Losung: So spricht der Herr: Mache dich auf, Jeremia, und predige ihnen alles, was ich dir gebiete. Denn ich will dich heute zur festen Stadt, zur eisernen Säule, zur ehernen Mauer machen wider das ganze Land: wider die Könige Judas, wider seine Großen, wider seine Priester, wider das Volk des Landes, dass, wenn sie auch wider dich streiten, sie dir dennoch nichts anhaben können; denn ich bin bei dir, spricht der HERR, dass ich dich errette. Jeremia 1,17.19
Lehrtext: Paulus schreibt: So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und beschuht an den Füßen, bereit für das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes. Epheser 6,14-15.16+17
Liebe Leserin, lieber Leser,
nein, du bist nicht der Prophet Jeremia. Du musst nicht gegen die Bundesregierung aufstehen und auch nicht gegen die Bischöfe und Pfarrer. Und du musst dich auch nicht allein gegen die ganze deutsche Gesellschaft wenden. Jedenfalls glaube ich nicht, dass Gott das von dir verlangt. Natürlich hättest auch du Themen, die du den Großen in unserem Land vorhalten könntest. Dazu müsstest du dich mitten hinein in den Streit unserer Zeit begeben, ohne dass du dich von irgendeiner Seite vereinnahmen lässt.
Nein, allein gegen alle - das verlangt Gott nicht von dir. So denke ich wenigstens. Aber da, wo du lebst und arbeitest, sollst du deine Meinung ruhig und klar vertreten, ohne dabei fanatisch oder fundamentalistisch zu werden. Und je weniger man dir zustimmt, desto wichtiger ist deine Meinung. Es kommt auch nicht darauf an, dass dir alle Beifall klatschen, sondern dass du denkst, was du sagst und sagst, was du denkst. Und dass du das in Übereinstimmung mit deinem Glauben tust.
Und dann, liebe Leserin, lieber Leser, dann wird etwas geschehen, was du womöglich gar nicht mitbekommst. Dann werden selbst die, die dir widersprechen, anfangen nachzudenken und vielleicht ihre eigene Position überprüfen oder gar ändern. Nein, du musst nicht aus einem Gespräch als Sieger hervorgehen. Aber du sollst selbst das sagen, was deiner Meinung nachgesagt werden muss. Damit leistest du einen wichtigen Beitrag für die politische Kultur in unserem Land. Denn allzu viele halten sich aus Angst oder Bequemlichkeit zurück. Sie möchten keine Konflikte. Sie scheuen eine Auseinandersetzung. Und darum halten sie mit dem hinterm Berg, was sie selbst für richtig halten.
In einem Satz gesagt: Du sollst das, was du für richtig hältst, um seiner selbst willen sagen unabhängig davon, ob du damit Erfolg hast, ob du dich damit beliebt machst oder nicht. Natürlich kannst du dich irren. Natürlich kannst du falschen Informationen aufsitzen. Natürlich hast auch du die Wahrheit nicht gepachtet. Aber darauf kommt es nicht an; denn das ist ja immer so. Und trotzdem sollst du den Mund aufmachen auch auf die Gefahr hin, dass du dich irrst.
Und ich? Ich auch. Ich darf mich nicht hinter dir verstecken. Ich muss genauso sagen, was Sache ist, weil jetzt die wichtigen Entscheidungen anstehen, wie wir künftig leben wollen und wie unsere Kinder und Enkel künftig leben müssen. Wohin soll es gehen mit Biotechnologie, künstlicher Intelligenz, Friedenspolitik und Klimawandel?
