Festgottesdienst in Thann und
Sommersdorf. Predigttext: Psalm 107
Liebe Gemeinde,
am 21. September waren die Böden noch richtig
ausgetrocknet. Aber für die Landwirte wurde es Zeit, die Saat auszubringen. Würde
es dann anschließend so viel regnen, dass sie aufgehen konnte? Ein befreundeter
Bauer bat mich, ihm zu helfen. Er säte Dinkel und ich sollte anschließend den
Acker walzen und so die Körner in die Erde drücken. Also saß ich zum ersten Mal
in meinem Leben auf einem Traktor und walzte zwei Äcker. Wegen der Trockenheit
hat es bei dieser Arbeit so gestaubt, dass am Abend in der Dusche eine braune
Brühe in den Abfluss gelaufen ist. Nachdem wir fertig waren, sagte mein Freund:
„Hans, jetzt muss es in den nächsten Tagen nur noch regnen. Dann bin ich
glücklich.“ Und tatsächlich, zwei Tage später setzte stundenlanger, sanfter
Landregen ein. Inzwischen ist die Saat aufgegangen und über den Äckern liegt
ein grüner Schimmer. Mein Freund meinte dann, „Ich bin total dankbar, dass alles
so gut gegangen ist. Aber wie du weißt, habe ich es mit dem Glauben nicht so.“
Ich antwortete ihm mit Augenzwinkern, aber durchaus auch ernst gemeint: „Kein
Problem. Das mit dem Danken, übernehme ich für dich.“
Am Erntedankfest
geht es darum, dass wir, wie schon der Name sagt, Gott für die Ernte danken. Das
soll heute auch im Mittelpunkt des Gottesdienstes stehen und nicht die
Probleme, die es in unserer Zeit mit der gewerblichen Landwirtschaft und ihren
Folgen gibt. Und darum will ich mit euch jetzt über das Bibelwort für diesen Sonntag
nachdenken. Da heißt es im Psalm 107:
»Danket dem
HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. So sollen sagen,
die hungrig und durstig waren und deren Seele verschmachtete, die dann zum
HERRN riefen in ihrer Not und er errettete sie aus ihren Ängsten . (Psalm 107,1.2.6.7)
Gott sei Dank
hat von uns hier noch niemand so hungern und dürsten müssen, dass er am Ende
war. Wir haben hier eher das umgekehrte Problem, dass wir zu viel und oft noch
das Falsche essen und trinken und so unserer Gesundheit schaden. Unser
Organismus kommt ja mit Mangel sehr viel besser zurecht als mit Überfluss. Denn
Mangel haben die Menschen Jahrhunderttausende lang gelitten. Daran hat sich der
Körper angepasst. Aber der Überfluss, so wie wir ihn erst seit ein paar
Jahrzehnten kennen, ist neu. Und darauf kann sich unser Körper in so kurzer Zeit
nicht einstellen.
Und dennoch,
auch wenn wir nicht hungern müssen, so werden wir doch tagtäglich hungrig und
durstig und sind darauf angewiesen, die nötigen Nährstoffe zu uns zu nehmen,
sind und bleiben wir angewiesen auf das tägliche Brot. Schaut man in die
Supermärkte und Discounterläden, hat man den Eindruck, als ob es einen nie
versiegenden Strom von Nahrungsmitteln in großer Auswahl gäbe. Dafür sind Tag
und Nacht LKWs auf unseren Straßen unterwegs, damit auch am nächsten Tag alles
zu kaufen ist, was man sich zu essen wünscht.
Doch wer nur ein
bisschen nachdenkt, weiß, wie anfällig dieses System ist. Ein großer,
flächendeckender Stromausfall durch eine Computerpanne würde in unserem Land
bereits eine Katastrophe sein. Und die immer noch weitgehende Abhängigkeit vom
Öl und damit auch vom Treibstoff, dürfte allen bekannt sein. Nein, so
selbstverständlich wie uns das allen scheint, ist es nicht, auch wenn unsere
jungen Leute das meinen, weil sie nichts anderes kennen.
Während des
letzten Krieges und in der Zeit danach sind die Städter auf die Dörfer
gegangen, um Nahrungsmittel einzutauschen oder zu betteln: „Bitte einen Löffel
Schmalz, ein paar Kartoffeln, ein bisschen Mehl …“, So baten sie damals die
Bauern. Solange es ihnen gut ging, hatten sie sich nicht vorstellen können,
dass sie einmal von der Hilfsbereitschaft und Barmherzigkeit der Landbevölkerung
abhängig sein würden. Aber dann war es plötzlich doch so weit.
