Mittwoch, 7. September 2016

Wunden, die mich heilen hl

Losung: Durch seine Wunden sind wir geheilt. Jesaja 53,5

Lehrtext: Christus hat unsre Sünde selbst hinaufgetragen an seinem Leibe auf das Holz (des Kreuzes). 1.Petrus 2,24

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich bitte dich, lies über das Folgende nicht einfach hinweg, sondern denke auch darüber nach:
Warum ist Jesus Christus für den Glauben so wichtig? Weil sich im Ganzen dessen, was er gesagt, getan, gelebt und gelitten hat, Gott zeigt, so, wie er von dir und von mir gesehen werden will. Deshalb bin ich Christ und kein Muslim, kein Buddhist und auch kein Jude. Und noch etwas: Wir können Jesus und damit Gott nur im Ganzen haben und nicht einzelne Teile herauspicken. Alles, was in den Evangelien von Jesus berichtet wird, hat seinen Wert für uns nur als Teil des Ganzen. Und das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Jede seiner Taten, jedes seiner Worte, selbst seine Geburt in Bethlehem muss darum sozusagen von hinten, also im Licht seines Leidens und Sterbens am Kreuz und seiner Auferstehung verstanden werden. Ich meine, es lohnt sich, dabei noch ein bisschen zu verweilen und darüber nachzudenken. Denn damit hast du den Schlüssel, mit dem sich Sinn und Wert einzelner Bibelworte und Geschichten erschließen. Soviel vorab. Und nun zu Losung und Lehrtext:

In einer wundersamen Vorahnung weist Jesaja lange vor Christi Geburt auf dessen Bedeutung voraus. Er spricht von einem nicht näher bezeichneten „Gottesknecht“, durch dessen Wunden wir geheilt sind. Christen beziehen dieses Wort seit jeher auf Jesus. Und sie tun recht damit. Für jemanden, der nicht glaubt, mag das unlogisch, unvernünftig oder gar widersinnig sein, dass die Wunden des einen den anderen heilen. Ich möchte sogar so weit gehen und sagen, dass es die Wunden sind, die der eine dem anderen geschlagen hat.
Nein, so ohne weiteres kann man das nicht verallgemeinern. Aber es kommt schon vor, dass einer erst dann zur Besinnung über seine Untat kommt, wenn er sieht, was er bei einem anderen damit angerichtet hat. So möchte ich mit aller Vorsicht zu bedenken geben, ob nicht auch die Wunden, die Deutsche vor 70 und mehr Jahren den verfolgten Juden geschlagen haben, sie von ihrem Rassenhass, ihrer Grausamkeit, ihrer Raubgier, mit einem Wort vom Nationalsozialismus geheilt haben.
Doch zurück zum Losungswort. In unserem Gesangbuch ist das Lied „Herzliebster Jesu“ (EG 81) aus dem Jahr 1630 abgedruckt. Ich habe es lange nicht gemocht, weil ich es nicht verstanden habe. Darin heißt es im Hinblick auf die Folterqualen, die Jesus erdulden musste:
     3. Was ist doch wohl die Ursach solcher Plagen?
Ach, meine Sünden haben dich geschlagen;
ich, mein Herr Jesu, habe dies verschuldet, was du erduldet.
     4. Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe!
Der gute Hirte
(Jesus) leidet für die Schafe (uns),
die Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte, für seine Knechte.
    5.  Der Fromme (Jesus) stirbt, der recht und richtig wandelt,
der Böse
(ich) lebt, der wider Gott gehandelt;
der Mensch verdient den Tod und ist entgangen, Gott wird gefangen.
So einfach von selbst verstehen sich diese Verse und Gedanken nicht. Vielleicht muss man dazu erst einige Jahre auf der Welt gewesen sein. Aber wer sie nicht verstehen kann oder will, sollte sie deshalb nicht verächtlich abtun. Für mich jedenfalls bringen sie die Kraftquelle meines Glaubens und meines Selbstverständnisses zur Sprache, die im unergründlichen Ratschluss Gottes entspringt.
Ich verstehe Folgendes: Mich heilt von der Krankheit der Schuld und von der Krankheit des Todes nicht eine wie auch immer geartete, eigene religiöse oder moralische Leistung. Sondern mich heilen die Wunden Jesu. Jedes böse Gefühl, jeder böse Gedanke, jedes böse Wort und die daraus folgende böse Tat war und ist ein Hammerschlag, mit dem ich ihn kreuzige. Meine Selbstgerechtigkeit: wumm, mein moralisches Versagen: wumm, meine Herzenskälte: wumm, meine Gier: wumm, meine Rechthaberei: wumm, meine üble Nachrede: wumm, mein Neid: wumm, mein Hochmut: wumm,…  –  ein Hammerschlag nach dem anderen: wumm, wumm, wumm… (Vers 3). Es ist eine tiefe Tragik, dass du nicht leben kannst, ohne ihn zu kreuzigen.
Und nun diese „wunderbarliche“ (Vers 4) Umwertung aller Werte (FN): Die Wunden, die ich ihm schlage, sie heilen mich (Losung). Der gute Hirte leidet durch mich für mich, damit ich heil werde (Vers 4). Der Schuldlose stirbt durch mich für mich, damit ich lebe.
Wie soll man das verstehen? Da gibt es für den Kopf nichts zu verstehen. Nur das Herz, das bricht, „versteht“.
Und so komme ich für dieses Mal zum Schluss und sage:
Als durch seine Wunden Geheilte, sind wir in dieser Welt verwundbar,  empfindsam, verletzlich und mitleidend.
Als durch ihn von Schuld Befreite, gibt er uns Kraft, die Lasten anderer mitzutragen.

Gebet: Herr, du allein heilst meine Seele, entlastest mich, machst mich recht. Ich will nicht mehr auf meine Leistung schauen und nicht mehr auf mein Versagen. Was könnte ich tun, das du nicht längst schon für mich getan hast? Aus welchem Sumpf könnte ich mich ziehen, aus dem du mich nicht schon längst gezogen hast? So schaue ich auf dich, den Verwundeten, und lasse dich wirken. Du bist mein Heiler und mein Heil. Amen

Herzliche Grüße


Ihr / dein Hans Löhr 

1 Kommentar:

  1. Die Tageslosung kannte ich, weil ich sie schon so oft gehört hatte. Beim bewussten Lesen wurde mir klar, dass ich sie eigentlich nicht verstanden hatte. So ganz ist das auch immer noch nicht der Fall, aber der Beitrag hat mir ein Stück weitergeholfen.

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