Sonntag, 1. Januar 2017

Standing Ovations - Beifall im Stehen. Silvesterpredigt hl

Predigttext: Römerbrief Kapitel 8 Verse 31b-35.37-39

Liebe Freunde,

heute Nacht erlebst du, wie ein weiteres, neues Jahr anbricht und sich einreiht in die Kette der Jahre, die hinter dir liegen. Du hast inzwischen schon manchen Jahreswechsel erlebt jenachdem wie alt du bist. Da waren gute und weniger gute Jahre dabei. Manchmal ist so ein Jahr ohne besondere Aufregung vergangen. Manchmal hattest du Höhepunkte wie vielleicht damals als du deine Frau oder deinen Mann kennengelernt hast, als ihr geheiratet habt, als ihr euer Haus gebaut und bezogen habt, als die Kinder oder Enkel gekommen sind, als du beruflich erfolgreich warst.
Aber da war gewiss auch das eine oder andere Jahr dabei, in dem du mit Schwierigkeiten zu kämpfen hattest, sei es mit einer Krankheit oder mit Problemen in der Partnerschaft oder in der Familie oder am Arbeitsplatz und so weiter. Ja, manchmal ist das Leben ein langer ruhiger Fluss, in dem man dahintreibt. Manchmal aber muss man kämpfen, dass man im Auf und Ab der Zeiten nicht untergeht.
Und du bist nicht untergegangen. Du bist wohl in den unvermeidlichen Kämpfen an Leib und Seele verletzt worden. Manche sichtbare oder unsichtbare Narbe erinnert dich daran. Du hast auch nicht immer gesiegt. Aber du bist nicht untergegangen. Und das ist Sieg genug.
Ja, wir sind auch heute wieder da, um Gott für seine Hilfe und seinen Schutz im alten Jahr zu danken und ihn zu bitten, das auch 2017 zu tun. Aber jeder von uns weiß auch, dass er das Seine dazu beitragen muss. Und wenn es wieder schwierig werden sollte, dann muss jeder von uns auch wieder von neuem kämpfen, ob er will oder nicht. Wird uns dann unser Glaube helfen?

Das Bibelwort für die heutige Silvesterpredigt stammt von einem großen Kämpfer, der viel aushalten musste, vom Apostel Paulus. Wir haben es vorhin schon einmal in der Lesung gehört. Paulus schreibt: »Was könnte uns von Christus und seiner Liebe trennen? Leiden und Angst vielleicht? Verfolgung? Hunger? Armut? Gefahr oder gewaltsamer Tod? Mitten im Leid triumphieren wir über alles durch die Verbindung mit Christus, der uns so geliebt hat. - Denn ich bin ganz sicher: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch finstere Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch irgendwelche Gewalten, weder Hohes noch Tiefes oder sonst irgendetwas kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserem Herrn
Das ist die gute Nachricht, die Paulus an möglichst viele Menschen weitergeben wollte. Deswegen ist er damals durch das große römische Reich und seine Provinzen gereist, meistens zu Fuß, manchmal mit dem Schiff. Dafür hat er mehrmals sein Leben riskiert. Er schreibt darüber in einem seiner Briefe:
»Ich bin im Gefängnis gewesen und ausgepeitscht worden. Unzählige Male hatte ich den Tod vor Augen. Fünfmal habe ich von den Juden je neununddreißig Schläge erhalten.  Dreimal wurde ich von den Römern ausgepeitscht, und einmal hat man mich gesteinigt. Dreimal habe ich Schiffbruch erlitten; einmal trieb ich sogar einen Tag und eine ganze Nacht hilflos auf dem Meer. Auf meinen vielen Reisen bin ich immer wieder in Gefahr geraten durch reißende Flüsse und durch Räuber. Gefahr drohte mir von meinem eigenen Volk ebenso wie von den Nichtjuden. In den Städten wurde ich verfolgt, in der Wüste und auf dem Meer bangte ich um mein Leben. Und wie oft wollten mich falsche Brüder verraten! Mein Leben bestand aus Mühe und Plage, aus durchwachten Nächten, aus Hunger und Durst. Ich habe oft gefastet und war schutzlos der Kälte ausgesetzt
Das alles hat Paulus erlebt. Mit allen diesen Problemen hat er kämpfen und sich herumschlagen müssen und dabei doch die Erfahrung gemacht: Alle diese Leiden haben mich von der Liebe Gottes nicht trennen können.

