Predigt
im Lichtblick am 17.11.2013, Elfriede Bezold-Löhr
Was wir für ein gutes Leben halten …
Was ein
‚gutes Leben‘ ist, wird uns täglich in der Fernsehwerbung vorgeführt: eine
großzügige, helle, strahlend saubere Wohnung, besser noch ein apartes Einfamilienhaus
mit gepflegtem Garten; ein SUV vor der Doppelgarage und ein sportliches Cabrio,
zwei Kinder mit guten Aussichten aufs Gymnasium, ein schlanker, sportlicher und
attraktiver Mittdreißiger als Familienvater und eine schöne, fürsorgliche und allzeit
gegenwärtige Mama, die immer etwas Leckeres für ihre Lieben im Kühlschrank hat
und sie in frühlingsfrisch duftende und kuschelweiche Wäsche hüllt.
„Alles
Käse!“ denken jetzt manche von euch? Dann hört euch die wichtigsten
Lebenswünsche 2013 an – 2000 Leute sind dafür befragt worden.
Auf Platz 1
steht unangefochten: Millionär werden.
Auf Platz
2: Eine Weltreise machen.
Auf Platz
5: Schuldenfrei sein.
Auf Platz
35: Ein Ehrenamt übernehmen.
Auf Platz
38: Eine Familie gründen.
Was Jesus für ein gutes Leben hält …
Jesus sagt
in der ‚Bergpredigt‘, was er für ein gutes Leben hält. Ich warne euch vor: Es
geht nicht runter wie Öl, was wir
jetzt hören.
„Ihr seid
gesegnet, - das heißt, ihr lebt ein nach meinem Ermessen gutes Leben (EBL) -
wenn ihr im Umgang mit euch selbst und anderen Erbarmen kennt. Gott möchte euch mit seinem Erbarmen überhäufen.
Ihr seid
gesegnet, wenn ihr im Herzen aufrichtig und klar seid. Nur so könnt ihr Gott in
allem entdecken.
Ihr seid
gesegnet, wenn ihr den Menschen zeigt, wie man ohne Kampf und Streitigkeiten
miteinander leben kann. Sie werden sehr schnell merken, zu welcher Familie ihr
gehört.
Ihr seid
gesegnet, wenn eure Hingabe an Gott euch Nachteile oder sogar Verfolgung
einbringt. Näher könnt ihr Gott nicht kommen.
Und nicht
nur das. Haltet euch jedes Mal für gesegnet, wenn euch Leute niedermachen oder
benachteiligen, wenn sie Lügen über euch verbreiten, um euch in Misskredit zu
bringen. Ihr werdet – so unwahrscheinlich das jetzt noch für euch klingen mag –
in solchen Situationen eine ganz tiefe Freude empfinden, ja regelrecht fröhlich
sein. Und das ist erst der Anfang der Belohnung. Gott wird den Himmel weit für
euch öffnen.“ (Matt.5, 2 – 10 nach der Übersetzung ‚Willkommen daheim‘)
Den Blick von außen nach innen wenden
Ein gutes
Leben hängt für Jesus ganz stark mit meinem persönlichen Innenleben zusammen.
Habe ich ein Herz, das sich bewegen lässt? Bemühe ich mich darum, ehrlich und
klar in dem zu sein, was ich sage? Kann ich mich Konflikten stellen, ohne dass
ich oder der Andere eine blutige Nase davonträgt? Bin ich dazu bereit, für
meinen Glauben bewusst Nachteile in Kauf zu nehmen – zum Beispiel aus ethischen
Gründen auf das eine oder andere zu verzichten? Halte ich verletzende Sprüche
aus, wenn mein Glaube erkennbar wird und jemand sich darüber mokiert?
Jesus zettelt
mit dem, was er sagt, eine stille Revolution in unserer materialistischen Gesellschaft an. Was ein
gutes Leben ist, sieht für ihn sehr, sehr anders aus als weithin für uns. Aber
wenn wir uns nur ein bisschen auf dieses Denken einlassen, dann ahnen wir: Jesus will eine Welt, die nach anderen
Gesetzmäßigkeiten funktioniert als unsere es oft tut. Es wäre eine bessere
Welt.
Der Blick auf uns selbst
Der Blick
muss zuerst nach innen gehen – Jesus sagt das ganz oft in den
unterschiedlichsten Zusammenhängen. Das ist nicht ohne. Dazu brauchen wir Mut.
Wir könnten jetzt eine kleine Übung in
Partnerarbeit einschieben: Wie nehme ich mich selber wahr? Da würde jeder
von uns einen ersten Fragebogen ausfüllen. Und dann käme in der zweiten Runde
die Frage: Wie siehst du mich? Da
müsste dann mein Partner mich beurteilen und dann würden wir die beiden Bögen
nebeneinander legen.
Wann immer
wir im Predigerseminar in unserer Ausbildung solche Tests gemacht haben, fand
ich sie sehr spannend und aufschlussreich - und immer auch ein bisschen
beängstigend: Wie sieht mich der andere? Was nimmt er an mir wahr? Was stimmt
mit meiner Selbstwahrnehmung überein? Wo überrascht mich der andere mit dem,
was er in mir sieht? Wo kränkt er mich? Bringt er mich durch seine Antworten
zum Nachdenken?
Der Abgrund der Heuchelei
Manches an mir
ist Maske. Das ‚erwartete‘ Gesicht, –
aber nicht ich. Wisst ihr, dass Jesus mit Geistlichen am Härtesten im ganzen
Neuen Testament redet? Vielleicht sind neben uns Pfarrerinnen und Pfarrern ein
paar von Ihnen und euch auch betroffen – diejenigen, die sich in der Bibel
ziemlich gut auskennen. Ganz viele der guten Christen, so sagt Jesus es, stehen
extrem nahe am Abgrund der Heuchelei.
Die reden fromm und haben moralisch die entsprechenden Latten immer im Gepäck.
Aber sie stehen in der Gefahr, diese Messlatten bevorzugt bei anderen Leuten
anzusetzen.
Akademischer
Abschluss, geistliche Titel, „Frau Pfarrer!“ „Herr Dekan!“ „Frau
Regionalbischöfin!“ „Herr Landesbischof“! - - -
alles hohles Theater, wenn es nach Jesus geht. Er nennt es wirklich und
wahrhaftig ‚Theater‘.
„Vergesst
unter euch dieses Theater! Redet euch nicht mit irgendwelchen Titeln an, denn
unter euch gibt es nur einen Meister, ihr aber seid untereinander wie
Geschwister. Hebt euch alle Ehrentitel für einen Einzigen auf, euren Vater im
Himmel, denn durch ihn allein habt ihr das Leben. (…) Ich warne euch, ihr
Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Betrüger! Ihr reist um die halbe Welt, um
einen einzigen Konvertiten (= jemand, der sich zum christlichen Glauben
bekehrt) zu gewinnen; und wenn ihr ihn endlich habt, dann macht ihr ihn zu
einer Nachbildung von euch selbst, einzig mit dem Unterschied, dass er noch
schlimmer ist als ihr.“ (…)
Ich warne
euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Betrüger! Ihr wiegt sogar eure
Gewürze ab, um auch noch von ihnen den Zehnten zu geben – selbst wenn es nur
ein Löffel voll ist -, aber mit dem, was Gott wichtig ist, nämlich
Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue, geht ihr ausgesprochen nachlässig um.
Darum solltet ihr euch eigentlich kümmern, das andere könnt ihr dann immer noch
tun. Ihr seid wirklich mit Blindheit geschlagen. (…) Ich warne euch: Ihr seht aus
wie ein Sarkophag, der mit glänzendem Marmor verkleidet ist. Doch in ihm sind
nur Knochen und vermodertes Fleisch. Die Leute schauen auf euch und halten euch
für Vorbilder, doch in Wirklichkeit ist in euch nichts als Heuchelei und
Widerstand gegen Gott.“
Ein grundlegendes Problem: Schein statt sein
Alle, die
wir aufrichtig um unseren Alltagsglauben kämpfen, stehen in dieser Gefahr - dass immer mehr zur Außenwirkung wird (also der
Schein das Thema ist) und die Konzentration auf die Sicht nach Innen (also die
Frage nach dem Sein) dabei auf der Strecke bleibt. John Ortberg schreibt in
seinem Buch ‚Weltbeweger‘: „Ich kann heuchlerisch sein, ohne es selbst zu
merken. Genauso wenig, wie wir bisher die Grenzen des Universums entdeckt
haben, haben wir auch die Grenzen des menschlichen Selbstbetrugs entdeckt.“
(a.a.O., 191) Ich glaube, John Ortberg hat mit dieser unangenehmen Wahrheit
Recht. Wir alle betrügen uns immer wieder selber.
Auch wenn
wir es mit allen Mitteln versuchten – nicht einmal wir selbst bekommen unser
Innerstes klar ausgeleuchtet. Im besten Fall gibt es in meinem Leben beides –
neben den Momenten mit Maske die
Momente ohne Maske. Doch mein eigenes Inneres, mein ‚Herz‘, werde ich nie
vollends kennen.
Gott kennt mein Herz
Aber wer
kennt es dann? Wer kann mir helfen, es zumindest besser kennen zu lernen? Der
Psychologe in der nächsten Großstadt, der mich im Schutz der Anonymität beraten
kann? Ja! Wenn er gut ist, leuchtet er mir ein paar Pfade in meinem Herzen aus.
Hilft mir, alte und schlecht vernarbte Wunden mit ihm anzuschauen. Nennt mir
hoffnungsvolle Perspektiven, die mir wirklich weiter helfen. Da gibt es zum
Glück kompetente Helfer – und zum Glück ist es auch kein Tabu mehr, ihre Hilfe
in Anspruch zu nehmen, wenn wir uns in unser Inneres hinein zu schauen trauen.
Und doch
gibt es nur einen, der von sich sagt: „Ich urteile nach anderen Maßstäben als
die Menschen. Für die Menschen ist wichtig, was sie mit den Augen wahrnehmen
können; ich dagegen schaue den Menschen ins Herz.“ (1. Sam. 16, 7)
GOTT sagt
das. Er hat das Recht dazu als unser Schöpfer – und er tut es als unser
Erlöser. Er sagt: „Ich kann in dein
Herz sehen. Aber weißt du, wofür ich das tue? Nicht, um dich dann abzustrafen
für dein Scheitern und dein Misslingen und deine Eitelkeiten. Sondern um zu sehen, was ich dir vergeben
kann. Wovon ich dich frei machen kann, dass dir das Herz leicht wird und du
besser lebst.“
Eigentlich
geht es jetzt nur noch darum, dass wir Gott diesen Blick in unser Inneres
angstfrei zugestehen und sein Angebot der Entlastung annehmen. Wir können
Davids Gebet nachsprechen:
„Erforsche mich, Gott, und erkenne, mein Herz;
Prüfe und erkenne,
wie ich’s meine.
Und sieh, ob ich
auf bösem Wege bin,
und leite mich auf
ewigem Wege. Amen.“
(Psalm 139, 23 f.)
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