Predigt von Hans Löhr am Sonntag Estomihi, 11.02.2018
Predigttext Psalm 31,2-4 = Sonntagspsalm.
Liebe Gemeinde,
ich möchte euch heute mal ein Kompliment machen. Jedem von euch hat es schon mal in seinem Leben den Boden unter den Füßen weggezogen. Und trotzdem hast du dich wieder aufgerappelt, hast vielleicht die Zähne zusammenbeißen müssen, aber du hast weitergemacht. Hast dich nicht aufgegeben. Und auch darum bist du heute Morgen hier.
Gründe, warum jeder schon mal am Ende war, gibt es viele: Vielleicht war es eine schlechte Nachricht vom Arzt. Vielleicht der Tod eines Menschen, dem du nahegestanden hattest? Vielleicht ein Unfall? Vielleicht war es eine Scheidung? Oder es waren Probleme auf der Arbeit, mit den Kindern, mit dem Alkohol oder dem Geld? Oder mehrere auf einmal.
Manches tut dir vielleicht heute noch weh. Von manchem sind Narben auf deiner Seele zurückgeblieben. Aber du hast dich nicht unterkriegen lassen. Du hast auch nicht deinen Glauben aufgegeben, sondern bist auch heute wieder in die Kirche gekommen, um deinem Gott nahe zu sein, um ihm dein Lied zu singen, von ihm zu hören, getröstet zu werden und ihm zu sagen, was du auf dem Herzen hast.
Und in diesem deinen Glauben will ich dich heute wieder bestärken mit Worten aus dem Wochenpsalm, von dem wir schon im Introitus ein paar Verse gesprochen haben. Sie sollen dir die innere Kraft geben, auch weiterhin die Herausforderungen, die auf dich zukommen, anzunehmen und zu bewältigen.
Höre dazu die Bibelworte für diese Predigt aus Psalm 31:
HERR, auf dich traue ich, lass mich nimmermehr zuschanden werden. Errette mich durch deine Gerechtigkeit! Neige deine Ohren zu mir, hilf mir eilends! Denn du bist mein Fels und meine Burg,… du bist meine Stärke.
Der diesen Psalm betet, ist kein Schwächling, kein armer Schlucker, kein ohnmächtiger, unbedeutender, kleiner Mann. König David höchstpersönlich betet diesen Psalm. Ja, auch so ein mächtiger Mann wie er hat es nicht nur einmal erlebt, dass ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Er musste mehrmals um sein Leben fürchten und sah keinen anderen Ausweg als sich zu Gott zu flüchten, die Hände zu falten und zu beten: »Herr, auf dich vertraue ich, lass mich nicht umkommen!«
Damit sind wir schon beim entscheidenden Punkt. Wohin soll ich mich den flüchten, wenn ich von Sorgen und Problemen bedrängt werde? Ja, es ist gut, wenn ich einen Menschen habe, dem ich davon erzählen kann. Aber nicht jedem kann man alles erzählen. Und wem möchte man schon seine Schwäche zeigen, seinen Schmerz, seine Tränen?
David sagt zu Gott: „Du bist mein Zufluchtsort, meine Burg, wohin ich fliehen kann, wo ich sicher bin, wo ich ausruhen kann und schwach sein darf.“ Und er ist ganz sicher, dass die Tore der Gottesburg für ihn offenstehen.
Jetzt frage ich dich: Bist auch du sicher, dass diese Tore für dich offenstehen, dass du jederzeit zu Gott fliehen kannst und bei ihm Zugang hast? Oder wirst du am Burgtor erst einmal geprüft, ob du auch würdig bist, eingelassen zu werden? Wie wird dann diese Prüfung ausfallen?
David hat sich solche Fragen auch gestellt. Und darauf eine eindeutige Antwort gefunden. Er sagt »Errette mich, Gott, durch deine Gerechtigkeit!« Es kommt also nicht auf David an, es kommt nicht auf dich an, ob du für Gottes Hilfe würdig bist. Egal was in deinem Leben bisher war, egal, ob du versagt hast oder dich schuldig fühlst, - schlage dir alle deine Bedenken aus dem Kopf. Gott wird dir helfen wie er dir auch schon bisher geholfen hat, aber nur aus dem einzigen Grund, weil er barmherzig ist.
In den Gesetzbüchern der Menschen ist genau aufgeschrieben, welche Strafen es für welche Vergehen gibt. So versuchen die menschlichen Richter, der irdischen Gerechtigkeit Genüge zu tun. Im Gesetzbuch Gottes steht nur ein einziges Wort, nach dem er urteilt und richtet. Da steht in goldenen Buchstaben: Barmherzigkeit. Und damit wird er dir und mir gerecht.