Was könnte das für uns heute bedeuten?
Wohl jeder wünscht sich, dass er im neuen Jahr von Krisen und Katastrophen aller Art verschont werde. Und so beten heute die Gläubigen überall da, wo man den Jahreswechsel feiert, dass Gott sie verschonen und beschützen möchte.
Selbst wer nicht glaubt, hält heute nach irgendwelchen glücksverheißenden Zeichen Ausschau und wünscht sich etwas, wenn er eine Sternschnuppe sieht oder hofft beim Bleigießen heute Abend auf Gebilde, die er positiv deuten kann.
Auf jeden Fall lassen wir uns alle heute Nacht beim Jahreswechsel ein gutes neues Jahr wünschen, noch besser, ein gesundes und am besten ein von Gott gesegnetes neues Jahr. Und wir hoffen, dass sich diese guten Wünsche erfüllen möchten.
Der Apostel Paulus, von dem wir schon gehört haben, ist da realistischer und nüchterner. Er weiß, dass wir nicht im Paradies leben. So hofft er auch nicht darauf, dass schon nichts Schlimmes passieren möge. Ihm ist klar, dass es für jeden Menschen gute und schlechte Zeiten gibt, Glück und Unglück, Freude und Leid. Und darum betet er eigenartigerweise nicht: „Gott verschone uns vor all den möglichen Katastrophen.“ Stattdessen bereitet er alle, die seine Worte hören, auf kommende Krisen vor und stärkt dazu ihren Glauben. Er tut das mit Worten, die heute noch wirksam sind und die auch meinen Glauben prägen und stärken.
Er sagt sinngemäß:
„Ich weiß doch, was alles auf mich einstürmen kann. Ich weiß auch, dass ich den bösen Mächten und Kräften nicht gewachsen bin. Ich weiß, dass ich in dieser unerlösten Welt mit großen Schwierigkeiten werde kämpfen müssen, mit Leiden, Angst und allerlei Gefahren. Vielleicht droht mir sogar ein gewaltsamer Tod von denen, die mich wegen meines Glaubens verfolgen. Das alles kann sein. Aber deswegen gerate ich nicht in Panik.
Aber, so Paulus, ich kann auch allem anderen gefasst entgegensehen, was mir möglicherweise zu schaffen machen wird. Denn auf meiner Seite steht Gott, der Vater, der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erde. Von ihm habe ich nichts zu befürchten. Seine Liebe zu mir ist stärker als alles, was mich bedroht. Er kann mich vor dem Bösen bewahren. Er muss es aber nicht tun. Vielleicht muss ich ins Wasser der Angst und durch das Feuer der Leiden. Vielleicht komme ich mit dem Glauben und mit dem Gottvertrauen an meine Grenzen. Vielleicht muss ich gar sterben.
Aber da ist eine Sache, die gilt und bleibt. Da ist etwas, was unzerstörbar ist, was keine Macht der Welt, sie sei gut oder böse ändern kann. Da ist etwas, das mir Kraft gibt, jeden Kampf mit jeder Macht aufzunehmen und noch in der Niederlage den Kopf oben zu behalten.
Da ist, dass mich nichts, aber auch gar nichts von Gottes Liebe trennen kann, nichteinmal der Tod. In seiner Liebe bin ich geborgen. Durch seine Liebe bin ich gerettet. Weil Gott mich liebt, werde ich bei ihm bleiben in diesem wie in jenem Leben, wird schließlich und endlich alles gut.