Und wie wäre das
heute, wenn eine schlechte Zeit käme? Auf den Dörfern gibt es keine Vorräte
mehr wie in früheren Zeiten. Die Scheunen sind leer ebenso die meisten
Schweineställe und auf großen Ackerflächen wächst der umstrittene Gas-Mais. Was
man braucht, hat man in der Kühltruhe. Doch sobald der Strom ausfällt, hilft
die einem auch nichts mehr. Wohin sollen dann die Stadtbewohner gehen, um noch
etwas zu essen zu bekommen? Und wovon sollen die Dorfbewohner abbeißen?
Ich will den
Teufel nicht an die Wand malen und mir deshalb auch die Zustände nicht
vorstellen, zu denen das alles führen könnte. Doch ich meine, es schadet
nichts, auch einmal darüber nachzudenken, auf wie dünnem Eis wir alle leben.
Vielleicht würde uns das ein bisschen verantwortungsvoller,
dankbarer und demütiger machen.
Liebe Freunde,
wir können nur hoffen und beten, dass solche Zeiten und Katastrophen nicht
kommen. Doch glauben und beten allein haben Kriege und Hungerkatastrophen auch
früher nicht verhindert. Es geht um die Frage, wie wir wieder zu einem
einfacheren Lebensstil zurückfinden und damit zu einem Leben, das uns alle
zufriedener, gelassener und vermutlich auch gesünder macht. Denn die
Lebensfreude hängt nicht daran, dass wir immer mehr und noch mehr haben, immer
noch mehr Konsumgüter verbrauchen, noch mehr wirtschaftlich wachsen, sondern zur
Erkenntnis kommen: Mir reicht‘s, ich habe genug, ich brauche nicht noch mehr
und immer mehr.
Die Lebensfreude
hängt daran, dass man mit seinen Mitmenschen zurechtkommt, Freunde hat,
geschätzt und geliebt wird und andere wieder schätzen und lieben kann.
Die Lebensfreude
hängt daran, dass ich die Augen öffne und die vielen kleinen Wunder entdecke,
die die Natur Tag für Tag bereithält. Dass ich mich am Kleinen freuen kann, am
Unscheinbaren, an den pelzigen Hummeln, am flammend Laub des wilden Weins im
Herbst, an einer glänzenden Kastanie, am Eichhörnchen im Futterhaus, am
Eisvogel im Sonnenlicht und an den vielen Pflanzen in Wiese und Garten, von
denen jede für sich ein Kunstwerk ist. Soviel ist jedenfalls schon lange klar: Wir können nur mit der Natur überleben und nicht gegen sie. Nur mit den Insekten und Wildpflanzen und nicht ohne sie. In Gottes Schöpfung hängt alles mit allem zusammen. Wenn wir diese Zusammenhänge heute missachten, wenn wir die Natur nur ausbeuten und ausquetschen und dabei das Netz des Lebens zerreißen, haben unsere Kinder und Enkel morgen keine Zukunft.
Die Lebensfreude
hängt an dem, woran wir uns schon als Kinder gefreut haben und woran sich schon
unsere Eltern und Großeltern und alle Vorfahren freuen konnten, an der Natur,
an der Schönheit unseres Landes, an unserer Kultur und am gestirnten Himmel
über uns. An all den Dingen, die mit Gottes Schöpfung zu tun haben, die er uns
geschenkt hat, damit wir uns gemeinsam unseres Lebens freuen und ihm dafür
danken.
Ob wir jemals
wieder dahin finden? Ob wir jemals unsere jetzige Lebensweise überwinden können? Ob wir künftig wieder mehr den Reichtum der Schöpfung und unser Lebensglück entdecken,
das Gott für uns bereithält? Ich hoffe es sehr, nicht nur in meinem Interesse,
sondern vor allem in dem meiner Kinder und Enkelkinder.
Und schließlich hängt unsere Lebensfreude, unser Seelenfriede und unsere Zuversicht am
Glauben. Was für ein Geschenk, was für ein Gewinn ist es, in guten wie in
schlechten Zeiten auf Gott vertrauen zu können! Was für ein Geschenk, was für
ein Gewinn ist es, in dem Bewusstsein leben zu dürfen, dass er in Jesus bei mir
ist und mich liebt. Was für ein Geschenk ist es, den Psalm
23 ganz und gar als meinen persönlichen Psalm beten zu können: »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln; ich fürchte kein Unglück, denn du bist bei mir und tröstest mich.«
Liebe Freunde, für das alles, was Gott uns
schenkt, für die Nahrung des Leibes und für die Nahrung der Seele, für Sonne
und Regen, Saat und Ernte, für den Glauben und die Lebensfreude will ich heute
am Erntedankfest mit euch unserem Gott danken und sagen:
»Danket dem
HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. So sollen sagen,
die hungrig und durstig waren und deren Seele verschmachtete, die dann zum
HERRN riefen in ihrer Not und er errettete sie aus ihren Ängsten.« (Psalm 107)
Amen
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