Montag, 24. Dezember 2018

Die Liebe ändert, nicht die Scham Weihnachtspredigt 2018 hl

Predigt von Hans Löhr in den Christvespern in Thann und Sommersdorf.
                                                 
Liebe Weihnachtsgemeinde,

diese Predigt beginnt mit einer Geschichte, die auf den ersten Blick mit Weihnachten nichts zu tun hat. Doch sie kann uns helfen, besser zu verstehen, worum es an Weihnachten geht. Ich habe diese Geschichte kürzlich als WhatsApp Video von einem Freund ohne Kommentar zugeschickt bekommen. Ich weiß nicht, ob sie sich tatsächlich ereignet hat oder erfunden ist. Doch nun will ich sie euch erzählen:

     Verkleidet als ein Obdachloser mischt sich ein Mann unter die vielen Menschen vor einer Kirche. Zusammen mit ihnen wartet er gespannt auf den neuen Pfarrer, der sich an diesem Tag im Gottesdienst vorstellen will. Doch niemand ahnt, dass er schon da ist, verkleidet. Nur ein Kirchenvorsteher ist eingeweiht. 30 Minuten lang geht der neue Pfarrer in seiner Verkleidung als Obdachloser unter ihnen umher, während sich die Kirche mit Menschen füllt. In dieser Zeit sagt nur eine einzige Person „Hallo“ zu ihm. Als er um Wechselgeld bittet, um sich etwas zu essen zu kaufen, bietet ihm niemand was an. Er geht in den Altarraum, um sich hinsetzen zu können. Aber sofort kommt ein Platzanweiser und sagt ihm, dass er sich doch hinten hinsetzen könne. Als er dorthin geht, grüßte er die Leute in den Bänken. Doch niemand grüßt zurück. Niemand rückt, um ihm Platz zu machen. Man hat für den vermeintlich Obdachlosen nur abwertende Blicke übrig und sieht abschätzig auf ihn herab. Schließlich setzt er sich ganz hinten in die Kirche. Dann ist es soweit. Der Gottesdienst beginnt. Dann verkündete der Kirchenvorsteher die Ankunft des neuen Pfarrers: »Wir freuen uns, Ihnen jetzt unseren neuen Pfarrer vorstellen zu können. Bitte, Herr Pfarrer, kommen Sie.«
Die Leute recken die Hälse und klatschten erwartungsvoll. Zu ihrer Überraschung und Verwirrung steht der Obdachlose auf und geht langsam nach vorn zum Altar. Das Klatschen verstummt. Alle Augen sind auf ihn gerichtet. Als er den Altar erreicht, nimmt er das Mikrofon und hält für einen Moment inne. Er sieht die Gemeinde an und erzählt, was er an diesem Morgen erlebt hat. Dann sagt er: »Ich hoffe, dass ihr alle nach Hause geht und darüber nachdenkt, was hier heute Morgen passiert ist. Schaut in eure Herzen. Wir sehen uns nächsten Sonntag.« Viele Köpfe senken sich vor Scham. Betroffen erkennen sie ihre eigene Unfreundlichkeit. Manche beginnen zu weinen.
Es spielt keine Rolle, wie viele Sonntage du in der Kirche sitzt, oder ob du denkst, dass du erlöst wirst. Gott sieht, was du tust – und wie du andere behandelst. Das ist es, was wirklich wichtig ist.
     Damit endet die Geschichte. Und nun frage ich dich: Wie geht es dir damit? Gefällt sie dir? Bevor du antwortest, sage ich etwas dazu: Mir gefällt sie nicht.
     Die Menschen, von denen da erzählt wird, sind keine anderen als ihr, die ihr jetzt hier in der Kirche seid. Sie sind wie du – und wie ich.
     Was hat denn der als Obdachloser verkleidete Pfarrer mit ihnen gemacht? Er hat sie beschämt. Hat sie bloßgestellt. Hat einige von ihnen sogar zum Weinen gebracht. Ja, es stimmt schon, dass Jesus gesagt hat: „Ich bin fremd gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Was ihr einem von diesen geringsten meiner Menschenbrüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Das hat er gesagt. Doch er hat den Menschen, die ihm aufrichtig zuhörten, kein schlechtes Gewissen gemacht und mit einer fragwürdigen Moral von oben herab belehrt. Er kennt uns doch und weiß, dass wir nun mal so sind, wie wir sind, damals wie heute.
