Predigttext: Römerbrief
Kapitel 8 Verse 31b-35.37-39
Liebe Freunde,
heute Nacht erlebst du, wie
ein weiteres, neues Jahr anbricht und sich einreiht in die Kette der Jahre, die
hinter dir liegen. Du hast inzwischen schon manchen Jahreswechsel erlebt jenachdem
wie alt du bist. Da waren gute und weniger gute Jahre dabei. Manchmal ist so
ein Jahr ohne besondere Aufregung vergangen. Manchmal hattest du Höhepunkte wie
vielleicht damals als du deine Frau oder deinen Mann kennengelernt hast, als
ihr geheiratet habt, als ihr euer Haus gebaut und bezogen habt, als die Kinder
oder Enkel gekommen sind, als du beruflich erfolgreich warst.
Aber da war gewiss auch das
eine oder andere Jahr dabei, in dem du mit Schwierigkeiten zu kämpfen hattest,
sei es mit einer Krankheit oder mit Problemen in der Partnerschaft oder in der
Familie oder am Arbeitsplatz und so weiter. Ja, manchmal ist das Leben ein
langer ruhiger Fluss, in dem man dahintreibt. Manchmal aber muss man kämpfen,
dass man im Auf und Ab der Zeiten nicht untergeht.
Und du bist nicht
untergegangen. Du bist wohl in den unvermeidlichen Kämpfen an Leib und Seele verletzt
worden. Manche sichtbare oder unsichtbare Narbe erinnert dich daran. Du hast
auch nicht immer gesiegt. Aber du bist nicht untergegangen. Und das ist Sieg
genug.
Ja, wir sind auch heute
wieder da, um Gott für seine Hilfe und seinen Schutz im alten Jahr zu danken
und ihn zu bitten, das auch 2017 zu tun. Aber jeder von uns weiß auch, dass er
das Seine dazu beitragen muss. Und wenn es wieder schwierig werden sollte, dann
muss jeder von uns auch wieder von neuem kämpfen, ob er will oder nicht. Wird
uns dann unser Glaube helfen?
Das Bibelwort für die heutige Silvesterpredigt stammt
von einem großen Kämpfer, der viel aushalten musste, vom Apostel Paulus. Wir
haben es vorhin schon einmal in der Lesung gehört. Paulus schreibt: »Was könnte uns von Christus und seiner Liebe
trennen? Leiden und Angst vielleicht? Verfolgung? Hunger? Armut? Gefahr oder
gewaltsamer Tod? Mitten im Leid triumphieren wir über alles durch die
Verbindung mit Christus, der uns so geliebt hat. - Denn ich bin ganz
sicher: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch finstere Mächte, weder
Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch irgendwelche Gewalten, weder Hohes
noch Tiefes oder sonst irgendetwas kann uns scheiden von der Liebe Gottes,
die in Jesus Christus ist, unserem Herrn.«
Das ist die gute Nachricht,
die Paulus an möglichst viele Menschen weitergeben wollte. Deswegen ist er
damals durch das große römische Reich und seine Provinzen gereist, meistens zu
Fuß, manchmal mit dem Schiff. Dafür hat er mehrmals sein Leben riskiert. Er
schreibt darüber in einem seiner Briefe:
»Ich bin im Gefängnis gewesen und ausgepeitscht worden. Unzählige Male
hatte ich den Tod vor Augen. Fünfmal habe ich von den Juden je neununddreißig
Schläge erhalten. Dreimal wurde ich von
den Römern ausgepeitscht, und einmal hat man mich gesteinigt. Dreimal habe ich
Schiffbruch erlitten; einmal trieb ich sogar einen Tag und eine ganze Nacht
hilflos auf dem Meer. Auf meinen vielen Reisen bin ich immer wieder in Gefahr
geraten durch reißende Flüsse und durch Räuber. Gefahr drohte mir von meinem
eigenen Volk ebenso wie von den Nichtjuden. In den Städten wurde ich verfolgt,
in der Wüste und auf dem Meer bangte ich um mein Leben. Und wie oft wollten
mich falsche Brüder verraten! Mein Leben bestand aus Mühe und Plage, aus
durchwachten Nächten, aus Hunger und Durst. Ich habe oft gefastet und war
schutzlos der Kälte ausgesetzt.«
Das alles hat Paulus erlebt.
