Freitag, 15. April 2016

5 Fragen. 5 Antworten. hl

Losung: Der HERR, euer Gott, ist gnädig und barmherzig und wird sein Angesicht nicht von euch wenden, wenn ihr euch zu ihm bekehrt. 2.Chronik 30,9

Lehrtext: Kehrt also um und richtet euch aus auf die Vergebung eurer Sünden, damit vom Angesicht des Herrn her Zeiten der Erquickung kommen. Apostelgeschichte 3,19-20

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn -  dann. So denken wir in aller Regel. So funktioniert auch das Leben: Wenn du eine rote Ampel überfährst, dann musst du 90 Euro Strafe zahlen. Wenn du dabei jemanden gefährdest, sind es 200 Euro plus ein Monat Fahrverbot plus 2 Punkte in Flensburg. Wenn du kein Geld hast, dann kannst du auch nichts kaufen. Wenn du ungesund lebst, dann wirst du krank. Und so weiter. Im Alten Testament funktioniert auch der Glaube weitgehend so: Wenn du dich zu Gott bekehrst, dann wird er dir auch gnädig sein (Losung). Und wenn nicht?

Das Nachdenken über die Bibel hat mich eines besseren belehrt:
Mit Jesus hat sich etwas grundlegend verändert. Jetzt muss ich als Mensch keine Vorleistung mehr bringen, damit Gott mir gnädig ist. Jetzt tut er den ersten Schritt. Jetzt wendet er sich mir zu, wird in Jesus Mensch, kommt im Stall zur Welt und stirbt am Kreuzgalgen – für mich und für dich. Mehr geht nicht.

Dazu fünf Antworten auf fünf Fragen:

1.      Wie ist das mit der Vergebung der Sünden? Muss ich da nicht zuerst bekennen, beichten, bereuen und Buße tun?
Nein, sonst hätte Gott nicht Mensch werden müssen. Sonst hätte der Glaube genügt, von dem im Alten Testament die Rede ist. Stattdessen sind mir meine Sünden von Gott längst vergeben, die vergangenen, die gegenwärtigen und sogar die zukünftigen.

2.      Ist es dann nicht egal, wenn ich sündige, da mir die Sünde doch bereits vergeben ist?
Nein, weil ich damit meinem Vater im Himmel, seinen Menschenkindern und mir selbst weh tue. Sünde entfremdet mich Gott und damit der Quelle des Lebens. Sie zerstört meinen Glauben und damit den Kern meiner Identität, meines Selbstverständnisses. Darum ist sie auch so brandgefährlich. Sünde raubt mir die Gewissheit, dass auch sie mich nicht von Gottes Liebe trennen kann.

3.      Warum sprechen wir dann in den Kirchengottesdiensten trotzdem ein Sündenbekenntnis und feiern hin und wieder Beichte?
Weil unser Glaube schwach ist und uns diese Rituale bestärken, dass Gott vergibt.

4.      Aber muss ich nicht doch noch irgendetwas tun, damit Gott mir vergibt und Christus mich rettet?
Nein. Denn wenn dein Kind ins Wasser fällt und am Ertrinken ist, ziehst du es doch auch heraus, selbst wenn es von dir nichts wissen will. Um wie viel mehr ist Gott willens, alles zu tun, damit er keines seiner Geschöpfe verliert, auch dich nicht.

5.      Wenn das so ist, muss ich dann überhaupt noch glauben?
Niemand muss glauben. Aber die gute Nachricht, dass Gott mir gnädig ist und mir meine Sünden bereits vergeben hat,  ist für mich wertlos, wenn ich ihr nicht glaube. Erst der Glaube bewirkt, dass das Evangelium von Jesus für mich zu einer lebensbestimmenden Kraft wird. Christus hat zwar auch denen die Sünden vergeben, die nicht glauben, die nicht beichten, bereuen und Buße tun. Er hat auch sie alle durch sein Leiden und Sterben am Kreuz erlöst. Nur haben sie jetzt nichts davon, weil sie es nicht wissen oder wissen wollen, nicht glauben können oder nicht glauben wollen. Das ist, vereinfacht gesagt, so, wie wenn jemand sechs Richtige im Lotto hat, doch seinen Gewinn nicht abholt, weil er nicht daran glaubt und weil es ihm niemand sagt. Er ist zwar der große Gewinner, lebt aber als Verlierer.

