Sonntag, 17. April 2016

Du, meine Seele, singe! (Predigt) hl

Lichtblickgottesdienst am 17. April 2016 von Hans Löhr

Begrüßung zu Beginn des Gottesdienstes:

Liebe Freunde,

für die meisten Menschen unserem Land ist dieser Tag ein ganz gewöhnlicher Sonntag. Die meisten haben frei und lassen es heute mal ruhig angehen.
Doch für uns, die wir uns jetzt zum Lichtblick-Gottesdienst getroffen haben, unterscheidet sich dieser Sonntag von anderen. Denn er hat einen Namen und dieser Name fordert uns auf, heute etwas ganz bestimmtes zu tun. Er heißt „Jubilate!“, auf Deutsch: „Lobt und preist Gott!“
Dieser Sonntag fragt uns nicht erst lang, ob er uns auch genehm ist. Ob es uns heute passt, Gott zu loben und zu preisen oder ob uns nicht danach ist, weil wir vielleicht schlecht drauf sind oder aus anderen Gründen nicht so recht in Lobpreis-Stimmung. Dieser Tag ist schlicht und einfach auf uns zugekommen, unausweichlich. Jetzt ist er da. Und es liegt an uns, ob wir ihn beachten oder nicht. Ich schlage vor, dass wir das tun. Und egal, in welcher Stimmung jeder von uns gerade ist, ich lade jeden ein, all das, was ihm sonst so durch den Kopf geht oder auf dem Herzen liegt, beiseite zu lassen und mit dem ersten Lied Gott schlicht und einfach zu loben. Dieses Lied ist ein Klassiker, eine Hymne für Gott, ein Hit seit 400 Jahren. Stehen wir also auf und singen wir unserem wunderbaren Gott unser Lob zu: »Du, meine Seele, singe!«…

Lesung:

»Du, meine Seele, singe; wohlauf und singe schön!« So haben wir eingangs gesungen. Und nun, liebe Freunde, hören wir wie König David im Psalm 103 Gott gelobt hat:
»Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! 
Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: 
der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, 
der dein Leben vom Verderben erlöst und dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit, 
der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler…
Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte… 
Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat. 
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die Ehrfurcht haben. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von uns sein.« 

Ein paar Takte aus dem Concerto Grosso Opus 6 Nr. 6 g-moll
von Georg Friedrich Händel. Hier auf Youtube. Abspielen ab Minute 16:07

Predigt: »Du, meine Seele, singe!«

Das, liebe Freunde, was wir soeben gehört haben, ist für mich Frühlingsmusik pur. Da hüpft und tanzt der Lenz in unser Land hinein und breitet verschwenderisch seine Blumenteppiche aus. Und auch wenn wir zwischendurch kühle und regnerische Tage haben, so sind doch immer wieder Sonnenstunden dazwischen, in denen man hinausgehen und beobachten kann, wie es die Blumen aus der Erde treibt, wie die Vögel mit ihren Melodien wetteifern, wie die Schmetterlinge trunken sind in der sonnenwarmen Luft.
Ja den Wetterwolken und den Sorgenwolken zum Trotz, gibt es zurzeit viele Gründe, zu sich selbst zu sagen: »Du, meine Seele, singe!« Aber kann denn die Seele singen? Natürlich, denn die Seele, das ist deine Lebendigkeit, die in den Adern pulsiert und dir aus den Augen schaut. Deine Seele ist dein einzigartiges Wesen. Das, was dich unverwechselbar macht.

Ich finde bemerkenswert, dass die Menschen der Bibel die Fähigkeit hatten, neben sich zu stehen und sich zu beobachten. Sie haben nicht nur in den Spiegel geschaut, sondern auf sich selbst geachtet und dem nachgespürt, wie es ihnen im Moment ging. Und wenn sie niedergeschlagen waren, haben sie sich selbst einen Stups gegeben und sich ermuntert mit einem Satz wie diesem: »Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.« Und wenn es ihnen gut ging, perlte ihnen das Lob Gottes wie von selbst von den Lippen.
Und genau das wollen auch wir heute Morgen tun. Wir wollen uns dazu anstupsen, Gott zu loben und uns anstoßen lassen von diesem Sonntag, der im Kirchenjahr den Namen ‚Jubilate‘ trägt. Jubilate, auf Deutsch, lobt und preist Gott, jubelt ihm zu. Dazu fordert uns dieser Sonntag auf so wie ein Mann eine Frau zum Tanz auffordert.
Also, meine Damen und auch meine Herren, lasst eure Herzen tanzen für Gott. Werft alle eure schweren Gedanken, eure Sorgen und Bedenken ab, wenigstens für diese eine Stunde jetzt, wenigstens für diesen Sonntag Jubilate, wenigstens für die Woche, die auf ihn folgt. Bleibt nicht in eurer Asche sitzen und auf euren Scherben stehen, auf dem, was kaputt gegangen ist, auf dem, was ihr bedauert und bereut. Geht weiter, weil es weitergeht. Tanzt weiter, damit ihr auch innerlich nicht erstarrt, sondern in Bewegung bleibt. Lobt und preist mit mir den Herrn, unseren wunderbaren Gott.