Mit allen diesen Problemen hat er kämpfen und sich herumschlagen müssen und
dabei doch die Erfahrung gemacht: Alle diese Leiden haben mich von der Liebe
Gottes nicht trennen können.
Was könnte das für uns heute
bedeuten?
Wohl jeder wünscht sich, dass
er im neuen Jahr von Krisen und Katastrophen aller Art verschont werde. Und so
beten heute die Gläubigen überall da, wo man den Jahreswechsel feiert, dass
Gott sie verschonen und beschützen möchte.
Selbst wer nicht glaubt, hält
heute nach irgendwelchen glücksverheißenden Zeichen Ausschau und wünscht sich etwas,
wenn er eine Sternschnuppe sieht oder hofft beim Bleigießen heute Abend auf
Gebilde, die er positiv deuten kann.
Auf jeden Fall lassen wir uns
alle heute Nacht beim Jahreswechsel ein gutes neues Jahr wünschen, noch besser,
ein gesundes und am besten ein von Gott gesegnetes neues Jahr. Und wir hoffen,
dass sich diese guten Wünsche erfüllen möchten.
Der Apostel Paulus, von dem
wir schon gehört haben, ist da realistischer und nüchterner. Er weiß, dass wir
nicht im Paradies leben. So hofft er auch nicht darauf, dass schon nichts
Schlimmes passieren möge. Ihm ist klar, dass es für jeden Menschen gute und
schlechte Zeiten gibt, Glück und Unglück, Freude und Leid. Und darum betet er
eigenartigerweise nicht: „Gott verschone uns vor all den möglichen
Katastrophen.“ Stattdessen bereitet er alle, die seine Worte hören, auf
kommende Krisen vor und stärkt dazu ihren Glauben. Er tut das mit Worten, die
heute noch wirksam sind und die auch meinen Glauben prägen und stärken.
Er sagt sinngemäß:
„Ich weiß doch, was alles auf
mich einstürmen kann. Ich weiß auch, dass ich den bösen Mächten und Kräften
nicht gewachsen bin. Ich weiß, dass ich in dieser unerlösten Welt mit großen Schwierigkeiten
werde kämpfen müssen, mit Leiden, Angst und allerlei Gefahren. Vielleicht droht
mir sogar ein gewaltsamer Tod von denen, die mich wegen meines Glaubens
verfolgen. Das alles kann sein. Aber deswegen gerate ich nicht in Panik.
Aber, so Paulus, ich kann
auch allem anderen gefasst entgegensehen, was mir möglicherweise zu schaffen
machen wird. Denn auf meiner Seite steht Gott, der Vater, der Allmächtige, der
Schöpfer des Himmels und der Erde. Von ihm habe ich nichts zu befürchten. Seine
Liebe zu mir ist stärker als alles, was mich bedroht. Er kann mich vor dem
Bösen bewahren. Er muss es aber nicht tun. Vielleicht muss ich ins Wasser der
Angst und durch das Feuer der Leiden. Vielleicht komme ich mit dem Glauben und
mit dem Gottvertrauen an meine Grenzen. Vielleicht muss ich gar sterben.
Aber da ist eine Sache, die
gilt und bleibt. Da ist etwas, was unzerstörbar ist, was keine Macht der Welt,
sie sei gut oder böse ändern kann. Da ist etwas, das mir Kraft gibt, jeden
Kampf mit jeder Macht aufzunehmen und noch in der Niederlage den Kopf oben zu
behalten.
Da ist, dass mich nichts,
aber auch gar nichts von Gottes Liebe trennen kann, nichteinmal der Tod. In seiner Liebe bin ich geborgen. Durch
seine Liebe bin ich gerettet. Weil Gott mich liebt, werde ich bei ihm bleiben
in diesem wie in jenem Leben, wird schließlich und endlich alles gut.