Gebet: Mein Herr und mein Gott, du bist so ganz anders als wir Menschen. Bei dir geht es nicht um Leistung und Gegenleistung. Nicht um Belohnung und Strafe. Nicht um Befehl und Gehorsam. Du kennst meine Schwächen und hilfst mir auf. Du kennst mein Versagen und gibst mir eine neue Chance. Du siehst, wenn ich mich von dir entferne und kommst mir in Jesus entgegen. Danke.

Herzliche Grüße

Ihr / dein Hans Löhr

p.s.: Ihr / dein Kommentar ist erwünscht.

3 Kommentare:

  1. Vier Anmerkungen

    1. Wo bleiben die Opfer von Verbrechen in dieser Konstruktion? Für sie gibt es nicht mehr als die Solidaritätsbekundung, dass Jesus am Kreuz wie sie und mit ihnen gelitten hat. Ihre Peiniger dagegen können ihnen ins Gesicht lachen, weil sie Vergebung zugesichert bekommen haben. Das kann es nicht sein!

    2. Ich halte es mittlerweile für falsch, die Spannung zwischen Sünde und Vergebung von vornherein aufzuheben. Zu Luthers Zeiten mag es historisch geboten gewesen sein, um dem Ablassmissbrauch als Machtinstrument und Geldquelle gründlich den Boden zu entziehen. In der Folge hat es zu einer zahnlosen Kirche geführt und zu dem Dauerproblem der billigen Gnade.

    3. Das Bild mit dem nicht abgeholten Lottogewinn erinnert mich an den heftigen Streit zwischen Luther und Erasmus um Freiheit und menschlichen Beitrag, wo Erasmus Gott mit einem Vater vergleicht, der seinem Kind einen Apfel anbietet. Das Kind muss den Apfel nur annehmen, aber das muss es eben selber tun und darin liegt ein Eigenbeitrag.

    4. In der Bergpredigt z. B. finde ich keine so sünder- und sündenfreundliche Theologie. In ihrem ethisch rigorosen Teil weist Jesus immer wieder darauf hin, dass schlechtes Handeln Konsequenzen hat (Mt 5: 20,22,29,30. Mt 6: 15, Mt 7: 2,13,14,19,21,23). Im Extremfall darf man sich schon mal gedanklich darauf einstellen, in der Hölle zu schmoren, wenn man seinen Bruder einen Narren nennt (Mt 5,22). Wie so oft bietet die Bibel also verschiedene Ansätze zu einem Thema an. Die Bergpredigt ist für mich dabei ein besonders hoher Trumpf.

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  2. Vielen Dank, lieber Thomas Jakob, für die Anmerkungen.
    Zu Anmerkung 1: Ein Verbrecher, der zum Glauben gekommen ist und so erfährt, dass ihm sein Verbrechen vergeben ist, wird seinem Opfer nicht ins Gesicht lachen, sondern sich schämen und seine Untat bereuen. Etwas anderes kann und will ich mir nicht vorstellen.
    Heute habe ich einen Artikel im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ gelesen über die Gräueltaten amerikanischer Soldaten gegenüber den Gefangenen in Guantanamo. Viele von ihnen haben kein Unrechtsbewusstsein wie auch jene Deutschen keines hatten, die in Vernichtungslagern Dienst taten. Die meisten sind und waren getaufte Christen. Einige waren sogar nach eigener Auffassung gläubig. Für mich ist die Vorstellung unerträglich, dass diesen Bestien vergeben wird. Für Jesus nicht. Sein Tod am Kreuz und seine Gnade sind größer, mächtiger und umfassender als mein Vorstellungsvermögen.
    Zu Anmerkung 2: Was bitte ist eine zahnlose Kirche? Was oder wen soll sie beißen? Und was Gottes Gnade betrifft, sie ist nicht nur billig, sie ist umsonst, weil er sie uns schenkt. Das ist das Wesen der Gnade. Ob Bonhoeffer heute auch noch von billiger Gnade reden würde?
    Zu Anmerkung 3: Ja, der Vater bietet dem Kind den Apfel an, auch wenn es ihn vielleicht für einen Stein hält und nicht reagiert. Deswegen bleibt der Apfel ein Apfel – und die Vergebung bleibt Vergebung.
    Zu Anmerkung 4: In der Tat »ist die Bergpredigt ein besonders hoher Trumpf«. Für mich auch. Und sie haben völlig recht, auf die traditionelle Lesart der Bibel und damit auf das kirchliche Sündenverständnis zu verweisen. Mir ist auch klar, dass die Vertreter der Allversöhnung in allen Kirchen in der Minderheit sind. Aber ich will lieber zu dieser Minderheit gehören als zur Mehrheit derer, die, aus welchen Gründen auch immer, daran festhalten müssen, dass die Bösen in die Hölle kommen und die Guten in den Himmel, wobei sie selbst natürlich zu den Guten gehören. Deshalb habe ich auch ein spezielles, durchaus angreifbares Verständnis von der Bergpredigt. Ihre Stoßrichtung ist die Selbstgerechtigkeit der Frommen. Wer meint, deshalb schon moralisch besser zu sein, weil er zum Beispiel die Ehe nicht gebrochen hat, wird hier von Jesus eines besseren belehrt.
    Ich hoffe auf weitere Kommentare von Ihnen.
    Hans Löhr

