oder Unrecht hat, ist für mich weniger eine Frage des Denkens als des Glaubens. Ich glaube, dass Sie in diesem Fall Recht haben.
Zu c) ja, ich bin der Meinung, dass Christen die Bibel anders verstehen als Atheisten oder als Juden oder als Muslime. Ob ich sie als Christ „richtig“ verstehe? Juden können auf der Grundlage ihres Glaubens die Bibel richtig verstehen, auch wenn ich dieses Verständnis nicht teile. Als Christ bemühe ich mich, sie auf der Grundlage meines Glaubens richtig zu verstehen. Ich bin überzeugt, dass die Bibel, Altes wie Neues Testament, ausschließlich christologisch richtig verstanden werden kann. Dafür sprechen biblisch-theologische, theologiegeschichtliche, kirchengeschichtliche und profangeschichtliche Gründe.
Zu d) Diese Erfahrung teile ich.
Viele Grüße,
Hans Löhr