Donnerstag, 18. April 2024

Visionen hl

Losung: Jauchze und rühme, die du wohnst auf Zion; denn der Heilige Israels ist groß bei dir! Jesaja 12,6 

Lehrtext: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. Johannes 1,14 

Liebe Leserin, lieber Leser, 

der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt soll einmal gesagt haben: »Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.« Warum und zu wem er das gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Aber dieser Satz passte zu ihm, dem pragmatisch-nüchternen Hanseaten. Andererseits formulierte die streitbare Theologin, Pazifistin und Dichterin Dorothee Sölle (1929-2003) in Anlehnung an das Buch der Sprüche 29,18 im Alten Testament: »Ein Volk ohne Vision geht zugrunde.«

Die Bibel ist voll von Visionen, und das kleine Volk der Juden gibt es noch immer, obschon so gut wie alle anderen, viel mächtigeren Völker aus der Zeit der Bibel inzwischen untergegangen sind. Ob das etwas mit seinen Visionen von einem endzeitlichen Heilskönig und dessen Friedensreich zu tun hat? Ob die nicht enden wollende Gewalt im nahen Osten auch damit zu tun hat, dass auch Juden, wie sonst Christen, die biblischen Friedensvisionen immer wieder vergessen?

Unverzichtbare Friedensvision

Die für mich wunderbarste Vision des Propheten Jesaja im 8. Jahrhundert vor Christus ist uns im Kapitel 11 seines Buches überliefert. Da heißt es: »In jener Zeit wird der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern. Kalb und Löwe werden miteinander grasen, und ein kleiner Knabe wird sie leiten…« Jesaja 11,6

All den bluttriefenden Zeiten seitdem, allen Schlachten und Kriegen bis heute zum Trotz, wurde jene Vision vom Friedensreich nie völlig vergessen, weder bei den Juden noch bei den Christen. Und sozusagen im Vorgriff auf jene Heilszeit heißt es dann in der heutigen Losung: »Ihr Einwohner von Zion (= Jerusalem), jauchzt und singt, denn groß ist der heilige Gott Israels, der mitten unter euch wohnt.«

Von dieser Zeit sind wir fast 3000 Jahre später so weit entfernt wie damals. Nach wie vor frisst der Wolf das Lamm, schlägt der Panther den Ziegenbock, tötet der Löwe das Kalb. Erschlägt Kain den Abel. Und dann redet man in Politik und Medien auf allen Seiten schlau daher, um die Gewalt zu rechtfertigen. Dann stellt man sich selbst als mögliches Opfer des bösen Raubtieres auf der anderen Seite dar, schürt die Angst, schmiedet Waffen, tötet und lässt töten.

Aber, liebe Leserin, lieber Leser, lass dir die Vision vom Friedensreich und seinem König nicht nehmen. Für mich als Christen geht es dabei nicht einmal um eine ferne Zukunft, sondern darum, dass sein Reich  bereits Wirklichkeit ist bei allen, deren Leitstern Jesus Christus ist. Er ist für mich die menschgewordene Feindesliebe (Lehrtext), der gewaltlose König mit einem Stall als Palast, mit Dornen als Krone und dem Kreuz als Thron. Wo er regiert, herrscht Friede. Wo kein Friede herrscht, regiert er nicht. 

Die Friedensblume

Mitten in den Orgien militärischer Gewalt, mitten in aller Feindseligkeit, in allem Hass, in aller Rache und allen Vernichtungsfantasien, zwischen Soldatenstiefeln und Panzerketten, in Bombentrichtern und Kriegsruinen blüht seine Friedensblume. Sie erinnert daran, dass es wieder eine Zeit nach Krieg, Verwüstung und Tod geben wird, in der die Menschen ihre grauenhafte Raubtiernatur eine zeitlang in Zaum halten und versuchen werden, versöhnt miteinander weiterzuleben - bis sie die Machtgier und die Gewaltbereitschaft, die Angst und der Blutrausch aufs Neue blind und rasend macht. Diese Zwischenzeit des Friedens gilt es zu nützen. Diese kleine Blume gilt es zu schützen. Sie ist mein Hoffnungszeichen.

Ja, ja, ich weiß schon, auf uns im Westen trifft das natürlich nicht zu. Wir sind ja die Guten. Wir waren schon immer harmlos und friedfertig, hatten nie böse Absichten, wollten niemand politisch, wirtschaftlich und militärisch an die Wand drücken. Mit einem Wort: wir sind nicht aggressiv, wir verteidigen uns nur und unsere Werte.

Na dann ist ja alles gut. Nur für mich nicht. 

Gebet: Herr, wie viele Kinder, Frauen, junge und alte Männer müssen schon wieder sterben für Machtgier und Profitgier einiger wenigen? Wie vielen Menschen wird jetzt Zukunft zerstört, weil sie vergiftet werden mit dem Virus der Feindseligkeit? Weil sie durch Kriege abgelenkt werden von den wirklichen Gefahren, die uns allen drohen, und die wir nur gemeinsam abwenden können? Du bist Mensch geworden, damit wir menschlich werden. Du hast auf Gewalt verzichtet, damit wir Frieden lernen. Du vergibst uns unsere Schuld, damit auch wir auf diesem Weg einander gerecht werden. Du wirst deine Schöpfung retten. Das hoffe ich. Doch vor allem rette uns vor uns selbst. So kann ich dich auch künftig loben und preisen. Amen 

Herzliche Grüße,

Ihr / dein Hans Löhr

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»Die Bibel ist so voller Gehalt, dass sie mehr als jedes andere Buch Stoff zum Nachdenken und Gelegenheit zu Betrachtungen über die menschlichen Dinge bietet.« J.W. von Goethe aus: „Dichtung und Wahrheit“
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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt.
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2 Kommentare:

  1. Wie wahr, wie wahr sind Ihre Worte. Möge doch die Menschheit endlich begreifen, dass nur Frieden allen Menschen zum Wohl dienen kann und darum unsern himmlischen Vater immer wieder bitten.
    Danke für Ihre Ausführungen..

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