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  3. Lieber Hans Löhr,

    zuächst einmal würde ich das Du anbieten bzw. vorschlagen.

    Zu 1: Die Opferperspektive fehlt mir immer noch. Diese hätten mal in erster Linie um Vergebung gefragt zu werden. Wenn die nicht bereit dazu sind, könnte man meiner Meinung nach nur darauf verweisen oder darum bitten, dass Gott die schweren Sünden vergeben möge. Einfach so Absolution zu erteilen, ohne Einsicht, ohne Buße, ohne Glauben, ohne alles, wirkt auf mich falsch.

    Zu 2: Zahnlose Kirche ist wie ein Schäferhund ohne Zähne, der an seinen Schäfchen nur noch lutschen kann und nicht mehr in der Lage ist, sie auch mal zu zwicken, um sie zusammenzuhalten und auf den richtigen Weg zu bringen, geschweige denn, sie im Ernstfall gegen den Wolf zu verteidigen.

    Was Bonhoeffer heute sagen würde, weiß ich auch nicht, aber seine Begriffsprägung von der billigen Gnade und das, was er dazu geschrieben hat, scheint mit immer noch treffend zu sein. Die „Nachfolge“ übrigens zeigt gehörig die Zähne und zwar sowohl gegenüber den Schafen als auch Richtung Wolf. Heute würde dieses Buch allerdings absolut sektiererisch klingen, und diesen Eindruck hat es auf mich beim ersten Lesen vor –zig Jahren auch gemacht.

    Zu 3: Dieser Punkt war eigentlich nur ein Nebenaspekt; mir ging es um Freiheit, die auch das Ausschlagen des Geschenks beinhaltet und somit einen minimalen Eigenanteil notwendig macht. Hier bin ich bei Erasmus.

    Zu 4: Mit detaillierten Höllenvorstellungen kann ich überhaupt nichts anfangen, dazu denke ich zu naturalistisch und skeptisch. Das komplizierte Gleichungssystem von Sünde, Schuld, Buße und Vergebung einfach dadurch zu lösen, dass man alles Wichtige mit Null multipliziert, halte ich für eine Triviallösung, die einen nicht wirklich weiterbringt. Im NT war die Sündenvergebung nicht so einfach. Sie dokumentierte schließlich nicht weniger den göttlichen Anspruch Jesu und war damit etwas, was natürlich das jüdische Establishment auf die Palme brachte. Vielleicht ist die jüdische Position, dass allein Gott Sünden vergeben kann, doch die weisere Variante, das klassische „ego te absolvo“ nach Beichte und mit Buße bereits eine gut gemeinte Kompetenzüberschreitung und die Verkündung der Allversöhnung ein Versprechen, das man selbst nicht halten kann, von dem man nicht wissen kann, ob es wirklich zu 100 % stimmt., und das man deshalb besser nicht machen sollte.

    Herzliche Grüße

    Thomas Jakob

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