Losung:
Fürwahr, du
bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Heiland. Jesaja
45,15
Lehrtext:
Jesus sprach:
Der Menschensohn wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet
und misshandelt und angespien werden, und sie werden ihn geißeln und töten; und
am dritten Tage wird er auferstehen. Die Zwölf aber begriffen nichts davon, und
der Sinn der Rede war ihnen verborgen. Lukas 18,32-34
Liebe
Leserin, lieber Leser,
heute
kreist unser gemeinsames Nachdenken über die Bibel um eines der größten
Geheimnisse des Glaubens, um den Grund und Abgrund von Theologie:
Wo
war Gott, als Jesus gequält, gekreuzigt und umgebracht wurde? Hatte er sich in
irgend einen fernen Himmel zurückgezogen? Hat er sich in dunklen Wolken
verborgen?
unauflöslich,
unzertrennlich, unwiderruflich
Die
Antwort ist ungeheuerlich und für Muslime, Juden, Buddhisten oder Ungläubige,
ja selbst für viele Christen nicht nachzuvollziehen: Er selbst war der
Gekreuzigte. Er litt in und mit seinem Sohn. Er starb durch die Grausamkeit der
Menschen, die er doch geschaffen hatte. Er wehrte sich nicht, sondern liebte. Er
strafte nicht, sondern vergab. So ist Gott gestorben! - - - So und nur so hat
er aber auch den Tod und die Macht der Finsternis besiegt. Ja, das ist paradox,
widersinnig. Da kommt man im Denken nicht mehr mit. Aber gerade im Leiden und
Sterben Jesu war Gott mit ihm auf das Engste verbunden: unauflöslich,
unzertrennlich, unwiderruflich.
Wenn
du dich in Leid und Not, in deinen seelischen und körperlichen Schmerzen
fragst, wo denn jetzt Gott ist, auch dann heißt die Antwort: bei dir.
Vielleicht verstehst du das nicht. Vielleicht spürst du das nicht. Und
trotzdem, es ist so.
Gott
im Flüchtlingsboot…
Er
sitzt auch im Boot bei den Flüchtlingen im Mittelmeer. Er leidet in den
geheimen Folterkellern. Er sitzt in den Todeszellen. Er ist bei den
Krebspatienten und bei den Menschen mit Demenz im Pflegeheim. Selbst bei den
misshandelten Kindern... Wie soll man das begreifen? Ich kann das nicht.
Freilich
rettet Gott auch immer wieder aus allen diesen Schrecken. Aber dann rettet er
auch wieder nicht, dann stirbt Jesus, dann gehen die Boote unter, dann leiden
Gefangene unter den Qualen der Folter, dann werden die zum Tod Verurteilten
getötet, dann sterben Krebspatienten, Menschen mit Demenz kehren daraus nicht
mehr zurück, und die misshandelten Kinder bleiben geschädigt ihr Leben lang. So
ist die dunkle Seite der Wirklichkeit. Wir alle wissen das, doch niemand weiß
warum.
Manche
sagen, einen solchen Gott, der das zulässt, wollen wir nicht und brauchen wir
nicht. Aber welchen dann? Würde denn ein anderer Gott nützen oder keiner?
Mein
Problem ist jetzt, dass ich etwas nahezu Unsagbares in Worte fassen muss.
Deshalb geht es mir nun nicht darum, mit Argumenten einen Zweifelenden zu
überzeugen, sondern einen Glaubenden zu stärken, ja mich meines eigenen
Glaubens zu vergewissern. Da hilft es nichts, wenn ich mir selbst etwas
ausdenke. Da muss und will ich mich an der Bibel festhalten, am Wort Gottes.
Das
Geheimnis der Taufe
Und
so sage ich nun in Übereinstimmung mit dem Apostel Paulus (Römer 6) von dir und von mir, was ich weiter
oben von Jesus gesagt habe: In der Taufe wurden wir mit diesem Jesus, mit
seinem Leiden und Sterben auf das Engste verbunden: Unauflöslich,
unzertrennlich, unwiderruflich. In der Taufe sind wir seinen Tod mit ihm
gestorben, im Taufwasser ‚ertrunken‘. In der Taufe wurden wir aus diesem
Element des Todes herausgezogen, gerettet in ein neues Leben hier und jetzt und
ins ewige Leben: »Denn wenn wir mit Jesus verbunden und ihm gleich geworden
sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein
(Paulus: Römer 6, 5) .«
Das
alles ändert nichts daran, dass – und jetzt spreche ich von mir, weil ich dich
nicht vereinnahmen will –, dass ich, der ich glaube, die dunkle Seite der
Wirklichkeit erleide wie alle anderen auch: Angst, Schmerzen, Leid, Sterben und
Tod. Aber ich erleide dies als Getaufter, der in alledem mit Jesus und durch
ihn mit Gott auf das Engste verbunden ist und bleibt. Dazu musste ich nichts
tun. Doch damit das für mich Wirklichkeit wird, vertraue ich darauf, dass es so
ist, wie die Bibel sagt.
Mit
Kreide auf den Tisch geschrieben
Ob
mir das einmal helfen wird, wenn ich in Todesangst bin? Wenn es mit mir zu Ende
geht? Ich weiß es nicht. Als Martin Luther nicht mehr wusste, was er noch
glauben sollte, hat er mit Kreide auf den Tisch geschrieben „Ich bin getauft!“.
Das, so heißt es, habe ihm geholfen, am Glauben festzuhalten.
Ja,
Gott mag dir manchmal verborgen sein. Aber dann hat er sich nicht in einen
fernen Himmel zurückgezogen, sondern sich ‚eingewickelt‘ in deiner Angst, in
deiner Not, in deinem Leid. Da wirst du ihn finden als deinen ‚Heiland‘
(Losung), deinen Retter und Erlöser. Er bleibt bei dir, was auch immer mit dir
geschieht. Das glaube ich.
Gebet: Herr, das Leben kann so schön sein.
Warum kann es nicht so bleiben? Warum hat es auch seine dunkle, grausame Seite?
Es geschehen so viele Dinge, die ich nicht verstehe. Aber ich hoffe, dass du
verstehst, was geschieht. Du bist nicht nur ein Gott für die guten Zeiten. Du
bist in Jesus in die tiefsten Tiefen des Leids hinabgestiegen, um auch denen
nahe zu sein, die abgestürzt sind. Auch da bist du bei mir. Auch auf der
Schattenseite des Lebens bist du mein Licht. Halte du auch dann an mir fest,
wenn ich nicht mehr die Kraft habe, an dir festzuhalten. Amen
Herzliche
Grüße
Ihr
/ dein Hans Löhr
„So ist Gott gestorben!“ „Ja, das ist paradox, widersinnig. Da kommt man im Denken nicht mehr mit.“
AntwortenLöschenSo ist es. Ich komme, oder besser, ich gehe da nicht mehr mit. Rechnen Sie und die Theologen, die das vertreten, eigentlich mit der Möglichkeit, dass diese Idee so falsch und widersinnig klingt, weil sie wirklich falsch ist? Laut Bibel hat Jesus am Kreuz noch mit Gott, dem Vater, gesprochen. „Warum hast Du mich verlassen?“ „Ich befehle meinen Geist in deine Hände.“ Waren das Selbstgespräche? Und war Gott hinterher wirklich für zwei Tage tot?
Die Dreieinigkeitsvorstellung ist eine sehr bemühte Konstruktion. Obwohl ich die Gottesbilder der Juden und der Muslime geradliniger und logischer finde, halte ich mich dennoch so weit wie möglich loyal. Wenn die Dreieinigkeit aber dann noch in weitergehende Gedanken eingebaut wird und, wie hier, letztlich dazu benutzt wird, Gott für tot zu erklären, bin ich raus.