Predigt von Hans Löhr im Lichtblick-Gottesdienst
am 07.07.2013
Dazu Bibelworte aus
den Psalmen 40 und 88 (verschiedene Übersetzungen)
Liebe Freunde,
heute spreche ich zu
Euch über das Thema: „Gott denkt an Dich.” Dazu seht Ihr zunächst ein kleines
Video aus einem afrikanischen Nationalpark, wie Löwen ein Büffelkalb jagen. Das
Video wurde von Touristen aufgenommen und hat deshalb keine gute Qualität. Aber
es ist absolut sehenswert und für mich ein Gleichnis dafür, dass Gott mich auch
in schweren Zeiten nicht vergisst. Und vielleicht ist das, was sich da in
Afrika ereignet hat und die Tatsache, dass wir es jetzt im Gottesdienst als ein
Gleichnis für unseren Glauben sehen, nicht ganz zufällig passiert. Vielleicht
will Gott damit den einen oder anderen von uns jetzt ganz gezielt ansprechen
und stärken. Beweisen kann ich das natürlich nicht. Aber ich halte es für
möglich.
Seht Euch also jetzt
das Video an. Ich werde es kommentieren, um auf die zentralen Punkte aufmerksam
zu machen.
Link (klick) VIDEO (Hier
in Stichworten das Geschehen: Es beginnt alles ganz friedlich und harmlos. Eine
Büffelherde ist auf Nahrungssuche. Sie wird von Löwen beobachtet. Diese legen
sich auf die Lauer. Die Jagd beginnt. Die Löwen haben sich das Büffelkalb
ausgesucht, weil es für sie eine leichte Beute ist. Bei der Jagd treten
Schwierigkeiten auf: Das Kalb fällt ins Wasser. Die Löwen springen hinterher
und versuchen es an Land zu ziehen, um es da zu töten und zu fressen. Plötzlich
taucht ein Krokodil auf, um sich die Beute zu schnappen. Die Löwen können das
Kalb nicht mehr im Wasser töten. Sie müssen sich vor dem Krokodil am Land in
Sicherheit bringen. Doch sie geben ihre Beute nicht auf. Das Kalb wird hin- und
hergerissen zwischen Löwen und Krokodil, zwischen Tod und Teufel. Gemeinsam
sind die Löwen stärker und zerren die Beute an Land. Das Gezerre hat Kraft
gekostet. Die Löwen sind zu erschöpft, um sich sofort über das Kalb her machen
zu können. Sie müssen erst einmal verschnaufen. Doch die Herde hat ihr Kalb
nicht vergessen. Sie kommt zurück. Die Löwen können ihre Beute wieder nicht
töten und fressen. Sie müssen sie erst verteidigen. Doch die Herde lässt sich
nicht einschüchtern. Die starken Bullen greifen an und verscheuchen einen Löwen
nach dem anderen. Da plötzlich steht das Kalb auf und kehrt in den Schutz der
Herde zurück. Es ist gerettet. Der Tod ist verjagt.)
Ich denke, dass
dieser Film auch deshalb so berührt, weil es Zeiten im Leben gibt, wo Du Dich
im Schicksal des kleinen Büffelkalbs wiederfindest, wo ein Unglück das andere
jagt. Ich begegne in unserer Gemeinde immer wieder mal Menschen, die mit
mehreren Schicksalsschlägen gleichzeitig zu kämpfen haben. Ich denke an Manuela
und ihre Familie. Ihren Namen und ihre Geschichte habe ich leicht verfremdet,
damit ihre Privatsphäre geschützt bleibt. In Manuelas Familie hat der Vater Krebs,
die Mutter ist herzkrank, der Mann ist wegen Bandscheibenproblemen längere Zeit
arbeitsunfähig, die Tochter macht in der Pubertät Schwierigkeiten, die
Schwester ist in psychiatrischer Behandlung und mittendrin ist Manuela, die das
alles irgendwie zusammenhalten muss. Vielleicht kommt sie sich manchmal vor wie
dieses Büffelkalb: Gehetzt, gejagt, zwischen verschiedenen Schicksalsschlägen
hin und her gezerrt, in ihrem Lebensglück, in ihrer Existenz bedroht, ohne
Aussicht auf Hilfe.