     Wenn Gott uns mit Jesu Augen anschaut, wenn er dir ins Herz schaut, was sieht er da? Sieht er einen Menschen mit Fehlern, der vor ihm immer wieder versagt, der die Gebote nicht einhält, der negative Gefühle und finstere Gedanken hat gegenüber anderen Menschen, der egoistisch sein kann und dem der Glaube oft egal ist? Ja, das sieht er.
     Aber er sieht noch etwas anderes, was ihm wichtiger ist. Er sieht deine Enttäuschungen. Sieht, womit dich andere verletzt haben. Sieht deine Wunden und die Narben an deiner Seele. Er sieht deine Zweifel, ob du überhaupt jemandem trauen kannst und deine Angst vor dem Altwerden. Er sieht, wenn du krank bist und Schmerzen hast. Sieht, ob du traurig bist und einsam.
     Doch das Wichtigste, was er in deinem Herzen sieht, ist deine Sehnsucht, geliebt zu werden. Und darum, liebe Freunde, ausschließlich darum ist es Weihnachten geworden, weil wir Liebe brauchen, weil wir liebesbedürftig sind, du und ich.
     Es mag schon sein, dass du an anderen Menschen schuldig geworden bist, auch an Gott und dir selbst. Das mag alles sein und das trifft ja alles auch auf mich zu. Aber gerade deshalb hat ja Gott  Jesus in Bethlehem auf die Welt kommen lassen, um dich zu beschenken. Er schenkt sich dir in dem Jesuskind. Er schenkt dir seine Liebe. Und du musst nichts dafür tun.
     In der Bibel heißt es dazu: Gottes Liebe zu uns ist für alle sichtbar geworden, als er seinen einzigen Sohn in die Welt sandte, damit wir durch ihn leben können. Das Einzigartige an dieser Liebe ist: Nicht wir haben Gott geliebt, sondern er hat uns seine Liebe geschenkt. 1. Joh. 4,9+10
     Wie sonst sollte etwas besser werden in meinem Leben und in deinem und überhaupt in der Welt? Würde etwas besser werden, wenn er dich beschämen würde und belehren wie jener Pfarrer in der Geschichte oder gar bestrafen? Bestimmt nicht. Man kann vielleicht einen Menschen in Schach halten, wenn man ihm tüchtig Angst macht. Aber man kann ihn nur dann zum Guten ändern und seine Seele heilen, wenn man ihn liebt. Uns ändert nur die Liebe und nicht die Scham.
     Ich weiß, liebe Freunde, dass man in dieser Welt mit ihren Problemen und Katastrophen auf den ersten Blick nichts davon merkt. Und vielleicht merkst auch du in deinem Leben nichts davon, weil dich Sorgen drücken und du mit Schwierigkeiten kämpfen musst. Aber vielleicht hast du trotzdem eine kleine Hoffnung, dass es dir gut tut, heute Abend hier zu sein. Vielleicht hoffst du, dass die Weihnachtsgeschichte, die Lieder, Gebete und was ich in dieser Predigt sage, trösten und ermutigen.
     Dann kann ich dir zusagen, dass Gott deine Hoffnung erfüllen wird. Du gehst anders wieder heim als du hergekommen bist. Und was du hier gehört hast, wird in dir fortwirken. Wie genau, das weiß ich nicht. Das weiß nur er. Doch er schickt dich nicht mit einem leeren Herzen wieder heim. Gott hat dich beschenkt und dabei bleibt es. Nun liegt es an dir, ob du sein Geschenk annehmen willst. Es liegt in der Krippe und wartet darauf, dass du es auspackst.
      Und ein Letztes: Wenn es dir gut tut, dass Gott dich in dem Jesuskind bedingungslos liebt, dann sag heute danke, einfach nur danke. Das genügt. Und wenn du einen Obdachlosen siehst, so verachte ihn nicht. Sieh ihn an und schenke ihm ein Lächeln. Auch er ist ein Gotteskind wie du und wird bedingungslos geliebt. Amen

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