Das sagt Paulus. Damit das besser zu verstehen ist, habe ich jetzt eine Frage:
Liebe Freunde, wo stehen Männer für Männer auf, um ihnen Beifall zu klatschen? Na klar,
im Fußballstadion. Und was das Besondere ist, manchmal tun sie das obwohl ihre Mannschaft verloren hat.
Nehmen wir zum Beispiel den FC Freiburg, eine Bundesligamannschaft, die Jahr für Jahr gegen den Abstieg kämpft. Die in der Regel keine besonders guten Spieler hat, weil der Verein sie sich nicht leisten kann. Und doch kann sich diese Mannschaft in der ersten Liga halten. Und wenn sie doch einmal absteigen muss, dann steigt sie bald darauf wieder auf. Das liegt an ihrem guten Trainer. Das liegt aber zu einem erheblichen Teil auch an ihren Fans, die ihre Mannschaft lieben und sie mit großer Leidenschaft anfeuern.
Doch dann kommt es eben immer wieder vor, dass die Mannschaft gegen stärkere Gegner verliert. Wenn dann aber die Zuschauer merken, dass die Spieler trotzdem bis zur letzten Minute und bis zum Umfallen kämpfen, dass sie sich gegen die drohende Niederlage stemmen auch dann noch, wenn sie aussichtslos zurückliegen; wenn die Zuschauer das merken und mit ihrer Mannschaft mitfiebern und mit leiden, dann lassen sie sie auch nach einer schmerzlichen Niederlage nicht im Stich. Dann kann auch eine Niederlage ihrer Liebe nichts anhaben. Dann erheben sie sich von ihren Plätzen, feiern ihre Helden und spenden ihnen stehend Applaus. Dann können die Spieler trotz einer Niederlage erhobenen Hauptes vom Platz gehen.

Paulus hat das auf seine Weise mit Gott erlebt. „Ich bin sicher“, schreibt er, „dass mich all die Schwierigkeiten, mit denen ich in meinem Leben kämpfen muss, dass mich auch meine Niederlagen nicht von Gottes Liebe trennen können, die sich in Jesus Christus zeigt.“
Das ist es, was ihn getragen hat, was ihm immer wieder die Kraft gegeben hat, gegen alle Widerstände anzukämpfen und nicht aufzugeben.
Und so will uns heute Abend die Bibel Mut machen, dass wir mit diesem Gottvertrauen vom alten in das neue Jahr wandern und die Herausforderungen annehmen, die uns da erwarten. Ja, jeder von uns wird immer auch wieder kämpfen müssen. Und einmal werden wir auch den Kampf verlieren, weil wir gegen den Tod keine Chance haben. Aber auch dann, liebe Freunde, lasst uns mit erhobenem Kopf in diesen letzten Kampf gehen und nicht eher aufgeben als bis das Spiel abgepfiffen ist. Gott ist es, der das Spiel unseres Lebens beendet. Und niemand sonst. Und bis es soweit ist, wird weiter gespielt und weiter gekämpft und weiter gelebt. Und wenn du dann das Spielfeld verlassen, wenn du diese Welt verlassen wirst, dann werden sich die Engel erheben und dir applaudieren für deinen tapferen Kampf und deinen treuen Glauben. Standing ovations, Beifall im Stehen für dich.
Ja, du und ich, wir haben allen Grund zur Zuversicht auch was das neue Jahr betrifft, weil uns nichts von Gottes Liebe trennen kann.
Heute Nacht erlebst du, wie ein weiteres, neues Jahr anbricht und sich einreiht in die Kette der Jahre, die hinter dir liegen. Du hast bisher schöne und schwierige Zeiten gehabt, du hast genießen können und hast kämpfen müssen. Doch niemals in der ganzen Zeit hat dich Gott verlassen. Das gilt auch jetzt. Das gilt auch morgen. An diesem Glauben will ich mit dir festhalten.

Amen

Ich bedanke mich bei Ihnen / dir für das bisherige Interesse an den Losungsauslegungen und wünsche Gottes Segen im neuen Jahr!
Hans Löhr

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