Sonntag, 12. Mai 2024

Weide meine Lämmer hl

Losung: Gott, du hast uns geprüft und geläutert, wie das Silber geläutert wird. Psalm 66,10

Lehrtext: Ein drittes Mal fragte Jesus: Simon, Sohn von Johannes, liebst du mich? Petrus wurde traurig, weil er ihn ein drittes Mal fragte: Liebst du mich? Er sagte zu ihm: Herr, du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich liebe! Jesus sagte zu ihm: Sorge für meine Schafe! Johannes 21,17

Liebe Leserin, lieber Leser, 

»Weide meine Lämmer, sorge für meine Schafe!« – Das ist der Auftrag, den Jesus seinem Jünger Petrus und durch ihn seiner Kirche gibt. Sie, also die Geistlichen, sollen Jesu Schafe auf der grünen Aue des Gottvertrauens weiden und zum frischen Wasser der Hoffnung führen. Sie sollen die Seelen der Gläubigen erquicken mit der Botschaft von Gottes bedingungsloser Liebe in Jesus Christus. Und sie sollen ihnen Orientierung geben, wie sie ihren Weg durchs Leben finden. Und wenn die Zeit des „finsteren Tales“ (Psalm 23,4) kommt, sollen die Pastoren, auf Deutsch die Hirten, die Schafe beschützen, begleiten und nicht von ihnen weichen. 
     Und darum frage ich jetzt: Sind wir, die Pfarrerinnen und Pfarrer, solche guten Hirten und Hirtinnen, die Jesu Lämmer weiden, die für seine Schafe sorgen? Und wenn ja, was macht uns dazu?
Was den Pfarrer / die Pfarrerin ausmacht
     Dem Wort Jesu aus dem Lehrtext zufolge ist der ein guter Hirte, der ihn liebt. Das ist das Erste und Wichtigste, was einen Menschen zu einem Seelenhirten macht, also zu einem Pfarrer oder einer Pfarrerin. Nicht weniger wichtig ist, dass er oder sie die Menschen liebt, die ihm bzw. ihr anvertraut sind. Ein Theologiestudium aber, die praktische Ausbildung im Vikariat, das Amt, der Titel,  die Erlaubnis einer Kirchenbehörde, – das alles macht noch keinen guten Pfarrer, keine gute Pfarrerin. 
     Auch Petrus hatte das alles nicht als Jesus ihn fragte: »Liebst du mich?« Zu einem Seelenhirten gehört auch nicht zwingend ein astreiner, moralischer Lebenswandel und keine nachweisbaren Erfolge. Petrus hatte noch wenige Tage zuvor versagt, als er Jesus dreimal verleugnete. Er war ein Großsprecher, der seinen Worten keine Taten folgen ließ. Im Grunde genommen war er nach menschlichen Maßstäben ungeeignet, die Lämmer Jesu zu weiden. Aber der Herr suchte sich gerade ihn aus, diesen Menschen mit seinen Schwächen. Er gab ihm eine zweite Chance und Petrus dankte es ihm und liebte ihn dafür. Dreimal hatte er Jesus verleugnet. Dreimal wurde er von Jesus gefragt: Liebst du mich? Dreimal sagte Petrus ja.
     Wer von uns Pfarrerinnen und Pfarrern kann ein solches dreifaches Ja sagen? Das erst wäre die richtige Ordination, die richtige Beauftragung zum Dienst des Hirten. Damit du mich nicht falsch verstehst, ich glaube schon, dass ein Pfarrer bzw. eine Pfarrerin eine solide Ausbildung braucht und zum Gemeindedienst befähigt sein muss. Aber das alles hat keinen Wert, wenn er oder sie Jesus nicht liebt. Das erst macht ihn zu einem Hirten, der von ihm berufen ist, seine Lämmer zu weiden.
Hirte oder Mietling? (Johannes 10,12)
Heinrich Böll beklagt in seinem Roman „Billard um halb Zehn“, dass viele Amtshirten in der Zeit des Nationalsozialismus die Lämmer Jesu im Stich gelassen haben, als sie von den Nazi-Wölfen verfolgt und getötet wurden. Dazu gehörten damals nicht nur Christen, die sich nicht gleichschalten lassen wollten, sondern behinderte Kinder, auch Juden, Zigeuner, Homosexuelle und politisch Verfolgte. Dazu gehörten auch die verführten Soldaten, die in einem sinnlosen Krieg verheizt wurden, die zivilen Opfer des Bombenkrieges, die Verwundeten, die Vertriebenen … Dazu gehören alle, die heute wieder „kriegstüchtig“ gemacht werden sollen.  Auch sie sind „Lämmer Jesu“. Jeder Mensch, der in Not ist, ist sein Lamm. Denn jeder, ob gläubig oder nicht, ist Gottes Kind, von ihm geschaffen, geliebt und erlöst mit dem Recht, sich seines Lebens zu freuen.
     „Weide mein Lämmer!“, heißt Jesu Auftrag an die Hirten. Doch alles hängt davon ab, ob die Pfarrerinnen und Pfarrer Jesus und seine Schafe auch lieben, damit sie ihre Hirten sein können. Es ist zu wenig, irgendwie gottgläubig zu sein. Wir begegnen Gott nur in dem, der von sich sagt: »Ich bin der gute Hirte, der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Ich gebe ihnen das ewige Leben und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Ich und der Vater sind eins.« (Johannes 10,11.28.30)
     Weide meine Lämmer! – dieser Auftrag Jesu gilt noch heute. Wo das geschieht, da ist Kirche. Wo du ermutigt und getröstet wirst, wo du geachtet und angenommen wirst, wo man dich in schwierigen Lebenslagen begleitet, wo man dich schützt vor einem gnadenlosen Markt, der nur den Wert des Geldes kennt, wo du die befreiende Nachricht von Gottes Liebe hörst, die in Jesus erschienen ist, mit einem Wort, wo du geliebt wirst. 
     Wo das geschieht, da ist Kirche, und sei es in einer Bretterhütte in Tansania. Wo das nicht geschieht, da ist Kirche nicht, auch wenn sie sich so nennt, trotz aller Dome und Kathedralen, Ämter, Titel und Gewänder.
     Doch Gott sei Dank sind nicht nur fehlbare Menschen Hirten für andere. Gott sei Dank bleibt Jesus unser guter Hirte, wenn Menschen versagen. Gott sei Dank kann ich als Kind wie als Erwachsener in jeder Lebenslage beten:
Gebet:  

Weil ich Jesu Schäflein bin,
freu ich mich nur immerhin
über meinen guten Hirten,
der mich wohl weiß zu bewirten,
der mich liebet, der mich kennt
Und bei meinem Namen nennt. Amen

Herzliche Grüße,     

Ihr / dein Hans Löhr

Die heutige Auslegung des Lehrtextes ist ein leicht veränderter Auszug meiner Predigt vom 5. Mai 2019

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»Die Bibel ist so voller Gehalt, dass sie mehr als jedes andere Buch Stoff zum Nachdenken und Gelegenheit zu Betrachtungen über die menschlichen Dinge bietet.« J.W. von Goethe aus: „Dichtung und Wahrheit“
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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt.
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7 Kommentare:

  1. Vielen Dank und einen gesegneten Sonntag!

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  2. Einen gesegneten Sonntag und seid alle behütet. Danke Herr Löhr

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  3. Sie sind mein guter Hirte

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  4. Ganz herzlichen Dank für Ihre Auslegung. Mögen doch viele Menschen heute einen guten Hirten finden und sich geborgen fühlen durch ihre Worte und Taten.

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  5. Lieber Herr Pfarrer Löhr,
    für Ihre ermutigende, lebenserfahrene Bibelauslegung danke ich von ganzem Herzen. Eine Nachricht, die die Welt heute braucht! Liebe Grüße, Renate

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  6. Vielen Dank Pfarrer Löhr. Ich fühle mich durch diese täglichen Auslegungen gut versorgt. Hier darf ich selbst Lamm sein und auf der anderen Seite Mutti von zwei Kindern. Zum heutigen Muttertag, neben allem Dank den ich erhalte, auch ein Auftrag für mich als Mutter. Gott gebe mir die Kraft dazu und segne mich damit ich ein Segen sein kann. AMEN.

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  7. Dieses Gebet hat mich durch meine Kindheit begleitet.

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