Wenn den Menschen
der Bibel so etwas widerfahren ist, dann haben sie so gebetet, wie ein gewisser
Hemam im Psalm 88:
Herr, mein Gott, du allein kannst mir noch
helfen! Tag und Nacht schreie ich zu dir!
Höre mein Gebet. Schweres Leid drückt mich
nieder, ich sehe keinen Ausweg mehr. Meine Augen sind vom Weinen ganz
verquollen. Jeden Tag rufe ich zu dir, Herr, im Gebet strecke ich die Hände
nach dir aus. Schon früh am Morgen klage ich dir mein Leid. Warum hast du mich
aufgegeben, Herr?
Und, liebe Freunde,
das Erstaunliche ist, dass sich die Menschen der Bibel in ihrer großen Not eben
nicht von Gott abgewandt, sondern ihn immer wieder im Gebet gesucht haben. Sie
haben ihn sozusagen ständig an sich erinnert, auch wenn es den Anschein hatte,
dass er sie vergessen hatte.
Aber Gott vergisst
nicht! Das behaupte nicht ich, sondern das ist die Erfahrung zahlloser Menschen
bis zum heutigen Tag. Auch das Büffelkalb hat immer wieder in höchster Not die
Herde gerufen, obwohl es scheinbar keine Überlebenschance mehr hatte. Und die
Herde hat es gehört. Sie hat ihr Kalb nicht vergessen. Sie hat die ganze Zeit
daran gedacht und ist zurückgekommen, um es aus dem sicheren Tod zu retten. Und,
liebe Freunde, was eine Büffelherde kann, kann Gott erst recht. Er hörte Deine
Gebete, er denkt an Dich und kennt den richtigen Zeitpunkt, um Dir zu helfen.
Ein Kollege erzählt
diese Geschichte, wie er eines Sonntagmorgens in die nächste Stadt gefahren
ist, um dort Gottesdienst zu halten. Seine Frau ist mit ihrem Auto etwas später
nachgekommen. Beim ersten Lied schaut der Pfarrer in die Gemeinde und wird
unruhig. Wo ist Susanna? Fragt er sich. Er kann Susanna, sein fünfjähriges
Patenkind, nirgends entdecken. Sie war an diesem Wochenende bei ihnen zuhause
allein zu Besuch. Eigentlich hätte seine Frau sie mitbringen sollen. Doch die
ging davon aus, dass Susanna mit ihrem Mann bereits weggefahren war. Während
des Zweiten Liedes verständigt er sich kurz mit seiner Frau. Sie rufen die
Nachbarin an und bitten sie, nach Susanna zu schauen. Als sie eintrifft, sitzt das
Kind ganz ruhig auf der Terrasse und singt ein Lied vor sich hin. „Ja Susanna”,
sagt die Nachbarin, „hattest Du denn gar keine Angst so ganz allein in diesem
Haus?” „Nein, ich weiß doch, dass ihr mich nicht vergessen habt”. Als der
Kollege wieder daheim ist, fragt er seine Patentochter: »Hast Du Dich denn gar
nicht einsam gefühlt?« »Nein, ich hab mir schon gedacht, dass Du zu mir
zurückkommen wirst.«
Später sagte der
Kollege: „Wenn wir nur alle so einen kindlichen Glauben hätten, statt bitter zu
werden und in Selbstmitleid zu versinken, wenn das Leben mal nicht so läuft,
wie wir uns das vorstellen. Wir sollten unsere negativen Gefühle abschütteln,
wenn wir uns vergessen und verlassen fühlen, so wie es die kleine Susanna tat,
und stattdessen sagen: „Ich mach mir keine Sorgen. Ich weiß, Gott denkt an
mich. Ich weiß, es ist nur eine Frage der Zeit bis er auftaucht und eingreift.”
