Samstag, 10. November 2018

Wir da drinnen, ihr da draußen hl

LosungDanket dem HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. Psalm 106,1 

LehrtextEs ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen. Titus 2,11 

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich verlange nicht, dass du glaubst, was ich schreibe. Aber ich wünsche mir, dass du selbst tust, womit meine Losungsauslegungen überschrieben sind: „Nachdenken über die Bibel“. Zu welchem Ergebnis du kommst, ist dir überlassen. Das gilt besonders für meine heutigen Überlegungen zum Lehrtext.
     Seit Jahrtausenden funktioniert Religion nach dem Schema: „Wir da drinnen und ihr da draußen.“ Anders gesagt: Wir, die Geretteten und ihr die Verdammten. Wir, die wir die Wahrheit kennen und ihr, die ihr im Irrtum gefangen seid. Folgerichtig schlugen sich ebenfalls Jahrtausende die Anhänger verschiedener Religionen und Konfessionen gegenseitig die Köpfe ein. Noch heute werden die muslimischen Rohingya von radikalen Buddhisten in Myanmar grausam verfolgt. Und erst kürzlich hat man im Irak wieder Massengräber mit hunderten von Opfern der Terrororganisation „Islamischer Staat" entdeckt. Sie wurden massakriert, weil sie nicht den fanatischen Glauben ihrer Mörder teilten .
     Und was Konfessionskriege anrichten können, zeigen die aktuellen Fernseh-Dokumentationen über den Dreißigjährigen Krieg in Deutschland, der vor 400 Jahren begann. Dabei glaubten die verfeindeten Lager, doch Christen zu sein. Aber die einen waren aus Sicht der anderen die falschen Christen. Selbst war man natürlich rechtgläubig. So wie das immer ist.
     „Wir da drinnen und ihr da draußen“ – dieses Denken ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Und es prägt noch heute Politik und Gesellschaft: Wir Deutsche und die Ausländer, Flüchtlinge, Migranten, Juden, Schwule, Zigeuner usw. Früher hieß es: Wir Arier und ihr Untermenschen. - Nie wieder? Heute werden wieder vermehrt in ganz Europa Juden angegriffen. Das antisemitische Gift wirkt wieder stärker. Kristallnacht-Pogrom und Holocaust lassen grüßen. 
     Immer sind die Anderen verdächtig, weil sie anders sind. Durch ihr Anderssein fühlen sich viele bedroht, weil damit ihr eigenes Lebenskonzept, ihre Religion, ihre nationale Besonderheit, ihre eingebildete Einzigartigkeit, mit einem Wort ihre Identität relativiert und infrage gestellt wird. Ihr Hass auf Minderheiten ist Ausdruck ihrer eigenen Minderwertigkeitskomplexe. Sie zu erniedrigen, gibt ihnen das Gefühl, bedeutend zu sein.
     Das Schema „Wir da drinnen und ihr da draußen“ zieht sich auch durch die Bibel. Besonders ausgeprägt ist das im Alten Testament: Wir, das erwählte und rechtgläubige Volk und dort die nichtswürdigen, verworfenen Heiden. 
      Das hat sich fortgesetzt als man Kirchen gründete. Wieder kam es zur Selbstverherrlichung der scheinbar Rechtgläubigen und zur Verdammung derer, die andere Glaubensschwerpunkte hatten. Eskaliert sind die Konflikte in der Trennung zwischen katholischer Kirche und orthodoxer Kirche im Jahre 1054 und während der Reformationszeit. In der Bartholomäusnacht vom 23. auf den 24. August 1572 wurden in Frankreich mehr Protestanten (Hugenotten) getötet als Christen während der gesamten Christenverfolgung im römischen Reich. Nebenbei bemerkt, solche innerreligiösen Konflikte gab und gibt es auch bei den Muslimen, Buddhisten, Hindus und so weiter.
      Doch bereits die Propheten des Alten Testaments sprachen davon, dass am Ende der Zeit alle Völker der Erde sich zu einer großen Wallfahrt nach Jerusalem aufmachen werden, um dort gemeinsam den einen Gott anzubeten. Nun gut, das soll ja erst am Ende der Zeiten sein. 
     Und Jesus? Er zeigte eine erstaunliche Nähe zu denen da draußen, zu Menschen, die nicht zu einer bestimmten rechtgläubigen Gruppe gehörten. Er wollte, dass der barmherzige Samariter für alle ein Vorbild sei, obwohl dieser kein rechtgläubiger Jude war. Er sprach mit der samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen. Er pries den römischen Hauptmann von Kapernaum, einen Heiden, für seinen Glauben und ebenso die Mutter aus Syrophönizien. Er heilte die Menschen, ohne nach ihrer Religion zu fragen (Lukas 17,11-19) noch zuvor eine Glaubensprüfung abzuhalten (Markus 5,25-34 usw). Und er verlangte nicht einmal, dass sie von nun an ihm folgen sollten. Er stellte auch keine moralischen Vorbedingungen (Lukas 7,36-50; Lukas 15, 11-24; Lukas 23,42-44). 
     Er riss die Mauer ein, die die Frommen und Reinen von den Unreinen trennte. Für ihn waren, wie schon der Name sagt, auch die Aussätzigen nicht draußen, nicht die körperlich und auch nicht die seelisch Kranken, nicht die Huren und auch nicht die Betrüger (Zachäus), nicht die mit ihm gekreuzigten Terroristen, nicht die Ausländer und nicht die Obdachlosen. Mit einem Wort: Auch die "Sünder" gehörten in die Gemeinschaft mit Gott. Gerade sie zuerst (Lukas 5,31). Doch genau das führte dazu, dass er selbst ausgeschlossen und draußen (!) vor den Toren der Stadt am Kreuzgalgen gehenkt worden ist.
     Als bei Jesu Tod der Vorhang im Tempel zerriss, gab es keine Reinen und Unreinen mehr, keine Geretteten und Verdammten. Denn jetzt war offenkundig, was in Bethlehem begann, dass in Jesus die heilsame Gnade Gottes allen Menschen erschienen ist (Lehrtext). Allen ohne Unterschied. Und Gnade ist nicht das, was irgendwelche Menschen innerhalb oder außerhalb der Kirche großzügig gewähren könnten oder was man sich von ihnen kaufen könnte oder sonst wie verdienen. Gnade war, ist und bleibt Gottes Geschenk. Durch sie hat Jesus vergeben und geheilt. Und das gilt noch heute . 
     Diese meine Auffassung verdirbt natürlich Kirchen, Glaubensgemeinschaften und Religionen das Geschäft der Einzigartigkeit. Es sei denn, sie würden von dieser unseligen „Wir da drinnen, ihr da draußen“-Ideologie endlich Abschied nehmen. Es sei denn, sie würden endlich tun, was ihre Hauptaufgabe ist, jenes Geschenk weiterzureichen ohne jede Bedingung und Überheblichkeit. Niemand hat Gott exklusiv, hat ihn ausschließlich, keine Kirche, keine Gemeinde, kein Mensch.
     Wie gesagt, ich erwarte nicht, dass du das auch so siehst. Aber ich wünsche mir, dass du darüber nachdenkst.
Gebet: Ja, Herr, du bist freundlich zu allen und deine Güte kennt keine Grenzen (Losung). Du grenzt nicht ab und grenzt nicht aus, denn alle Menschen gehören dir. Alle hast du geschaffen, alle geliebt, allen vergeben, alle mit dir versöhnt. Das hast du mir in Jesus gezeigt. Daran halte ich mich, das glaube ich, darüber freue ich mich. Amen