Das sagt Paulus. Damit das besser
zu verstehen ist, habe ich jetzt eine Frage:
Liebe Freunde, wo stehen
Männer für Männer auf, um ihnen Beifall zu klatschen? Na klar,
im Fußballstadion. Und was
das Besondere ist, manchmal tun sie das obwohl ihre Mannschaft verloren hat.
Nehmen wir zum Beispiel den
FC Freiburg, eine Bundesligamannschaft, die Jahr für Jahr gegen den Abstieg
kämpft. Die in der Regel keine besonders guten Spieler hat, weil der Verein sie
sich nicht leisten kann. Und doch kann sich diese Mannschaft in der ersten Liga
halten. Und wenn sie doch einmal absteigen muss, dann steigt sie bald darauf wieder
auf. Das liegt an ihrem guten Trainer. Das liegt aber zu einem erheblichen Teil
auch an ihren Fans, die ihre Mannschaft lieben und sie mit großer Leidenschaft
anfeuern.
Doch dann kommt es eben immer
wieder vor, dass die Mannschaft gegen stärkere Gegner verliert. Wenn dann aber
die Zuschauer merken, dass die Spieler trotzdem bis zur letzten Minute und bis
zum Umfallen kämpfen, dass sie sich gegen die drohende Niederlage stemmen auch
dann noch, wenn sie aussichtslos zurückliegen; wenn die Zuschauer das merken
und mit ihrer Mannschaft mitfiebern und mit leiden, dann lassen sie sie auch
nach einer schmerzlichen Niederlage nicht im Stich. Dann kann auch eine
Niederlage ihrer Liebe nichts anhaben. Dann erheben sie sich von ihren Plätzen,
feiern ihre Helden und spenden ihnen stehend Applaus. Dann können die Spieler
trotz einer Niederlage erhobenen Hauptes vom Platz gehen.
Paulus hat das auf seine
Weise mit Gott erlebt. „Ich bin sicher“, schreibt er, „dass mich all die
Schwierigkeiten, mit denen ich in meinem Leben kämpfen muss, dass mich auch
meine Niederlagen nicht von Gottes Liebe trennen können, die sich in Jesus
Christus zeigt.“
Das ist es, was ihn getragen
hat, was ihm immer wieder die Kraft gegeben hat, gegen alle Widerstände
anzukämpfen und nicht aufzugeben.
Und so will uns heute Abend
die Bibel Mut machen, dass wir mit diesem Gottvertrauen vom alten in das neue
Jahr wandern und die Herausforderungen annehmen, die uns da erwarten. Ja, jeder
von uns wird immer auch wieder kämpfen müssen. Und einmal werden wir auch den
Kampf verlieren, weil wir gegen den Tod keine Chance haben. Aber auch dann,
liebe Freunde, lasst uns mit erhobenem Kopf in diesen letzten Kampf gehen und
nicht eher aufgeben als bis das Spiel abgepfiffen ist. Gott ist es, der das
Spiel unseres Lebens beendet. Und niemand sonst. Und bis es soweit ist, wird weiter
gespielt und weiter gekämpft und weiter gelebt. Und wenn du dann das Spielfeld
verlassen, wenn du diese Welt verlassen wirst, dann werden sich die Engel
erheben und dir applaudieren für deinen tapferen Kampf und deinen treuen
Glauben. Standing ovations, Beifall im Stehen für dich.
Ja, du und ich, wir haben
allen Grund zur Zuversicht auch was das neue Jahr betrifft, weil uns nichts von
Gottes Liebe trennen kann.
Heute Nacht erlebst du, wie
ein weiteres, neues Jahr anbricht und sich einreiht in die Kette der Jahre, die
hinter dir liegen. Du hast bisher schöne und schwierige Zeiten gehabt, du hast
genießen können und hast kämpfen müssen. Doch niemals in der ganzen Zeit hat
dich Gott verlassen. Das gilt auch jetzt. Das gilt auch morgen. An diesem
Glauben will ich mit dir festhalten.
Amen
Ich bedanke mich bei Ihnen / dir für das bisherige Interesse an den Losungsauslegungen und wünsche Gottes Segen im neuen Jahr!
Hans Löhr
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