Aber hat das nun mit dem Glauben zu tun, dass ich mich in den Streit dieser Welt einmische? Sollte ich mich nicht lieber heraushalten um des eigenen Seelenfriedens willen? Nun ja, die Propheten des Alten Testaments haben ihren Mund weit aufgemacht und die Missstände in ihrem damaligen Land beim Namen genannt. Da ging es nicht nur um religiöse Fragen, um den richtigen Glauben und den richtigen Kult. Da ging es auch um soziale Probleme, wenn die Reichen die Armen unterdrückt haben, um die Außenpolitik, wenn sich der König und seine Berater auf zweifelhafte Bündnisse eingelassen haben und sogar um die Rüstungspolitik. Und immer wieder ging es um scharfe Kritik an der damaligen Kirche, wo gepredigt wurde, dass doch alles in Ordnung sei und dass die Propheten Störenfriede seien, auf die man nicht hören dürfe.
Diese Kritik an den Mächtigen in Staat und Kirche war damals im alten Orient beispiellos. Sie war ein erster starker Fingerzeig, dass Gott und die Religion nicht Eigentum der Regierung und der Kirche sind, sondern dass er Partei ergreift für die kleinen Leute und den Frieden im Land. Doch den Propheten ist das nicht gut bekommen. Die meisten wurden verfolgt, etliche umgebracht, manche eingesperrt. Jahrhunderte später griff Jesus die Kritik der Propheten wieder auf und sagte das unerhörte Wort: Weh euch, ihr politischen und religiösen Führer (Schriftgelehrte und Pharisäer), ihr Heuchler, die ihr den Propheten Grabmäler baut und schmückt die Gräber der Gerechten und sprecht: Hätten wir zu Zeiten unserer Väter gelebt, so wären wir nicht mit ihnen schuldig geworden am Blut der Propheten! Damit bezeugt ihr von euch selbst, dass ihr Kinder derer seid, die die Propheten getötet haben. Wohlan, macht auch ihr das Maß eurer Väter voll! Ihr Schlangen, ihr Schlangenbrut! Wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen?...“ (Matthäus 23,29-33)
Da spricht kein liebes Herzjesulein. Da geht's um Leben und Tod. Und das hat ihm auch das Leben gekostet, dass er die Mächtigen seiner Zeit im Namen Gottes so herausgefordert hatte.
Nein, du bist kein Prophet, und ich auch nicht. Aber was man von uns schon erwarten kann, ist, dass wir fest auf dem Boden des Gottvertrauens stehen und ohne Menschenscheu für das "Evangelium des Friedens" eintreten. Was das ist? Dass wir unsere eigenen negativen Gefühle im Griff haben. Dass wir das Vertrauen nicht vergiften, indem wir hinter dem Rücken anderer Schlechtes sagen. Dass wir nicht gegen einzelne oder Menschengruppen hetzen oder uns aufhetzen lassen. Dass wir nicht noch Öl ins Feuer gießen, wo ohnehin schon Streit ist. Sondern zur Versöhnung raten und selbst versöhnlich sind. Dass wir Minderheiten verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Dass wir das Recht der Schwachen schützen. Dass wir auf alle Überheblichkeit verzichten und niemanden herabsetzen. Dass wir Gott die Ehre geben, dem Vater aller Menschen, und die Würde seiner Geschöpfe achten, die allen in gleicher Weise gilt. Dass wir uns an die Regel halten, die Jesus uns gegeben hat: »Alles, was ihr euch von anderen wünscht, das tut ihnen auch.« Genauer, darin kommt ihnen zuvor.
Gebet: Herr, du hast mir nicht versprochen, dass mein Leben ein Spaziergang ist. Du forderst mich heraus, dass ich mich im Namen deines Geistes gegen den Ungeist der Gier, der Menschenverachtung, des Hasses, der Gewalt und der Selbstgerechtigkeit stelle. Du verlangst von mir, dass ich bereit bin zur Versöhnung und zum Frieden auch mit denen, die mir nicht gut sind. Ohne dich habe ich nicht die Kraft und den Mut dazu. Doch weil du mit mir bist, will ich mich trauen. Amen
Herzliche Grüße
Hans Löhr
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Hans Löhr / Sommersdorf 5 / 91595 Burgoberbach
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