Sonntag, 8. Mai 2016

Das Böse und der Glaube hl

Losung: Singet dem HERRN, rühmet den HERRN, der des Armen Leben aus den Händen der Boshaften errettet! Jeremia 20,13

Lehrtext: Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet. Römer 12,12

Liebe Leserin, lieber Leser,

»Der Tag, an dem Mohammed Bwasir beschloss, nie wieder ein freier Mensch zu werden, begann mit Schritten auf dem Flur. Es war der 5077. Tag seiner Gefangenschaft und der Morgen seiner bevorstehenden Entlassung, kurz vor sieben Uhr, über Guantanamo wurde es gerade erst hell, als US-Soldaten des Hochsicherheitstrakts, Camp Delta, bewaffnet in Bwasirs Zelle traten
So beginnt ein langer Artikel im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, Ausgabe 15/2016 über einen jungen Jemenit. Er wird vor 14 Jahren als Unschuldiger nach Guantanamo verschleppt. Er wird gefoltert, isoliert und verhungert fast. Er bekommt nie einen Prozess. Bekommt von den Vereinigten Staaten nie Gerechtigkeit. Seelisch zerstört soll er schließlich in ein ihm unbekanntes Land nach Osteuropa abgeschoben und seinem Schicksal überlassen werden. Es könnte die Freiheit sein. Doch dieser junge Mann hat keine Kraft mehr für die Freiheit. Er hat nur noch Angst.
So sieht es aus, wenn ein Mensch in die »Hände der Boshaften« fällt. Diese Geschichte fiel mir wieder ein als ich die Losung heute gelesen habe. Nein, da kann man nicht singen. Bei so viel Grausamkeit bleibt einem jeder Ton im Hals stecken. Stimmt es also nicht, was die Losung sagt, dass der Herr das Leben des Armen aus den Händen der Boshaften rettet? Was meinen Sie? Was meinst du?
Es gibt Geschichten, die lassen mich an Gott zweifeln: Wenn, wie letzten Mittwoch in einem Nachbarort, ein Vater die Mutter tötet. Was soll aus dem Kind werden, das nun übrig geblieben ist? Oder wenn, wie am Donnerstag, ein Flüchtlingslager in Syrien bombardiert wird…
Aber war das zu der Zeit, als unser Losungswort entstanden ist, anders? Gab es nicht zu allen Zeiten Ereignisse, die Menschen an Gott haben zweifeln und verzweifeln lassen? Und trotzdem haben viele am Glauben festgehalten, waren »geduldig in Trübsal«, haben gehofft, haben gebetet (Lehrtext).
Wie ist das bei mir?
Ich war noch nie in einer so verzweifelten Lage, dass ich an Gott verzweifelt wäre. Aber ich habe bei mir und anderen die Erfahrung gemacht, dass er in schweren Krisen erst recht gesucht wird. Doch  wenn ich ihn in meinen guten Tagen aus den Augen verloren habe, wie soll ich ihn dann in den bösen finden? Es ist leichter, auch dann auf ihn zu vertrauen, wenn ich schon vorher schon eine persönliche Beziehung zu ihm hatte. Zwar sagt das Sprichwort „Not lehrt beten“, aber Stoßgebete tragen nicht lang, wenn sie nicht von der Kraft eines beständigen Glaubens leben. Erst recht nicht, wenn ich gar nicht weiß, an wen ich mich im Gebet eigentlich wende. Irgend so eine unpersönliche Gottesidee hilft mir jedenfalls nicht. Und ich hoffe bei allem, was kommt, auch deswegen am Glauben festzuhalten, weil Gott in seinem Sohn selbst gelitten hat. Darum kennt er auch meinen Kummer, leidet meine Leiden mit und trägt mit an meinen Schmerzen. Der Gekreuzigte war schon für viele der letzte Halt und ich hoffe, dass er das auch für mich sein wird.
Und dann gibt es auch jenes Bibelwort, wo es heißt: »Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?« (Hiob 2,10). Nein, ich will das Gute nicht vergessen, das es in meinem Leben in viel größerem Maß gegeben hat als das Böse. Aber ich glaube auch, wer Gott nur im Glück sucht und nicht auch im Leid, wird ihn nicht finden. Wer ihn in guten Tag mit seinen Liedern gerühmt hat (Losung), der kann ihm auch in den bösen seine Klage und sein Leid ins Ohr schreien.
Was ist also mit den schrecklichen Beispielen, von denen ich anfangs berichtet habe? Ich stehe hilflos davor. Ich habe große Schwierigkeiten, sie irgendwie mit Gott zusammenzubringen. Mir bleibt nur, selbst für das Gute einzutreten, wo es möglich ist und für uns alle zu beten:

Gebet: Vater unser im Himmel, erlöse uns von dem Bösen. Amen

Herzliche Grüße

Ihr / dein Hans Löhr 

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