Unter uns sind einige, denen es heute Morgen nicht zum Singen zumute ist. Und wenn jeder einzelne von uns jetzt nachdenkt, findet er ebenfalls Gründe, kleinlaut zu werden. Aber wir singen trotzdem. Wir loben Gott trotzdem oder gerade deswegen, um uns von ihm über alles erheben zu lassen, was uns runterziehen und niederdrücken will. In der Kraft der Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus stehen auch wir auf, immer wieder, sooft wir am Boden liegen und gehen weiter, Schritt um Schritt.  Und damit ich das nicht nur so sage, sondern ihr das auch wirklich erlebt,  machen wir jetzt eine kleine Aktion.

Ich habe hier alte Zeitungen der vergangenen Tage dabei. Jeder nimmt sich bitte nun ein Blatt.

Zeitungsseiten werden verteilt.

Ihr könnt ruhig einen Blick darauf werfen, was da geschrieben steht. Die Politik-Seiten berichten von den Katastrophen, Kriegen, Flüchtlingen und den Leiden in dieser Welt, von politischen Auseinandersetzungen, Feindseligkeiten und Machtkämpfen.
Die Wirtschaftsseiten berichten vom Auf und Ab der Aktienkurse, von Pleiten und Erfolgen, von düsteren oder helleren Prognosen, vom Arbeitsmarkt, von der Rentenentwicklung.
Die Werbeanzeigen haben es auf deinen Geldbeutel abgesehen und wollen dich dazu verleiten, so viel wie möglich zu konsumieren selbst um den Preis hoher Schulden.
Die Sportseiten berichten vom Sieg der Bayern gestern und der Niederlage vom ‚Club‘.
Und dann gibt es noch die verschiedenen Meldungen über Unglücksfälle und Verbrechen, über das Leben von Prominenten. Welches Kleid Königin Maxima in München getragen hat oder und was so alles in unserer Region passiert ist.
Und schließlich findest du in jeder Zeitung auch Seiten mit Todesanzeigen, die täglich von vielen genau studiert werden.
Und nun nimm deine Zeitungsseite, knülle sie zusammen und wenn du magst, pack noch deine eigenen Sorgen hinein, Sorgen um deine Kinder, um deine finanzielle Situation, um die Gesundheit, am Arbeitsplatz, in der Schule… Was auch immer dich belastet und bedrückt, pack es in die zusammengeknüllte Zeitungsseite hinein und wirf es nach vorne zu mir. Und wer nicht so weit werfen kann, werfe so gut es geht und andere werfen dann diesen Papierball weiter.

Gottesdienstbesucher werfen Papierknäuel nach vorne

Bei mir hier vorne hat sich ein richtiger Berg mit Sorgen und schlechten Nachrichten angehäuft.
Wenn ich mir vorstelle, was da jetzt so alles um meine Füße herum liegt, ist das kein sehr angenehmes Gefühl. Diese Flut von schlechten Nachrichten und Sorgen aus der großen Welt und auch aus unserer kleinen droht mich zu erdrücken und zu ersticken. Ich spüre, wie sich in mir in mir ein ungutes Gefühl breitmacht, wie Trauer, Enttäuschung und Wut in mir aufsteigen.
Aber das will ich nicht. Ich will kein frustrierter Wutbürger sein. Und du sollst das auch nicht wollen. In unserem Land wird schon genug geschimpft. Ich will mich daher über all diese negativen Nachrichten und Sorgen erheben, mich aufrichten und hochziehen lassen durch das Lob Gottes, denn „loben zieht nach oben“. So will ich es allen Problemen zeigen, wer wirklich groß und mächtig ist, wem ich meine Sorgen abgeben kann und wer mich immer wieder herausholt aus dem Sumpf der negativen Botschaften.

