Sonntag, 7. Oktober 2018

Was für ein Gott ist das? (Predigt) hl

Erntedankfest 2018. Predigt über Psalm 145 von Hans Löhr im Lichtblickgottesdienst

Herbsttag von Rainer Maria Rilke:

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Ja, liebe Freunde,

es ist Zeit, Erntedank zu feiern und Gott dem Herrn für den großen Sommer zu danken. Für die vielen Sonnentage seit April und das viele Obst an den Bäumen, an den Sträuchern und in den Weingärten. Manche Apfelbäume sind unter der Last ihrer Früchte zusammengebrochen. Viele Pflaumen sind unter dem Baum liegen geblieben, weil man sie einfach nicht mehr alle essen und verarbeiten konnte. Nicht nur die Menschen, auch die Wespen, Hornissen und andere Insekten haben sich an den Birnen satt gegessen. Manche Brombeere und Himbeere ist ungepflückt am Strauch vertrocknet. Die Weinbeeren allerdings wurden fast alle gelesen, weil der Jahrgang 2018 besonders vielversprechend ist.     
     Es stimmt, bei den Feldfrüchte ist in diesem trockenen Jahr der Ertrag etwas kleiner ausgefallen und auch auf den Wiesen ist weniger Gras gewachsen. Aber alles in allem ist die Ernte trotzdem zufriedenstellend. Auch heuer können wir wieder dankbar sein.
     Doch jetzt frage ich dich: Weißt du eigentlich, was das für ein Gott ist, dem du dankst? Von ihm gibt es vermutlich so viele unterschiedlichen Vorstellungen wie Gäste hier im Lichtblick-Gottesdienst sind. Darum möchte ich mit euch jetzt das Bibelwort für die Predigt lesen. Es soll uns helfen, Gott besser kennenzulernen. Ich beginne und bitte euch, jeweils den eingerückten Vers zu lesen:
Der HERR ist gut zu allen und schließt niemanden von seinem Erbarmen aus, darum sollen dich alle deine Geschöpfe loben. Auf das Wort des HERRN kann man sich verlassen, und was er tut, das tut er aus Liebe. 
Alle: Gnädig und barmherzig ist der HERR; groß ist seine Geduld und grenzenlos seine Liebe.  
Wer keinen Halt mehr hat, den hält der HERR; und wer am Boden liegt, den richtet er wieder auf.
Alle: Gnädig und barmherzig ist der HERR; groß ist seine Geduld und grenzenlos seine Liebe.  
Alle schauen erwartungsvoll zu dir, und du gibst ihnen zu essen zur rechten Zeit. Du öffnest deine Hand und sättigst deine Geschöpfe; allen gibst du, was sie brauchen. 
Alle: Gnädig und barmherzig ist der HERR; groß ist seine Geduld und grenzenlos seine Liebe, denn er hat allen das Leben gegeben!  (Psalm 145,8-10.14-16)
So spricht die Bibel von Gott. Ist das nicht wunderbar? Dieser Gott begeistert mich. Aber stimmt das auch mit deinem Bild von Gott überein? 
     Mein Gottesbild hat sich im Lauf meines Lebens deutlich geändert. Als kleines Kind haben mich hauptsächlich die Engel interessiert. Das hängt vielleicht mit dem Bild zusammen, das mir meine Großmutter geschenkt hatte. Darauf sieht man, wie zwei Kinder an einem Abgrund spielen. Doch hinter ihnen steht ein großer, weißer Schutzengel und passt auf sie auf.
     Später, in der Grundschule, wurde mir viel von Jesus erzählt. Doch ich konnte Jesus und Gott nicht zusammenbringen. Der eine war auf der Erde und vollbrachte Wunder. Der andere war ein strenger, alter Mann mit weißem Bart über den Wolken, so wie er im Religionsbuch abgebildet war.
     Diese Vorstellung von Gott spukte noch in meiner Konfirmandenzeit durch meinen Kopf. Doch je älter ich wurde, desto mehr verblasste dieses Bild. Und damit trat auch Gott in den Hintergrund. Dafür trat Jesus mehr hervor als Vorbild, wie man sich als Christ verhalten solle. Doch zu ihm beten konnte ich nicht. Ich beließ es beim Vaterunser. Das hat sich geändert.
     Ja, ich glaube, dass Gott der allmächtige Schöpfer des Himmels und der Erde ist. Aber was sagt das über ihn aus, sein Wesen und seine Beziehung zu mir?
     Die Bibel sagt von ihm, das, was er gemacht hat, sei sehr gut. Sie sagt weiter, dass er „alles, was lebt, ernährt“ und dass er seine Geschöpfe segnet, damit sie das Leben weitergeben. Und sie sagt, dass er uns Menschen nach seinem Bild geschaffen hat. So spricht die Bibel von Gott als einem persönlichen Wesen, das sich an seiner Schöpfung freut, sich um seine Geschöpfe kümmert und zu den Menschen eine Beziehung eingeht.
     Das ist etwas anderes, als wenn Gott nur irgendeine anonyme Kraft ist, aus der alles hervorgeht. Er ist auch mehr, als eine Art Uhrmacher, der die Welt zusammengebaut hat und sie nun sich selbst überlässt.
     Mit dem Psalm 145 haben wir vorhin gemeinsam gesagt: „Grenzenlos ist seine Liebe, denn er hat allen das Leben gegeben.“