König David sagt
dazu im Psalm 40: »Ich bin hilflos und vom
Leid gebeugt, aber der Herr denkt an mich. Du bist meine Hilfe und mein
Befreier – mein Gott, zögere nicht länger!« (Neue Genfer Übersetzung)
73 mal ist in der
Bibel sinngemäß davon die Rede, dass Gott an uns Menschen denkt. Offenbar haben
wir es nötig, so oft daran erinnert zu werden. Und dass er an uns denkt, ist
noch mehr, als dass er uns nicht vergisst. Wenn Du mit der Bibel sagst „Gott
denkt an mich”, dann heißt das, dass er für Dich da ist, dir Türen öffnet, wo
vorher keine waren und Dich mit seiner Liebe und Güte überrascht.
Nicht umsonst wählt
immer wieder mal das eine oder andere Brautpaar dieses Wort aus dem Psalm 115
zu seinem Trauspruch: »Der Herr denkt an uns und segnet uns«. Die beiden sollten
es nach der Hochzeit mit großen Buchstaben ausdrucken, einrahmen und in ihrer
Wohnung aufhängen. Und dann, wenn neben den guten auch die „bösen Tage“ kommen,
von denen in der Traufrage die Rede ist, sollten sich beide davor stellen und
gemeinsam sagen: »Der Herr denkt an uns und segnet uns.« Auf ihre Probleme
würde ein anderes Licht fallen und, davon bin ich überzeugt, sie könnten
getroster und zuversichtlicher die Herausforderungen annehmen.
Die Bibel erzählt
mehrere Geschichten von Menschen, die in einer ausweglosen Situation waren und
doch daran festgehalten haben, dass Gott an sie denkt. Sie erzählt zum Beispiel
von Ismael, der mit seiner Mutter in die Wüste gejagt worden war, von Josef,
der von seinen Brüdern als Sklave nach Ägypten verkauft worden ist oder von Rahel,
die keine Kinder bekommen konnte. Keinen von ihnen hatte Gott vergessen. Und so
sind sie und ihre Geschichten für uns zum Gleichnis geworden, dass er auch an
uns heute denkt.
Vor einiger Zeit war
ich in einem Altenheim in unserer Region, um eine Frau zu besuchen, die früher
in unserer Pfarrei gelebt hatte. Sie saß allein in ihrem Rollstuhl an einem
Tisch und nachdem Sie mich erkannt hatte, fing sie an zu weinen. Sie war noch
neu im Pflegeheim. Sie fühlte sich noch fremd und allein und hatte Heimweh nach
dem Dorf und dem Haus, in dem sie so lange gelebt hatte. Am Ende meines
Besuches habe ich dann mit ihr gebetet: „Guter Vater im Himmel, Du kennst uns
von klein auf. In Deine Hand hast Du unsere Namen geschrieben, damit Du uns
nicht vergisst. Lass Frau Soundso spüren, dass Du an sie denkst und für sie da
bist.”
Das Büffelkalb,
Manuela mit ihren familiären Problemen, die beiden Psalmbeter Hemam und David, der
verkaufte Josef und die kinderlose Rahel , die kleine Susannah und die Frau im
Pflegeheim – jeder von ihnen musste mit dem Gefühl fertig werden, verlassen und
aufgegeben worden zu sein. Und ich und du hier, wir kennen solche Gefühle auch.
Aber da ist einer,
der an uns denkt und der uns seinen Sohn Jesus geschickt hat, um uns zu sagen,
dass wir nicht verloren sind. Vielleicht bist Du heute aufs Neue daran erinnert
worden. Ja, Gott denkt an Dich und segnet Dich, jetzt in diesem Augenblick und
in der Woche, die vor Dir liegt. Amen
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