Herzliche Grüße

Hans Löhr

Mit Spracherkennung diktiert. Erkennungsfehler bitte melden, sie werden im Internet-Blog korrigiert.
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Alle bisherigen Losungsauslegungen im Internet-Blog<http://glaubenswachstum.blogspot.com/
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 Hans Löhr / Sommersdorf 5 / 91595 Burgoberbach

3 Kommentare:

  1. Danke für die befreienden Worte.Endlich jemand ,der das was ich denke so gut in Worte fassen kann.

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  2. Danke, dass dies so differenziert ausgesprochen wird. Hass und Ausgrenzung darf für einen Christen kein Thema sein. Das gilt aber auch für Bischöfe etc. in der EKD, die zum Beispiel sogar alle Parteien zu Wort kommen lassen, nur die AfD wurde explizit ausgeladen (= Ausgrenzung). Diesem klar sich widersprechenden Anspruch hat zuletzt auch der frühere Ministerpräsident und EKD-Synodale Beckstein zu Recht kritisiert. Was den Hinweis auf Angriffe auf jüdische Bürger angeht: Aus der Studie "Jüdische Perspektiven auf Antisemitismus in Deutschland" (erstellt am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld) ist zu entnehmen, dass "Opfer von antisemitischen Gewaltdelikten zu 81 Prozent angeben, dass die mutmaßlichen Täter einer "muslimischen Gruppe" angehört hätten." In Frankreich ist diese Entwicklung besonders schlimm und dort so weit fortgeschritten, dass jüdische Einwohner das Land verlassen.

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  3. Ich stimme Ihnen zu. Die AFD ausladen, geht nicht, solange sie als verfassungskonforme Partei gilt. Mit ihr würde man auch alle ihre Wähler ausladen und ausgrenzen. Damit macht man sie zu Märtyrern und stärkt extremistische Verhaltensweisen. Auch wenn einem die Politik der AFD nicht gefällt, muss man mit ihr im Gespräch bleiben und so die unterschiedlichen Positionen deutlich machen.

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