     Die Bibel gibt mir die Sprache, mit der ich von Gott reden kann. Von ihr erfahre ich, dass eine unbegreifliche Kraft das Universum, die Erde und alles, was lebt, geschaffen hat. Doch jetzt kommt das Eigentliche: Diese unbegreifliche Kraft wird Gott genannt. Er ist ein persönliches Wesen. Er liebt seine Geschöpfe grenzenlos, auch dich und mich.
     Heute sagen viele, vor allem Gebildete: „Ja, das Universum ist mit allem, was lebt, aus einer unbegreiflichen Energie hervorgegangen. Aber weder ist sie persönlich, noch hat sie Gefühle und liebt. Diese Kraft hat mit Gott nichts zu tun. Sie ist die Evolution, die Entwicklung von allem, was ist. Sie begann vor 13,7 Milliarden Jahren mit dem Urknall und dauert seitdem an. Sie hat keinen erkennbaren Sinn und kein Ziel. Niemand kann wissen, was sie bewirkt hat. Niemand kann die Frage beantworten: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ Soweit die naturwissenschaftliche Sicht.
     Auch ich meine: Ja, die Wissenschaftler haben mit ihrer Evolutionstheorie recht. Alles, was sie bisher erforscht haben, sei es im Makro- oder im Mikrokosmos, ist plausibel und beweisbar. Und sie geben uns damit erstaunliche Einblicke in wahre Wunderwelten. Doch an einem entscheidenden Punkt habe ich eine andere Sichtweise. Und darum glaube ich:
     Nicht ein Zufall oder ein Urknall, sondern Gott ist der Schöpfer von allem, was ist. Von allem! Vielleicht war er es, der die Naturgesetze geschaffen hat und sich der Evolution als eines Werkzeuges bedient. Entscheidend ist für mich, dass er die Welt und alles, was lebt geschaffen hat und dass er seine ganze Schöpfung grenzenlos liebt. Und das, liebe Freunde, können auch Naturwissenschaftler sagen, für deren persönliches Leben Gott wichtig ist und bleibt.
     Das wirkt sich darauf aus, wie ich mich erlebe. Wenn ich an Gott denke, dann glaube ich, dass alles von dieser unbegreiflichen Kraft eingehüllt ist in seine Liebe. Alles ging aus ihr hervor, alles ist jetzt in ihr geborgen und alles wird wieder mit ihr eins werden: alle Sterne und Sonnen, alle Galaxien, alle Planeten, auch diese winzige, staubkornkleine Erde mit allem was auf ihr lebt, mit dir und mir. Nichts, was aus Gottes Liebe hervorgegangen ist, wird je aus ihr herausfallen. Das war so, das ist so, das wird so sein. Das glaube ich. Und ich lade auch dich zum Glauben an diesen persönlichen Gott ein, von dem es in der Bibel heißt: „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“
     Zu ihm kannst du sagen, bevor du heute einschläfst: „Mein Gott, ich schlafe ganz in Frieden, denn du deckst mich mit deiner Liebe zu.“ Und wenn du morgen aufwachst, kannst du sagen: „Danke, lieber Gott, schön, dass du da bist. Mit deiner Liebe umgibst du mich von allen Seiten und bringst mich gut durch den Tag.“ Aber vielleicht hast du Sorgen oder großen Kummer, sei es deinetwegen oder wegen eines Menschen, der dir nahesteht. Dann sage: „Herr, mein Leid, und sei es noch so groß, kann mich nicht von deiner Liebe trennen. Darauf vertraue ich und daraus schöpfe ich Kraft, um meine Last zu tragen.“
     Ich weiß, dass so vieles in dieser Welt und manches in meinem Leben dagegen spricht. Dennoch halte ich an diesem Glauben, dennoch halte ich an diesem Gott fest. Denn das gibt meinem Leben und auch der Welt einen Sinn. Und auch das glaube ich, dass Gott größer ist als alle meine Bedenken und Zweifel, größer als mein Leid, und dass die Schwerkraft seiner Liebe mich auch dann noch hält, wenn ich davon nichts zu spüren meine. So wie es im heutigen Bibelwort heißt: „Wer keinen Halt mehr hat, den hält der HERR; und wer am Boden liegt, den richtet er wieder auf.“
 Und nun noch ein Letztes. Auch dieser Gott der Liebe ist noch immer unfassbar und gesichtslos. Wie begegnet er mir, sodass ich ihn erkennen und wieder lieben kann?
     Er begegnet mir in Jesus. Der Sohn gibt dem Vater im Himmel ein Gesicht, gibt ihm sein Gesicht. Die Bibel sagt: Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. In dem, was Jesus sagte, was er tat, wie er lebte erkenne ich ihn. Jetzt erst bricht die Sonne hinter den Wolken des Alten Testaments hervor. Im Psalm 145, den wir vorhin gemeinsam gesprochen haben, leuchtete sie schon einmal kurz auf, strahlend und schön. Doch erst mit Jesus wird vollends klar, wer und wie Gott ist, wie er zu mir und zu dir ist, da es heißt: „Gnädig und barmherzig ist der HERR; groß ist seine Geduld und grenzenlos seine Liebe, denn er hat allen das Leben gegeben!
      Diesem Gott danken wir, nicht nur heute am Erntedankfest. Ihm verdanken wir alles, was wir sind und haben. Amen  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen