Losung: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Psalm 22,2
Lehrtext: Und der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus. Markus 15,38
Liebe Leserin, lieber Leser,
weißt du, warum die letzten Worte eines
Menschen so bedeutsam sein sollen? Ich weiß das nicht. Jedenfalls gibt es eine
ganze Sammlung von letzten Worten berühmter Persönlichkeiten. Luther soll
gesagt haben: „Wir sind Bettler, das ist wahr“ und Goethe soll gesagt haben: »Mehr
Licht!« Und so gäbe es noch viele solcher letzten Worte. Doch ist es wirklich so,
dass einem Sterbenden plötzlich die große Erleuchtung kommt?
Von Jesus sind gleich sieben letzte Worte
überliefert. Die Losung heute ist eines von ihnen. Der Evangelist Markus hat
erst Jahrzehnte nach Jesu Tod sein Evangelium aufgeschrieben. Sicher sind die
Worte und Geschichten von Jesus und wie es ihm ergangen ist, von den ersten
Gemeinden so treu wie möglich weiter erzählt worden. Aber im Lauf der vielen
Jahre bekommen sie unterschiedliche Farben, je nachdem, wie gut man sie
verstanden hat und welchen Einfluss die Zeitumstände ausgeübt haben. Und so hat
Markus den Tod Jesu am Kreuz auf seine Weise gedeutet.
Der
Psalm 22 als Deutungshilfe für Jesu Tod
Ihm half dabei der Psalm 22 aus dem Alten
Testament, mit dem er das Leiden und Sterben Jesu teilweise nacherzählte: Psalm
22 Verse 8.9.17b.18.19 . Für ihn war Jesus ein frommer Jude, der sich im
Augenblick des Todes noch einmal an seinen Gott wendet. Und so legt Markus dem
Sterbenden den Anfang von Psalm 22 in den Mund und lässt ihn sagen: „Mein Gott,
mein Gott, warum hast du mich verlassen?“* (Losung = Psalm 22,2 = Markus 15,34 =Matthäus 27,46). Dann war, so der Evangelist, nur noch Jesu
Todesschrei zu hören. Das geht mir heute noch durch Mark und Bein, egal ob das wirklich,
also historisch so war oder anders. Und dieser Schrei ließ den Vorhang im
Tempel zerreißen „von oben an bis unten aus“, den Vorhang, der das Volk vom
Allerheiligsten trennte, wo man Gottes Gegenwart glaubte.** Da war der Zugang Gottes zu
seinen Menschen frei und ihr Zugang zu ihm. Da wurde offenbar, was seitdem
gilt: Gott ist der „IchBinDa“. Damit, mit jenem Schrei, hatte Jesus seine
Sendung erfüllt und gezeigt, wer und wie Gott für uns Menschen ist. - Aber stimmt das auch?
Wirklichkeit
und Wahrheit
Wie gesagt, man kann mit guten Gründen zweifeln, ob das wirklich so war. Aber woran ich nicht zweifle, ist, dass Markus damit eine tiefe Wahrheit zur Sprache gebracht hat, die nach ihm Jahre später der Evangelist Matthäus wieder aufgegriffen und die Johann Sebastian Bach im Jahr 1727 auf so unvergleichliche und zutiefst bewegende Weise vertont hat. Wahrheit und Wirklichkeit sind eben nicht dasselbe. Wirklichkeit kann man berichten wie ein Zeitungsreporter, wenn er ehrlich ist. Man kann sie untersuchen wie ein Wissenschaftler. Wahrheit aber kannst du nur glauben und nicht berechnen. Sie kommt in der Wirklichkeit zu uns, im Gewand von Erzählungen, Geschichten, Liedern und Kunstwerken. Erst so wird sie für mich verständlich und annehmbar. Wer aber sagt: „Das war doch gar nicht wirklich so, was die Bibel erzählt“, – ob der dieses Buch, den Glauben und das Leben verstanden hat?
Gebet: Herr, manchmal denke ich, wenn ich mich an das klammere, was wirklich ist, wäre ich auf der sicheren Seite. Und doch mache ich die Erfahrung, dass ich mit einem offenen und leeren Herzen auf deine Wahrheit warten muss, damit du kommst und sie füllst. Du selbst in der Krippe und am Kreuz bist die Wahrheit, die mich überwindet und überzeugt, die Wahrheit über Gott und über mich. Ich brauche keine Sicherheit. Ich habe ja dich. Amen
Herzliche Grüße
Ihr / dein Hans
Löhr
Ausschnitte vom Schluss der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach mit Karl Richter (Dirigent): Zwei YouTube-Videos von Jesu Sterben * (10:45 Minuten) und wie der Vorhang im Tempel zerreißt ** (6:08 Minuten) Die lästige Werbung kann man nach ein paar Sekunden überspringen.
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»Die Bibel ist so voller Gehalt, dass sie mehr als jedes andere Buch
Stoff zum Nachdenken und Gelegenheit
zu Betrachtungen über die menschlichen Dinge bietet.«
J.W. von Goethe
aus: „Dichtung und Wahrheit“
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1728 erschien in Herrnhut
die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag
des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus
dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“
in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das
Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt.
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Vielen Dank . Einen gesegneten Tag für Sie und Ihre Familie lieber Herr Löhr und für alle Leser und Leserinnen .
AntwortenLöschenVielen Dank, dass Sie mit den kleinen Links unseren Horizont immer wieder erweitern.
AntwortenLöschenDem möchte ich mich anschließen! Ihre Form der Bibelauslegung erweitert mir täglich mein Verständnis. Vielen Dank!!
AntwortenLöschenRenate