Sonntag, 4. November 2018

Liebe auf den ersten Blick (Predigt) hl

Predigt von Hans Löhr im Gottesdienst am 4.11.2018 in Reuth / Neuendettelsau 

Losung: Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. 5.Mose 6,5 

Lehrtext: Paulus schreibt: Ich bitte den Vater, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen Wohnung nimmt und ihr in der Liebe tief verwurzelt und fest gegründet seidEpheser 3,17

Liebe Gemeinde, 
zwei Wörter verbindet das Bibelwort aus dem Alten mit dem aus dem Neuen Testament: Herz und Liebe. Zugestanden, diese beiden Wörter sind recht abgegriffen. In allen Sprachen wird unablässig von Herz und Liebe gesungen. Selbst in der Bibel findet sich ein solches Liebeslied, vielleicht das schönste überhaupt. Auch da sagt die junge Frau von ihrem Freund: „Ich liebe ihn von ganzem Herzen.“
Bei uns Menschen gibt es die Liebe auf den ersten Blick. Das sieht ein junger Mann eine bestimmtes Mädchen und schon ist es um ihn geschehen noch bevor er überhaupt weiß, ob sie an ihm interessiert ist.
Und bei Gott? Ich denke, da ist es ganz ähnlich. Wenn ich die Glaubensgeschichte von der Erschaffung des Menschen in der Bibel lese – wohl gemerkt, das ist eine Glaubensgeschichte und kein historischer Bericht – dann drängt sich mir geradezu die Vorstellung auf, dass Gott sich in seine ersten Menschen, in Adam und Eva, verliebt hat. 
Auch das ist, wenn man so will, Liebe auf den ersten Blick. Und die gilt seitdem jedem Neugeborenen zu allen Zeiten und an allen Orten. Sie gilt dir und mir. Sie ist die Voraussetzung, dass ich Gott, dass ich meinen Schöpfer wieder lieben kann. Und darum heißt es auch im ersten Brief an Johannes im Kapitel vier: »Lasst uns lieben, denn Gott hat uns zuerst geliebt.« Zuerst!
Diese gute Nachricht aus der Bibel hat Martin Luther wiederentdeckt. Und darum bin ich ein in der Wolle gefärbter Protestant. Darum bin ich unverbesserlich evangelisch, weil mir an dieser Nachricht so viel liegt. Weil mir so viel daran liegt, dass nichts von mir abhängt, aber alles von Gott. Vor ihm bin und bleibe ich der Beschenkte. Das meint Luthers evangelischer Kernsatz: „Allein aus Gnade“. Gott erwartet keine Gegenleistung. Er wäre auch durch nichts und niemanden dazu zu bewegen, mich zu lieben, denn auf ihn kann ich keinen Einfluss nehmen. Gut, wenn wir heute im Reformationsgottesdienst daran denken. 
Vor einiger Zeit habe ich mal eine Frau, die der Kirche sehr verbunden ist, gefragt: „Haben Sie schon mal zu Gott gesagt ‚Ich liebe dich‘? Schließlich hat Jesus uns geboten, dass wir ihn lieben sollen.“ Da hat sie mich verwundert angesehen und gemeint, so könne man das doch nicht sagen. Das mit der Liebe zu Gott sei doch irgendwie anders, mehr so im Sinn von ihn ehren und seine Gebote beachten. Hm, das stimmt schon. Aber kann ich nicht Gott auch direkt lieben ohne den Umweg über meine Mitmenschen?
Ich glaube schon, dass das möglich ist. Jedes Lobpreislied, das ich ihm singe, ist doch auch so etwas wie ein kleines Liebeslied. Jedes Dankeschön, das ich ihm sage, ist doch auch so etwas wie ein Blumenstrauß. Und wenn ich etwas erlebe, das mich freut, begeistert oder gar glücklich macht, dann sagt er mir damit: „Hans, ich liebe dich.“ Und ich sage dann „Ich dich auch.“ Denn alles Gute und Schöne, das mir widerfährt, was ist das denn anderes als seine Liebeserklärung an mich? 
Stell dir mal vor, wir könnten die Welt so sehen. Stell dir vor, du siehst einen herrlichen Sonnenuntergang und in den Wolken steht mit leuchtenden Buchstaben: „Ich liebe dich.“ Oder du hörst ein Musikstück, das dich tief bewegt und erlebst es als eine Liebeserklärung Gottes an dich. Stell dir weiter vor, das ist so bei allem, was dich begeistert und erfreut, bei einem Regenbogen, bei einem blühenden Apfelbaum im Frühling, bei Seerosen auf einem Teich, beim Anblick einer Bergkette oder des Meeres … Stell dir vor, jedes Mal kannst du das als seine Liebeserklärung an dich lesen. Und jedes Mal kannst du dann sagen: ‚Herr, ich liebe dich auch‘. 
     Würde das die Welt nicht in ein helleres, wärmeres und sanfteres Licht tauchen? Doch stell dir das nicht nur vor, sondern probiere es aus. Du wirst heute bestimmt noch etwas sehen, was dich freut und was du schön findest. Dann nimm es als Gottes Liebeserklärung an dich und sage: ‚Ich dich auch‘.
