Losung: Singet dem
HERRN, rühmet den HERRN, der des Armen Leben aus den Händen der Boshaften
errettet! Jeremia 20,13
Lehrtext: Seid
fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet. Römer 12,12
Liebe Leserin, lieber Leser,
»Der Tag, an dem
Mohammed Bwasir beschloss, nie wieder ein freier Mensch zu werden, begann mit
Schritten auf dem Flur. Es war der 5077. Tag seiner Gefangenschaft und der
Morgen seiner bevorstehenden Entlassung, kurz vor sieben Uhr, über Guantanamo
wurde es gerade erst hell, als US-Soldaten des Hochsicherheitstrakts, Camp
Delta, bewaffnet in Bwasirs Zelle traten.«
So beginnt ein langer Artikel im Nachrichtenmagazin DER
SPIEGEL, Ausgabe 15/2016 über einen jungen Jemenit. Er wird vor 14 Jahren als
Unschuldiger nach Guantanamo verschleppt. Er wird gefoltert, isoliert und
verhungert fast. Er bekommt nie einen Prozess. Bekommt von den Vereinigten
Staaten nie Gerechtigkeit. Seelisch zerstört soll er schließlich in ein ihm
unbekanntes Land nach Osteuropa abgeschoben und seinem Schicksal überlassen
werden. Es könnte die Freiheit sein. Doch dieser junge Mann hat keine Kraft
mehr für die Freiheit. Er hat nur noch Angst.
So sieht es aus, wenn ein Mensch in die »Hände der
Boshaften« fällt. Diese Geschichte fiel mir wieder ein als ich die Losung heute
gelesen habe. Nein, da kann man nicht singen. Bei so viel Grausamkeit bleibt
einem jeder Ton im Hals stecken. Stimmt es also nicht, was die Losung sagt,
dass der Herr das Leben des Armen aus den Händen der Boshaften rettet? Was
meinen Sie? Was meinst du?
Es gibt Geschichten, die lassen mich an Gott zweifeln: Wenn,
wie letzten Mittwoch in einem Nachbarort, ein Vater die Mutter tötet. Was soll
aus dem Kind werden, das nun übrig geblieben ist? Oder wenn, wie am Donnerstag,
ein Flüchtlingslager in Syrien bombardiert wird…
Aber war das zu der Zeit, als unser Losungswort entstanden
ist, anders? Gab es nicht zu allen Zeiten Ereignisse, die Menschen an Gott
haben zweifeln und verzweifeln lassen? Und trotzdem haben viele am Glauben
festgehalten, waren »geduldig in Trübsal«, haben gehofft, haben gebetet
(Lehrtext).
Wie ist das bei mir?
Ich war noch nie in einer so verzweifelten Lage, dass ich an
Gott verzweifelt wäre. Aber ich habe bei mir und anderen die Erfahrung gemacht,
dass er in schweren Krisen erst recht gesucht wird. Doch wenn ich ihn in meinen guten Tagen aus den
Augen verloren habe, wie soll ich ihn dann in den bösen finden? Es ist
leichter, auch dann auf ihn zu vertrauen, wenn ich schon vorher schon eine
persönliche Beziehung zu ihm hatte. Zwar sagt das Sprichwort „Not lehrt beten“,
aber Stoßgebete tragen nicht lang, wenn sie nicht von der Kraft eines
beständigen Glaubens leben. Erst recht nicht, wenn ich gar nicht weiß, an wen
ich mich im Gebet eigentlich wende. Irgend so eine unpersönliche Gottesidee
hilft mir jedenfalls nicht. Und ich hoffe bei allem, was kommt, auch deswegen
am Glauben festzuhalten, weil Gott in seinem Sohn selbst gelitten hat. Darum kennt
er auch meinen Kummer, leidet meine Leiden mit und trägt mit an meinen
Schmerzen. Der Gekreuzigte war schon für viele der letzte Halt und ich hoffe,
dass er das auch für mich sein wird.
Und dann gibt es auch jenes Bibelwort, wo es heißt: »Haben
wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?« (Hiob 2,10). Nein, ich will das Gute nicht
vergessen, das es in meinem Leben in viel größerem Maß gegeben hat als das
Böse. Aber ich glaube auch, wer Gott nur im Glück sucht und nicht auch im Leid,
wird ihn nicht finden. Wer ihn in guten Tag mit seinen Liedern gerühmt hat
(Losung), der kann ihm auch in den bösen seine Klage und sein Leid ins Ohr
schreien.
Was ist also mit den schrecklichen Beispielen, von denen ich
anfangs berichtet habe? Ich stehe hilflos davor. Ich habe große Schwierigkeiten,
sie irgendwie mit Gott zusammenzubringen. Mir bleibt nur, selbst für das Gute
einzutreten, wo es möglich ist und für uns alle zu beten:
Gebet: Vater unser im Himmel, erlöse uns von dem
Bösen. Amen
Herzliche Grüße
Ihr / dein Hans Löhr
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