Während ich jetzt auf all dem Negativen und den Sorgen-Knäuel stehe, die ihr weggeworfen habt, will ich euch von zwei Männern erzählen. Der erste ist der Apostel Paulus.
Als er in die Stadt Philippi, in Nordgriechenland, kam, war da eine Sklavin, die einen Dämon hatte. Heute würde man sagen, die psychisch krank war. Die Leute glaubten, dass sie die Zukunft voraussagen könne. Das ließ sich ihr Herr bezahlen. Aber Paulus heilte die Frau im Namen von Jesus Christus. Daraufhin wurde er vom Besitzer der Sklavin angezeigt, weil der mit ihr nun kein Geld mehr machen konnte. Paulus wurde verhaftet und zusammen mit seinem Begleiter Silas ausgepeitscht. Danach, so heißt es in der Bibel, warf man sie ins Gefängnis. Gegen Mitternacht beteten Paulus und Silas. Sie lobten Gott laut, und die übrigen Gefangenen hörten ihnen zu. 
Liebe Freunde, Paulus hatte ein dickes Problem. Die meisten Menschen wären wohl an seine Stelle deprimiert gewesen, verzweifelt und seelisch am Ende. Und was macht Paulus: er singt. Er sagt sinngemäß zu sich selbst, was viele hundert Jahre später der Dichter Paul Gerhardt in diese Worte gefasst hat: »Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön, dem, welchem alle Dinge, zu Dienst und Willen steh‘n«. Da singt und lobt einer laut Gott und bringt damit zum Ausdruck, dass es in seinem Leben Größeres gibt, als dieses Problem. Dass seine Seele frei ist, auch wenn man seinen Körper in Ketten gelegt hat. Und, so heißt es in der Bibel, die übrigen Gefangenen hörten zu.

Vielleicht bist du ja auch in der einen oder anderen Weise gefangen, vielleicht in einer schlechten Angewohnheit, vielleicht in einer Sucht, vielleicht in einer destruktiven Beziehung, vielleicht bist du auch ein Gefangener deiner Sorgen und Ängste. Ich weiß, von alledem kann man sich nicht so ohne weiteres befreien. Aber ich weiß auch, ein entscheidender Schritt in die Freiheit ist, Gott trotz alledem zu loben und ihm zu danken.

Der Pfarrer und Liederdichter Paul Gerhardt, den ich eben schon erwähnt habe, war im Jahr 1618, als der 30-jährige Krieg begann, zehn  Jahre alt. 30 Jahre lang lebte er in unsicheren, friedlosen, gewalttätigen Zeiten, durchsetzt mit Hungersnöten und Seuchen. Ein Jahr nach Kriegsbeginn starb sein Vater, da war Paul gerade mal elf. Als er 17 war, starb seine Mutter. Später musste er vier seiner fünf Kinder begraben. Aus Glaubens- und Gewissensgründen konnte der evangelische Pfarrer Paul Gerhardt den Anordnungen seines Kurfürsten nicht Folge leisten. Daraufhin wurde er entlassen. Erst Jahre später bekam er anderswo wieder eine Anstellung. So musste er seine letzten Lebensjahre in bescheidenen Verhältnissen zu bringen.

Und, liebe Freunde, dieser Paul Gerhardt hat mit die schönsten Loblieder geschrieben, die es in der Christenheit gibt, zum Beispiel »Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben« oder »Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzenslust« oder »Sollte ich meinem Gott nicht singen? Sollte ich ihm nicht dankbar sein?« Alles wunderbare Lieder. Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass auch spätere Generationen sie noch singen und dadurch in ihrem Glauben gestärkt werden. Aber das schönste Loblied von allen ist das, was diesem Gottesdienst heute seinen Namen gegeben hat und was wir bereits gesungen haben: »Du, meine Seele, singe!«
Dieses Lied hat Paul Gerhardt gedichtet und gesungen und sich damit über die Scherben seines Lebens erhoben. Mit diesem Lied hat er seine Seele zum Tanz aufgefordert und sich von Gott hochziehen lassen. Vielleicht ist genau das das Höchste und Beste und Schönste, wozu ein Mensch fähig ist, dass er seine Seele singen und loben heißt allem zum Trotz, was ihm den Mund verschließen möchte, allen Sorgen, allem Leid, aller Angst zum Trotz.

Seitdem haben zahllose Menschen mit diesem Lied das Gleiche erlebt. Manchmal haben sie es im Überschwang ihrer Freude gesungen. Manchmal im Leid und unter Tränen. Und dann hat die wunderbare Melodie die Worte des Dichters durch den Raum getragen, durch die Kirchen und Bauernstuben, durch Ställe und Höfe und hinaus auf die  Wiesen und Felder und hinauf, immer weiter hinauf zu den Engeln. Und diese haben das Lied aufgenommen und mitgesungen zum Lob und zur Ehre Gottes und seines Sohnes Jesus Christus. Und jetzt nehmen wir es noch einmal auf und stimmen ein und singen gemeinsam: »Du, meine Seele, singe; wohlauf, und singe schön!« Amen

Alle stehen auf und singen Vers 1

(Das gesprochene Wort weicht vom geschriebenen Text leicht ab)

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