Ich jedenfalls nehme mir fest vor, nicht nur die Natur, sondern vor allem die Menschen, die mir nahe stehen, öfter mal als seine Liebeserklärung an mich anzusehen. Sie müssen das gar nicht wissen. Hauptsache, ich weiß, dass es so ist. Und wenn ich sie dann so sehe, will ich ganz leise sagen: „Herr, ich liebe dich auch.“
Ja, ich liebe Gott. Ich hätte das vielleicht noch vor 15 Jahren nicht so gesagt, jedenfalls nicht öffentlich und nicht auf der Kanzel. Aber dann hab ich irgendwann mal intensiv über das Liebesgebot der Bibel nachgedacht. Es steht ja bereits im Alten Testament, wie man aus der heutigen Losung erfährt. Viele hundert Jahre später greift Jesus es wieder auf und erklärt es zum wichtigsten Gebot überhaupt: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und mit all deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst.“
Damit sagt er: „Wer du auch bist, was für eine Geschichte du auch hast, Gott liebt dich. Er liebt dich durch mich, Jesus. In mir kommt er zu dir. Was kümmert ihn dein Versagen, deine Sünde, deine Schuld? Du kümmerst ihn. Und darum sage ich dir, dass auch du diesen deinen Gott wieder lieben sollst.“
Aber wie geht das nun, Gott wieder lieben? Ich glaube, dass ich ihn liebe, wenn ich bereit bin, es ihm gleich zu tun und auch meine Mitmenschen liebe, ohne dass sie zuvor irgendwelche Bedingungen erfüllen müssen. So steht es in der Bibel (1. Joh. 4). Natürlich bleibt meine Liebe immer nur ein matter Abglanz von seiner. Hauptsache, sie ist ein solcher Abglanz, so wie das Mondlicht ein Abglanz der Sonne ist.
Die Frage, ob und wie man Gott liebt, ist etwas sehr Persönliches. Und darum will ich sie auch mit einer persönlichen Geschichte beantworten. Ein guter Freund hat sie mir erzählt und erlaubt, sie hier zu bringen. Er sagte:
„Ich erinnere mich an eine Auseinandersetzung mit meinem Sohn. Er erfüllte die Erwartungen nicht, die ich in ihn gesetzt hatte. Das hatte mich ganz schön enttäuscht. Nun, ich habe ihn nicht angeschrien. Aber ich habe ihm bei einem Mittagessen mit ein paar Bemerkungen eher beiläufig zu verstehen gegeben, was ich von ihm und seinen Leistungen halte. Er hat das sehr genau gespürt und war tief verletzt. Er stand auf, nahm seinen Teller und aß in der Küche allein weiter. Meine Frau, die das mitbekommen hatte, sagte danach zu mir, wie schlimm diese Szene für unseren Sohn gewesen sei. Und ich selbst hab mich auch schlecht gefühlt. Ich wusste, dass ich einen schweren Fehler gemacht hatte und habe mich geschämt.
Was sollte ich tun? Über die ganze Geschichte schweigend hinweggehen in der Hoffnung, dass sie von ihm und von mir vergessen würde? Sowas vergisst man nicht so leicht. Mit ihm noch mal reden, ihm erklären, warum ich so reagiert habe? Aber in solchen Fällen macht das Erklären und das sich Rechtfertigen alles nur noch schlimmer. Gab es denn kein Mittel, womit unsere gestörte Beziehung wieder geheilt werden könnte?
Während ich darüber nachdachte, war plötzlich dieser Satz in meinem Kopf: ‚Tue das, was ich mit dir tue. Liebe dein Kind ohne Bedingungen.‘ Da wusste ich, dass ich den ersten Schritt machen musste. Also ging ich zu seinem Zimmer, klopfte und sagte durch die Tür „Du, ich will kurz mit dir reden. Wirklich nur kurz. Kann ich reinkommen?“ Er sagte ja. Als ich eintrat, lag er auf seinem Bett. Ich bat ihn aufzustehen. Da umarmte ich ihn, drückte ihn an mich und sagte: „Was auch immer zwischen uns war, das ändert nichts daran, dass ich dich liebe.“ Er sagte „Ja, Papa, das weiß ich“. Dann ging ich wieder hinaus und sagte: „Danke, Herr.“ Wir haben über diese Szene bis heute nie wieder gesprochen. Aber ich weiß, dass damals unsere Beziehung an einem seidenen Faden hing. Gott sei Dank ist er nicht gerissen.“
Mit dieser Geschichte will ich zeigen, wie der Glaube, dass Gott mich liebt, in den Alltag hineinwirkt. Ich kann ihn dann wieder lieben, wenn ich versuche, es ihm gleich zu tun. Ich kann mit seinen Augen die Menschen ansehen, die er liebt. Kann sie als seine Liebeserklärung an mich ansehen und sagen: ‚Ich dich auch‘.
Und noch ein Letztes: Wir alle wissen, wie wichtig es ist, denen, die uns nahe stehen, zwischendurch mal zu sagen und zu zeigen, dass wir sie lieben, einfach so. Heute wäre dazu wieder Gelegenheit.
Amen

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 Hans Löhr / Sommersdorf 5 / 91595 Burgoberbach

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