Losung: Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Jesaja 53,3
Lehrtext: Pilatus ließ den los, der wegen Aufruhr und Mord ins Gefängnis geworfen war, um welchen sie baten; aber Jesus übergab er ihrem Willen. Lukas 23,25
Liebe Leserin, lieber Leser,
warum nur dieser maßlose Hass auf Jesus? Nicht einmal den Mörder und Aufrührer Barrabas hassten die damaligen Kirchenführer so wie ihn. Vielleicht sprach aus ihnen der Selbsthass, der, nach außen gewendet, so viel Jammer und Leid über andere gebracht hat und bis heute bringt. Weh dem, der dem Willen der Selbsthasser übergeben wird, der ihnen in die Hände fällt, an dem sie sich austoben! (Lehrtext) Man mag von dem Film „Die Passion Christi“ halten was man will. Aber er vermittelt eine Vorstellung davon, wie entsetzlich Jesus gefoltert und gequält worden ist. Ich konnte bald nicht mehr hinschauen. Doch nicht der ist der Folterer, der zuschlägt, sondern der, der die Peitsche befehligt und sich nicht selbst die Hände schmutzig macht oder sie gar, wie Pilatus, in Unschuld wäscht. Und diese Menschenquälerei im Namen „Gottes“ hat bis heute nicht aufgehört! Man denke nur an den sogenannten „Islamischen Staat“.
Ich meine, Kirche heute, die Kirche Jesu Christi sein will, muss sich zu denen bekennen, die in unserer Zeit verfolgt, gefoltert und ihrer Menschenrechte beraubt werden. Sie muss sich zu denen bekennen, die die „Allerverachtetsten und Unwertesten“ (Losung) sind. Gott sei Dank hat die Kirche in Deutschland aus der eigenen Geschichte vor 70 und mehr Jahren gelernt und reagiert sensibel, wenn Menschen gleich welcher Religion und Herkunft abgewertet, verachtet und ausgeliefert werden.
Wie es aussieht, stehen wir in unserem Land wieder neu vor der großen Herausforderung, uns schützend vor die Schutzbedürftigen zu stellen, die von hasserfüllten Deutschen nicht nur verbal, sondern auch mit physischer Gewalt angegriffen werden. Ich habe erst letzte Woche einen solchen Hassausbruch in einem Laden miterlebt, als ein etwa 60-jähriger herumbrüllte: Es gäbe gar nicht so viele Bäume wie man bräuchte, um die Flüchtlinge und all die, die sich für sie einsetzen, aufzuhängen. Ich habe ihn dann deutlich widersprochen und gefragt, warum er denn so wütend sei. Er konnte nur sagen, er sei eben cholerisch und habe das von seinem Vater geerbt. Mein Eindruck war, dass sich dieser Mann selbst am meisten hasst.
Man muss die gegenwärtige Flüchtlingspolitik nicht gutheißen. Man kann Änderungen besonnen und nach humanen Maßstäben diskutieren. Aber wer sich zu Jesus Christus bekennt, kommt nicht darum herum, nach unten zu schauen auf die, die unter den Gewaltmenschen leiden, und sich mit ihnen zu solidarisieren. Denn in ihnen begegnet uns unser Herr, in den Geringsten unserer Menschenbrüder, wie er selbst sagt.
Gebet: Herr, du bist tiefer ins menschliche Elend hinabgestiegen als die meisten von uns. Du weißt, wie es ganz unten ist. Du weißt, wie es ist, wenn man der Unterste ist. Und weil du Menschen, die ganz unten sind nicht im Stich gelassen hat, so hat Gott dich erhöht zum Herrn der Welt, zum Herrn über den Tod, zur Hoffnung für alle. Es tröstet mich zu wissen, dass ich gar nicht tiefer fallen kann, als wo du bist. Wo auch immer ich mich in meinem Leben befunden habe und noch befinden werde – du warst, du bist bei mir, in der Freude, aber erst recht im Leid. Amen
Herzliche Grüße
Hans Löhr
Siehe auch Weihnachtspredigt 2014
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen