Predigt von Hans Löhr in den Kirchen in Thann und Sommersdorf
Predigttext = Tageslosung: Herr, ich leide Not,
tritt für mich ein! Jesaja 38,14
Liebe Leserin, lieber
Leser,
warst du schon einmal schwer
krank, todkrank vielleicht? Und hattest du damals Angst, sterben zu müssen? Ich
kenne den einen oder anderen hier, bei dem das so war. Und jetzt ist er wieder
hier im Gottesdienst.
In der Bibel hatte es König Hiskia von
Juda getroffen. Später, als es ihm wieder besser ging, erzählte er, wie das
gewesen war, als er auf seinem Krankenbett lag: »Mit müden Augen starrte ich
nach oben. Voll Angst und Verzweiflung betete ich mit dünner und schwacher
Stimme: Herr,
ich bin am Ende, komm mir doch zu Hilfe! Und was soll ich sagen? Er hat es auch
getan. Er hat mich geheilt. Nie will ich vergessen, welches bittere Leid ich
erlitten habe. O Herr, von deinen Worten und Taten lebe ich, sie geben mir
alles, was ich brauche. Du hast mich wieder gesund gemacht und mir von neuem
das Leben geschenkt. In deiner Liebe hast du mich vor Tod und Grab bewahrt.«
(Aus Jesaja 38)
Auch du, der du schon mal sehr krank warst
und wieder gesund geworden bist, kannst so wie König Hiskia sprechen: „Der Herr
hat mich wieder gesund gemacht und mir von neuem das Leben
geschenkt.“
Und was sagen andere, die auch so krank
waren, aber nicht glauben? Sie sagen vielleicht: „Ich hatte halt Glück, dass
ich wieder gesund geworden bin.“ Oder sie sagen: „Da war ein super Arzt im
Krankenhaus, dem verdanke ich, dass ich noch lebe.“
Nun gut, Gott heilt auch die Ungläubigen.
Auch sie sind seine Geschöpfe, mehr noch, auch sie sind seine Kinder selbst
wenn sie das nicht wissen oder glauben. Deswegen ist er ja Gott, weil er nicht
so kleinlich, nicht so beleidigt, nicht so nachtragend oder kaltherzig ist wie
ein Mensch.
Doch ich muss ehrlicherweise auch davon
reden, dass eben manche, die todkrank waren, inzwischen auf dem Friedhof
liegen. Und wenn du mich jetzt fragst, warum? Warum hat Gott denen nicht
geholfen? So kann ich nur sagen: Ich weiß es nicht. Ich weiß nur mit
Bestimmtheit, dass es nicht an ihrem Glauben oder Unglauben lag.
Neulich hörte ich, dass jemand sagte, der
Kranke sei gestorben, weil er und seine Angehörigen falsch gebetet hätten. Mit
Verlaub, das ist ein ausgewachsener Schmarrn. Das ist nicht nur dumm, sondern
auch noch bösartig, weil diese Person behauptet, sie wüsste, wie man richtig
glauben und beten müsse, damit Gott hilft. Mit diesem Unsinn verunsichert und
belastet sie die Hinterbliebenen, die ohnehin in einer seelischen
Ausnahmesituation sind.
Ich kann dir sagen, wie man richtig betet,
nicht weil ich es besser weiß, sondern weil du das selbst weißt. In großer Not
beten die Menschen zu allen Zeiten und in vielen Religionen so wie König
Hiskia: „Herr,
ich bin am Ende, bitte hilf mir!“ Das genügt. Wie sollte dir da dein Gott und Vater
nicht helfen? Er hat das bisher getan. Er wird das auch in Zukunft tun, bis er
eines Tages sagt: „Jetzt ist es genug. Genug gelitten. Genug gelebt. Ich erlöse
dich von deinem Leiden. Von nun an bist du wieder ganz bei mir.“
Aber warum werden Menschen überhaupt krank? Und warum müssen wir
sterben? Aus dem gleichen Grund, warum alles, was lebt, krank wird und stirbt,
Pflanzen und Tiere. Wir alle haben nur dieses Leben. Ein anderes kennen wir
nicht. Wir alle leben in einer Welt, in der Leben keimt und aufblüht wie die
Pflanzen im Frühling und wo es krank wird und alt, wieder welkt und vergeht.
Dieses Leben hat uns Gott geschenkt und kein anderes.
Wir danken ihm dafür am besten, wenn wir uns das Leben nicht gegenseitig
noch schwerer machen, als es manchmal ohnehin schon ist. Wir danken ihm dafür,
dass wir auf dieser Erde sein dürfen, indem wir im Frieden miteinander leben,
uns gegenseitig beistehen, Feste feiern und uns so gemeinsam unseres Lebens
freuen. Wir danken Gott für die Zeit, die er uns schenkt, wenn wir seine Erde
bebauen und bewahren. Wenn wir auch unseren Kindern und Enkeln eine
lebenswerte, gesunde Welt hinterlassen statt ihnen künftige Katastrophen zu
vererben. Und wir danken ihm, wenn wir jeden neuen Tag als sein Geschenk annehmen
und ihn so gut wie möglich verbringen, mit Arbeit und Ruhezeiten, mit
Begegnungen und Gesprächen, mit Anteilnahme und Lebensfreude.
Ja, jeder möchte gern lange leben. Aber auch an dem Sprichwort ist was
dran, welches sagt: Frage nicht wie viele
Tage dein Leben hat, sondern wie viel Leben deine Tage. Was nützt dir ein hohes
Alter mit leeren Tagen und toter Zeit? Doch dein Leben ist erfüllt und voll
Sinn, wenn du an möglichst vielen Tagen abends sagen kannst: Ja, so wie es
heute war, so kann es auch morgen sein. Was ich mir vorgenommen hatte, habe ich
geschafft und was ich geschafft habe, ist gelungen und was ich an Schwerem
tragen muss, ich konnte es tragen.
Selbst wenn ein Mensch weiß, dass er schwer krank ist und vielleicht
sterben muss, so lebt er doch gern. Die meisten hängen an ihrem Leben. Und wer
bereut schon, dass er überhaupt gelebt hat, auch wenn er nicht alt wird?
Und trotzdem sind da oft auch junge Menschen, die nicht mehr leben
wollen. Manche von ihnen sind gemütskrank und kommen aus ihrer Depression
einfach nicht mehr heraus. Andere sind überfordert und haben nicht mehr die
Kraft, den Druck, der auf sie ausgeübt wird, auszuhalten. In Japan zum Beispiel
ist bei Kindern und Jugendlichen der Selbstmord die Todesursache Nummer 1. Der
Leistungsdruck scheint in diesem Land noch deutlich höher zu sein als bei uns.
Da gibt es nur eins, raus aus dem Hamsterrad und Schluss mit dem Rattenrennen.
Gesellschaftliches Ansehen und ein hoher Lebensstandard rechtfertigen nicht,
dass Menschen deswegen krank werden und sterben. Menschliche Beziehungen und
genug Zeit für sich selbst sind wichtiger als ein hohes Gehalt.
Ja, wir haben kein anderes Leben als das, welches Gott uns geschenkt
hat. Und wenn es ein erfülltes Leben ist, ist die Anzahl der Jahre nicht
entscheidend.
Es gibt kein Leben ohne Sterben und keine Gesundheit ohne Krankheit.
Doch das ist nicht alles. Jeder von uns wird immer wieder einmal krank. Aber
jeder von uns ist auch immer wieder gesund geworden. Ich glaube, dass Gott uns
auch durch die Kunst der Ärzte, durch die Medizin und das Pflegepersonal in den
Krankenhäusern hilft. Und darum kann jeder, dessen Leben am seidenen Faden hing
und der wieder genesen ist, mit Hiskia in unserem heutigen Bibelwort sagen: »Du, mein Gott, hast mich wieder gesund gemacht und mir von
neuem das Leben geschenkt.«
Denn es ist nicht vorbei, wenn es der Arzt sagt, sondern erst, wenn Gott
das sagt. Letzten Endes hat er mein Leben in der Hand. Er hat mich nicht
gefragt, ob ich auf diese Welt kommen wollte. Er wird mich auch nicht fragen,
wann ich wieder gehen will. Er weiß, wann es Zeit ist. Und dann, so hoffe ich,
werde ich gehen im Vertrauen darauf, dass er es ist, der mich zu sich ruft.
Bis dahin aber gilt der andere Satz, den König Hiskia gesagt hat: »Herr, von deinen Worten und Taten lebe ich, sie geben mir
alles, was ich brauche.« - So spricht der Mensch, der weiß, wie zerbrechlich
sein Leben ist und wie schnell es vorbei sein kann. So spricht der Mensch, der
weiß, dass er alles, was er ist und hat, Gott verdankt. So kannst auch du
sprechen und ich dazu. Amen
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