Lichtblick-Predigt von Elfriede Bezold-Löhr
Einsteigen ins Thema
„Wünscht mir
nicht viel Glück im neuen Jahr“, hat jemand in einem Forum im Internet
geschrieben. „Das habt ihr letztes Jahr gemacht und es hat mir nichts gebracht.
Schenkt mir lieber Geld, Alkohol oder Benzingutscheine. Danke.“
„Viel Glück im
Neuen Jahr!“ – steht trotzdem auf der Karte, die mir ein Autohaus zum
Jahreswechsel geschickt hat.
„Viel Glück“ -
was ist das? Kein übermäßiger Stress mit dem Partner? Keine Sechser, wenige Fünfer
und nicht zu viele Vierer der Kinder in der Schule? Unfallfrei durch die
nächsten zwölf Monate kommen? Gesund bleiben – wobei Husten und Schnupfen für
mich nicht als Krankheiten zählen? Ist das alles ‚Glück‘?
Was ich da
genannt habe, macht mir das Leben leichter. Das steht außer Frage. Aber kann ich
es Glück nennen?
Glück muss mehr
sein. Denn es gibt durchaus Leute, die eine gute Partnerschaft leben und sich
trotzdem nicht glücklich schätzen. Es gibt Eltern, deren Kinder nur gute oder
sehr gute Noten heimbringen – aber glücklich scheinen sie trotzdem nicht. Es
gibt viele unter uns, denen überhaupt nichts fehlt, die völlig gesund sind –
und dennoch sehen sie nicht glücklich aus. Ich habe Leute in Tansania
kennengelernt, die spartanisch leben – und doch glücklich zu sein scheinen. Ich
kenne Menschen, die sind selber körperlich behindert oder haben ein behindertes
Kind – und trotzdem spüre ich ihnen Glück ab.
Was ist ‚Glück‘?
Vielleicht hat es mehr mit einer Haltung
zu tun als mit einem Ereignis? Vielleicht geht es auf der Suche nach dem Glück darum,
wie wir das deuten und verstehen, was
wir gerade durchleben?
Die Jahreslosung 2014
Was ist Glück?
Die Jahreslosung, die über diesem Jahr 2014 steht, hilft uns ein großes Stück weiter auf der
Suche nach einer Antwort auf diese Frage.
Für 2014 heißt
sie: „Gott nahe zu sein ist mein Glück.“ (Wer nachschlagen möchte: Der Satz
steht im Psalm mit der Nummer 73, dort ist es der Vers 28.)
Wenn wir jetzt
diesen Satz ganz für sich hören, könnten wir denken: „Ein Glückspilz, wer das
sagen kann. Klingt so entspannt, so positiv und froh: Gott nahe zu sein ist mein Glück. Der hat’s gut. Für ihn scheint alles o.k. zu
sein.“ Wir werden später ein Lied singen, da klingt genau diese entspannte und
frohe Stimmung durch. Es lässt die Zehen wippen und an einen Walzer denken.
Aber an dem
Punkt sind wir nicht. Noch nicht. Die Zehen wippen im besten Fall am Ende der
heutigen Predigt und des heutigen Gottesdienstes J
Genauer hingesehen
Wenn ich genauer
hinsehe, wer das sagt: „Gott nahe zu sein ist mein Glück“, dann erlebe ich eine
handfeste Überraschung. Das ist ein Mensch, der aktuell absolut nicht auf der Sonnenseite des Lebens
steht.
Er schlägt sich gerade
mit der Frage herum, was der Glaube an Gott eigentlich wert ist, wenn der es
erlaubt, dass es den Leuten ohne Glauben an ihn im täglichen Leben oft besser
geht als denjenigen, die jeden Tag neu ihren Glauben zu leben versuchen. Noch
schlimmer: Gerade die, denen Gott völlig egal ist, feiern Erfolg um Erfolg! Es
gibt sie ja – diese Leute, bei denen einfach alles klappt. Womöglich sind sie
sogar noch attraktiv und beliebt.
„So sind sie
alle, die Gott verachten;
Sie häufen Macht
und Reichtum und haben immer Glück.“ (V.12)
Ein verbittertes
Fazit am Ende einer Litanei des Jammers. Der Psalmschreiber ‚kotzt sich‘
regelrecht vor Gott aus. Und dann? Dann beschließt er, dass er im Nebel seiner
Verzweiflung nicht sitzen bleiben will.
„Ich mühte mich
ab, das alles zu verstehen,
aber es schien
mir ganz unmöglich.
Doch dann ---
doch dann kam ich in dein Heiligtum.“ (V.17)
Als ich
verbittert war und innerlich zerrissen, (V.21)
da hatte ich den
Verstand verloren,
wie ein Stück
Vieh stand ich vor dir.“ (V.22)
Unser
Psalmdichter geht in den Tempel. Er geht – in unsere Zeit übersetzt – dorthin,
wo Christen sich treffen. Damit trifft er eine Entscheidung. Er legt für sich
fest: „Nein, ich verzettle mich nicht weiter in meinen Fragen, auf die ich
keine Antwort bekomme. Nein, ich suhle mich nicht weiter selbstmitleidig in
meinem Weltschmerz. Ich will mit anderen Leuten zusammen sein, denen ihr Glaube
wichtig ist. Ich will mich in dieses Netz fallen lassen. Es wird mich in meiner
Zeit der Krise auffangen und tragen.“
Irgendwann ist
er so weit, dass er beten kann:
„Und dennoch
gehöre ich zu dir!
Du hast meine
Hand ergriffen und hältst mich; (23)
Du leitest mich
nach deinem Plan
Und holst mich
am Ende in deine Herrlichkeit. (24)
Wer im Himmel
könnte mir helfen,
wenn nicht du?
Was soll ich mir
noch wünschen auf der Erde?
Ich habe doch
dich! (25)
Auch wenn ich
Leib und Leben verliere,
du, Gott, hältst
mich;
du bleibst mir
für immer! (26)
(…) dir nahe zu
sein ist mein ganzes Glück.
Ich will
weitersagen, was du getan hast. (28)
Was für ein
Sinneswandel. Eine völlig veränderte Sicht auf die Welt spricht aus diesen
Sätzen. Der Blick geht weg von den anderen, die so viel haben, was er nicht
hat. Weg von denen, die so sind, wie er nie sein wird.
‚Ich und du,
Gott‘ – das ist der neue Focus.
Und das, was
zählt, ist eigentlich nur noch, wie ich Gott möglichst nahe sein kann. Wenn ich
das immer wieder für Augenblicke spüre: „Ja, ich bin in Gott geborgen. Ich
weiß, dass er auf meiner Seite ist und dass ich mich auf ihn verlassen kann“ –
dann kann ich mich glücklich schätzen.
Psalm 73 Version
B könnte heißen –
wir singen sie
später mit wippenden Zehen J:
Dir nahe zu sein
ist mein Glück, o Gott,
dir nahe zu sein
ist mein Glück.
Mein Herz findet
Kraft, hat es dich nur im Blick.
Ich setz‘ mein
Vertrauen auf dich.
Dir nahe zu sein
ist mein Glück. Amen.
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