Sonntag, 24. Dezember 2017

Der Christbaum – Licht auf meinem Weg (Predigt) hl

Weihnachtspredigt 2017 

Liebe Weihnachtsgemeinde,

als meine Eltern schon sehr alt waren und ich längst ein Pfarrer mit eigener Familie, da schockte mich meine Mutter mit der Ankündigung: »Heuer will ich keinen Christbaum mehr.«
Wie bitte? Die Eltern haben keinen Christbaum mehr? Ja aber was wird dann aus Weihnachten? Der Christbaum daheim, und „daheim“ war für mich lange das Elternhaus, der ist doch sowas wie das zentrale Symbol, das sichtbare Zeichen für Geborgenheit und Heimat, für Familie und Kindheit, für das Gefühl, einen eigenen Platz in dieser Welt zu haben, an dem man gleichzeitig Kind und Erwachsener sein darf. Der Christbaum mit den echten Wachskerzen und den burgunderroten und goldenen Glaskugeln, mit den kleinen Holzfiguren, die noch aus der Vorkriegszeit stammten und die schon die Großeltern am Christbaum hängen hatten, und mit den Strohsternen, die ich zusammen mit meiner Mutter als Kind gebastelt hatte – diesen Christbaum sollte es nicht mehr geben? Ja wo ist denn dann der Ort, wo ich mich in dieser Welt und Zeit daheim fühlen kann?
Eigentlich hatte ich zuvor noch nie intensiv über den Christbaum nachgedacht. Er war eben immer an Weihnachten da. Das war ganz selbstverständlich. Aber jetzt, da es hieß, es solle ihn nicht mehr geben, da wurde mir erst bewusst, welch tiefe Gefühle ich mit ihm verbinde, was er für mich bedeutet. Der Christbaum und meine Eltern, das war für mich eine Einheit. Und als meine Mutter ankündigte, dass es keinen Baum mehr geben werde, da war es mir, als würde es auch sie bald nicht mehr geben.
Der Christbaum hat auch viel mit meinem Glauben zu tun. Er ist sozusagen das äußere Zeichen für mein inneres Glaubensgefühl. Und für mich ist auch der Glaube mehr Gefühl als Verstand. Denn alles, was ich soeben gesagt habe von Daheimsein und Geborgensein, von einem Platz in dieser Welt, von Lebensmittelpunkt und Elternhaus, das alles fließt ineinander und ist der Stoff, aus dem mein Glaube gewebt ist. Und mitten hineingewebt ist der goldene Faden der Weihnachtsgeschichte mit dem Stall und der Krippe, den Engeln und den Hirten, den Weisen aus dem Morgenland und vor allem mit dem Christuskind. Und diesen goldenen Erzählfaden begleiten die goldenen Fäden der Weihnachtslieder, die das alles wieder aufnehmen und zur Sprache und zum Klingen bringen und sagen: Du Menschenkind bist von Gott geliebt unwiderruflich, bedingungslos.
Natürlich gehörten damals auch die Geschenke dazu, die Vorfreude beim Warten vor der Wohnzimmertür bis das Bescherungsglöckchen bimmelte und ich als Kind endlich den Baum sehen konnte, den meine Mutter auf vertraute Weise geschmückt und der den Weihnachtsduft von Fichtennadeln und Wachskerzen verströmte.
Das, liebe Freunde, war und ist für mich Weihnachten, das alles ist ein wesentlicher Teil meines Glaubens und somit auch meines Lebens. Klar könnte ich auch ohne Christbaum leben. Aber ich möchte nicht. Ich möchte nicht auf den Baum verzichten, dann würde es bei uns zu Hause und auch in mir nicht Weihnachten werden. Und ich denke, vielen von euch hier geht es ähnlich. Wenn wir zum Beispiel den schönen Baum hier in der Kirche heuer einmal nicht aufgestellt hätten, wären wohl die meisten beunruhigt. Weihnachten ohne Baum? Das geht einfach nicht. Jedenfalls nicht bei uns in Franken. Und wenn das doch in der einen oder anderen Wohnung der Fall ist, dann meistens aus traurigen Gründen. Wenn sich auch vieles in unserer Zeit ändert, der Christbaum soll bleiben. Und beruhigt stelle ich fest, dass auch meine halbwüchsigen Kinder darauf großen Wert legen, auch wenn sie in diesem Alter sonst kritisch sehen, was ihren Eltern wichtig ist.
Nachher, am Ende dieses Gottesdienstes, singen wir alle wieder gemeinsam „Stille Nacht, heilige Nacht“. Und dabei werden die elektrischen Lichter ausgemacht und nur der Christbaum und die Altarkerzen leuchten in die Dunkelheit der Kirche. Dann hat mancher von uns einen Kloß im Hals oder ein bisschen Gänsehaut oder eben ein besonderes Gefühl. Und ich glaube nicht, dass viele hier ganz unberührt sein und die Kirche wieder gleichmütig verlassen werden.

Von diesem Licht erzählt auch Kevin, ein Motorradtrainer aus Nord Texas. Er hat eine wöchentliche Video-Kolumne und gibt wertvolle Tipps für sicheres Motorradfahren. Sein Beitrag, den er vorgestern veröffentlicht hat, beginnt mit einer nächtlichen Motorradfahrt. Man sieht aus dem Blickwinkel des Fahrers die erleuchteten Armaturen am Lenker und den Lichtkegel, den der Scheinwerfer auf die Straße wirft. Dazu sagt Kevin, der Fahrlehrer:
»Du fährst nachts eine dir unbekannte Strecke. Wolken bedecken den Himmel, du siehst keine Sterne und auch sonst kein Licht. Plötzlich bricht die Elektrik an deinem Motorrad zusammen und der Scheinwerfer geht aus. Was wirst du tun? Nur ein dummer Biker wird jetzt weiterfahren auf einer Straße, die er nicht sehen kann. Jeder andere wird bremsen und am Straßenrand halten. Die Angst vor der Dunkelheit, in die du blind hineinfährst, ist einfach zu groß.«
Okay, dachte ich mir, das weiß ich auch. Aber welche Tipps wird er jetzt geben? Soll man für einen solchen Fall eine Notbeleuchtung dabeihaben? Da fährt Kevin überraschend fort:
»2000 Jahre zuvor wurde das größte Licht, das die Welt je gesehen hatte, in einem Stall geboren. Die meisten Leute damals haben es nicht erkannt, und auch heute erkennen es die meisten nicht. Doch dieses Licht scheint. Es gibt Hoffnung, es schenkt innere Freiheit. Das Licht deckt unser Versagen auf, aber es lädt uns auch ein. Die Geschichte der Schöpfung beginnt damit, dass Gott zuerst das Licht geschaffen hat. Licht war es, das den Hirten die Geburt des Christuskindes angekündigt hat. Die Bibel ist voll von Worten, die vom Licht sprechen. Im Buch der Psalmen heißt es: ‚Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg‘. Weihnachten ist die Zeit, da wir alle vom Licht angezogen werden. Es ist die Zeit, in der wir das Licht, das wir empfangen zu anderen widerspiegeln sollen.«
 Und dann sagt Kevin noch zu seinen Motorrad-Fans:

Aber ich wäre kein guter Fahrlehrer, würde ich euch nicht auch von größeren Dingen erzählen. Du siehst das Licht von Jesus Christus auch heute noch hell scheinen in dieser korrupten Welt, in der es drunter und drüber geht. Mein Gebet für euch an diesen Feiertagen ist, dass ihr inmitten eurer Familie und Freunde etwas widerspiegelt von dem warmen Licht, das von Jesus ausgeht. Er sagt in der Bibel: „Ich bin das Licht der Welt. Wer sich an mir orientiert, muss nicht in der Finsternis herumirren. Ich gebe ihm das Licht, das ins Leben führt.“ (Johannes 8,12)

Soweit Kevin, der Motorrad-Trainer aus Nord Texas. Da er sich mit Motorrädern bestens auskennt, hat er eine große Fangemeinde. Tausende Männer schauen Woche für Woche seine Videos. Tausenden hat er damit eine Weihnachtspredigt gehalten - und jetzt euch hier auch. Viele wollen davon nichts wissen. Er weiß das, und hat‘s trotzdem gemacht, auch auf die Gefahr hin, Fans zu verlieren. Aber einige werden doch aufhorchen, werden ihm vielleicht mehr zuhören und mehr Glauben schenken als einem Pfarrer. Und wer weiß, vielleicht bringt er mit seinen Worten so manchen coolen Biker zum Nachdenken und ermutigt ihn zum Glauben.
   Und so bitte ich auch dich, darüber nachzudenken. Was machst du, wenn dich eine persönliche Katastrophe aus der Bahn wirft und in deinem Leben plötzlich das Licht ausgeht? Wenn du nicht mehr weißt, wo vorn und wo hinten ist? Öffne dich dem, was du hier hörst. Lass dich innerlich berühren, wenn wir später „Stille Nacht, heilige Nacht“ singen und nur noch der Christbaum leuchtet. Dieses Licht begann damals in der Krippe zu scheinen. Seitdem ist auch dein Leben in das Licht von Gottes Liebe getaucht. Er schenkt es dir.  Amen
HL

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