»Sei mir ein starker Fels, eine Burg, dass du mir helfest!« – So betet David in seinem Psalm. Was könnte denn dieser Felsen, was könnte denn diese Burg heute für dich sein? Wohin kannst du dich zurückziehen, wenn das Böse in dein Leben einbricht?
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mal als Kind auf der Flucht vor meinem großen Bruder war. Ich weiß nicht mehr, warum er so wütend auf mich war. Wahrscheinlich war er im Recht. Aber mir war damals klar: Wenn er mich jetzt erwischt, kriege ich eine Tracht Prügel. Ich bin also gerannt so schnell ich konnte. Im Fränkischen sagt man „gewetzt“. In Reichweite war ein kleines Wäldchen mit jungen Bäumen. Instinktiv bin ich da hineingerannt und auf den erstbesten Baum geklettert. Mein Bruder war zwar stärker als ich. Aber ich konnte besser klettern als er, viel besser, fast wie ein Eichhörnchen. Und so bin ich in Windeseile diesen dünnen Baum hochgeklettert. Mein Bruder mir nach. Jetzt hatte ich nur noch eine Chance, so hoch wie möglich zu steigen und meinem Bruder damit klarzumachen: ‚Wenn du mir jetzt auch noch folgst, wird die Baumspitze abbrechen und wir beide werden fünf, sechs Meter in die Tiefe stürzen.‘ Das hat tatsächlich geholfen. Unter lauten Verwünschungen und Drohungen stieg er wieder hinunter. Ich blieb aber noch einige Zeit da oben in meiner schwankenden ‚Burg‘ aus Laub und dünnen Ästen, bis ich sicher war, dass er sich verzogen hatte.
Aus Lebensbeschreibungen mancher Menschen, die Schlimmes durchgemacht haben, weiß ich, dass sie sich in Leid und Bedrängnis, in Kummer und Schmerz in ihr Innerstes zurückgezogen haben, dorthin, wo ihre Peiniger sie nicht erreichen konnten. Sie hatten tief in sich einen Ort, wo sie sich geborgen fühlten, weil sie da Gott begegnet sind. So war es zum Beispiel auffällig, dass gläubige Menschen die KZs der Nationalsozialisten besser überstanden haben als andere. Sie haben sich innerlich nicht brechen lassen. Sie konnten der Macht ihrer Schergen mit ihren seelischen Kräften widerstehen.
Wenn einer sich in sein Innerstes zurückzieht, ist das so ähnlich wie bei einem Wirbelsturm. Wo er wütet, ist er eine große Gefahr und bringt viel Leid und Zerstörung mit sich. Aber mitten in diesem Sturm ist eine windstille Zone, das sogenannte Auge des Hurrikans. Da kannst du erst mal aufatmen und dir einen sicheren Platz suchen, wenn alsbald der Sturm wieder über dich hinwegfegen wird.
David hat sich so in sein Innerstes zurückgezogen. Da hat er gebetet und sich vergewissert, dass er in Gott geborgen ist. Das war seine Burg, sein Auge im Sturm, sein Baum, auf den er sich geflüchtet hatte. Und du und ich, wir können das auch. Auch du hast diesen Zufluchtsort, wenn Böses in dein Leben einbricht. Tief in dir begegnet dir Gott im Gebet und gibt dir Kraft, zu widerstehen und deine Last zu tragen.
Mach es dann wie David. Frage dich nicht erst lang, ob Gott dir wirklich hilft. Zweifle nicht, ob er tatsächlich deine Burg ist und dich schützt. Sondern schau vertrauensselig zu ihm auf und sage „Auf dich traue ich, denn du bist mein letzter Halt. Auf dich verlasse ich mich, weil ich allein nicht die Kraft habe, durchzuhalten.“ Und dann füge treuherzig hinzu: „Denn du, Herr, bist mein Fels und meine Burg und meine Stärke.“
Liebe Freunde, in der Menschenwelt muss man vorsichtig sein, ob man vertrauensselig und treuherzig sein kann. Doch vor Gott sind das genau die Eigenschaften, mit denen du sein Herz gewinnst.
Und so möchte ich dir heute Morgen ein Kompliment machen, dass du dich bisher durchs Leben gekämpft hast, manchmal mit zusammen gebissenen Zähnen, manchmal unter Tränen und dass du bei allem, was schwer für dich war und vielleicht auch jetzt ist, an Gott festgehalten hast. Tu das weiterhin. Denn in Jesus begegnet dir Gott als der Barmherzige, der hilft und vergibt, der dich rettet und beschützt. Amen
HL
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen