Mittwoch, 2. Dezember 2015

Wo das Himmelreich ist hl

Losung: Hilf uns, HERR, unser Gott; denn wir verlassen uns auf dich. 2.Chronik 14,10

Lehrtext: Der Herr wird mich erlösen von allem Übel und mich retten in sein himmlisches Reich. 2.Timotheus 4,18

Liebe Leserin, lieber Leser,

ist Ihnen / dir bewusst, wo das himmlische Reich ist, von dem Paulus in seinem Brief an Timotheus schreibt (Lehrtext)? Ist es im Himmel ‚überm Sternenzelt‘ wie es bei Friedrich Schiller heißt? Liegt es in der Zukunft? Oder wo sonst könnte es sein?
Ich glaube, das Reich Gottes ist einerseits schon da, »mitten unter euch« wie Jesus sagt (Lukas 17,21), andererseits ist es aber noch in der Zeit verborgen, noch nicht „mit Händen zu greifen“. Erst wenn du das Packpapier ‚Zeit‘ entfernst, kommt es gänzlich zum Vorschein. Jesus sagt, das Reich Gottes ist wie ein Schatz, dessen Fundort man kennt, der aber noch in der Ackererde verborgen ist. An anderer Stelle sagt er: Es ist wie eine besonders kostbare Perle, die es tatsächlich gibt, die aber bei einem Juwelier in einem Tresor verborgen liegt. Doch damit es auch für dich da ist und eine Bedeutung für dich hat, musst du diesen Schatz ausgraben mit der Schaufel des Glaubens und die Perle kaufen mit dem Gold des Vertrauens.
Und was ist das „Reich Gottes“ oder, wie man auch sagt, die „Gottesherrschaft“, wovon in den Evangelien sooft die Rede ist? Ich nenne sie die alles bestimmende Kraft, vergleichbar mit der Schwerkraft (Gravitation), die ständig und überall im Universum auf alles eingewirkt. Ohne sie wäre nichts was ist. Durch sie (und die drei anderen Grundkräfte) entstanden und entstehen Sonnen und Planeten, Galaxien und Galaxiengruppen. Sie ist eine der unabdingbaren Voraussetzungen dafür, dass es Leben auf der Erde gibt.
Aber auch die Schwerkraft ist nur ein Werkzeug in Gottes Schöpferhand. Seine alles bestimmende Kraft ist die Liebe. Durch sie hat er die Welt ins Dasein gerufen ebenso wie dich und mich. Sie ist und wirkt in allem. Ohne sie ist nichts, was ist, auch nicht die Schwerkraft. Es wäre für den Glauben alles gewonnen, wenn man in dem ständigen Bewusstsein leben könnte, dass einem Gottes Liebe auf Schritt und Tritt begegnet, nicht nur in den Blumen, sondern auch im Stein. Nicht nur in der Freude, sondern auch im Schmerz. In Hitze und Kälte, Licht und Dunkelheit, im Leben und im Tod, in jedem anderen Menschen, gerade auch in dem, den du nicht magst, und nicht zuletzt in dir selbst. Wie würde sich alles zum Guten wandeln, wenn es gelänge, die Welt und sich selbst so zu sehen!
Nein, Gott ist nicht in der Blume, im Stein, im Menschen, im Schmerz… Sondern das und überhaupt alles ist in Gott, von seiner Kraft geschaffen und durchdrungen. Anders gesagt: Alles ist jetzt schon in seinem himmlischen Reich (wo denn sonst?), von Gottes Herrschaft regiert und bestimmt (von wem denn sonst?), von der Grundkraft der Liebe. Auch du, auch ich, gestern wie heute und morgen. Deshalb macht es auch Sinn, so zu beten wie im heutigen Losungswort und damit zu rechnen, dass Gott hilft so wie jeder von uns damit rechnet, dass die Schwerkraft den Stein anzieht, wenn man ihn aufhebt und fallen lässt, ständig und überall.
Und was ist mit all dem Übel, wovon der Lehrtext spricht? Ich kann es nicht erklären. Aber ich sehe es an als ein Vorletztes, als Meilensteine auf dem Weg zur Erlösung, auf dem Weg zur Erfahrung, dass ich trotz allem Bösen auch jetzt schon im Kraftfeld von Gottes Liebe bin und bleibe. So verstehe ich Jesus, wenn er vom Himmelreich oder vom Gottesreich oder von der Herrschaft Gottes spricht, was alles dasselbe ist. Er hat in dieser Kraft der Liebe geglaubt, gelitten und gelebt, ist in ihr gestorben und durch sie auferstanden, damit ich es ihm gleichtue und du auch.

Gebet: Herr, dein ist die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen

Herzliche Grüße

Ihr / dein Hans Löhr


Die Herrnhuter Losungen bestehen aus einer Sammlung von kurzen Bibeltexten des Alten und des Neuen Testamentes. Für jeden Tag des Jahres wird ein Bibelwort aus dem Alten Testament aus einer Sammlung von 1.824 Versen ausgelost (= Losung), das dem Leser als Leitwort oder guter Gedanke für den Tag dienen kann. Aus dem Neuen Testament wird durch einen Mitarbeiter der Herrnhuter Brüdergemeine ein so genannter „Lehrtext“ gewählt, der üblicherweise in einem Bezug zu dem gelosten alttestamentlichen Vers steht. Die ‚Losungen‘ gehen auf Nikolaus Graf von Zinzendorf zurück und erscheinen seit 1721. Sie gelten als überkonfessionell, da sie für alle Christen, egal welcher Konfession, erstellt werden. Sie werden in 61 Sprachen übersetzt und erscheinen als Druckausgabe im deutschen Sprachraum in einer jährlichen Auflage von über einer Million Exemplaren. Hans Löhr und Elfriede Bezold-Löhr schreiben seit 2010 zu den ‚Losungen‘ kurze Auslegungen und Gebete. Sie werden auch in einem Internet-Blog veröffentlicht (klick): Nachdenken über die Bibel

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