Freitag, 2. April 2021

Wo die Not am höchsten, sei das Vertrauen am tiefsten (Karfreitagspredigt hl)

Bibelworte: Lukas 23,34; Markus 27,54-56; Römer 8,38+39

Liebe Freunde,

den ersten Weihnachtsfeiertag 2003 werde ich nicht vergessen. Alle, die Hildegard kannten, mussten schon seit längerem damit rechnen, dass sie bald sterben würde. Dann war es soweit. Ihre Freundin wurde aus einem Nürnberger Krankenhaus angerufen, dass heute die Maschinen abgestellt werden, die sie zuletzt noch am Leben erhalten haben. Zu dritt sind wir nach Nürnberg gefahren, um noch einmal bei ihr zu sein, für sie zu beten und sie beim Sterben zu begleiten. Wir hatten noch etwas Zeit, mit ihr im Sterbezimmer allein zu sein. Dann kam der Arzt und fragte, ob er jetzt die Apparate abschalten könne. Einer nach dem anderen verstummte. Nur das Elektrokardiogramm, das die Herztöne aufzeichnet, lief weiter und piepste bei jedem Herzschlag. Auf dem Monitor konnten wir die Kurven sehen.

 Einspielung der letzten Sekunden eines Menschenlebens (EKG flatline YouTube ab sec 55)

Und dann war da plötzlich keine Kurve mehr. Die Linie war nur noch flach. Der Monitor schlug Alarm mit einem durchdringenden Dauerton. Doch niemand konnte mehr helfen. Das Herz hatte aufgehört zu schlagen. Hildegard war tot. Aus dem Weihnachtsfeiertag war für uns damals Karfreitag geworden.

Den Freitag vor dem Passafest im Jahre 30 haben ein paar Frauen auch nicht vergessen. Sie hielten unter dem Kreuz aus, solange Jesus noch verzweifelt um Atem rang, solange noch sein Herz schlug. Sie hörten noch, wie er sagte: „Vater, vergib, denn sie wissen nicht was sie tun.“ Noch eine kleine Zeit Keuchen und Stöhnen, dann war er erstickt. Der Kopf fiel auf die Brust. Kein Atemzug mehr. Kein Herzschlag mehr. Jesus war tot. Da blieb vor Schmerz auch Gott das Herz stehen. (Altarkreuz auf die Kanzel mitnehmen und bei den folgenden Sätzen in der linken Hand halten)

Für die Frauen und seine Freunde brach die Welt zusammen. All die Hoffnungen, die sie auf Jesus gesetzt hatten, - tot. Das Wunder, dass Gott ihn in letzter Sekunde retten würde, blieb aus. Auch auf dem Monitor des Glaubens nur noch ein Strich, kein Anzeichen von Leben mehr.

Jesus starb den Tod eines Menschen, denselben Tod wie Hildegard und alle, die vor uns gegangen sind. Und alle sind sie denselben Tod gestorben, den Jesus gestorben ist und den auch wir hier sterben werden: Herzstillstand, Atemstillstand, Ende. Uns Menschen, dich wie mich verbindet unser Leiden mit seinem Leiden, unser Tod mit seinem Tod. Ihm waren unsere Schmerzen und Todesängste nicht fremd. Er kann mit uns fühlen. Er ist uns in den schwersten, letzten Stunden nah. Und wir können mit ihm fühlen.

Die Frauen verstanden Gott und die Welt nicht mehr. Sie konnten in Jesu Tod keinen Sinn sehen. Sie waren nur noch traurig. Sie hatten nur noch den Toten vor Augen. Doch einer war damals dabei, so erzählt es der Evangelist Markus, einer, der tiefer, der hinter die Dinge sah, der ein Licht sah, wo für alle anderen nur Nacht war. Und dieser Eine war ausgerechnet ein Heide, ein römischer Hauptmann. (Alterkreuz in die rechte Hand nehmen, gelbe Ostersonne hinten ans Kruzifix heften):

Er wusste auch nicht, was dieses Sterben und dieser Tod zu bedeuten hatte. Aber er hatte eine Ahnung. Er sagte, als Jesus nicht mehr atmete: „Dieser Mensch war wirklich Gottes Sohn“.

Er ahnte, was andere nicht ahnten. Er spürte, was sie nicht spürten, dass da etwas ganz Außergewöhnliches geschah, was er nicht für möglich gehalten hatte, was nicht in diese Welt passte. Der da am Kreuz starb, war nicht das Opfer seiner Henker wie alle anderen, die so sterben musste. Jesus gab selbst als ein Machtloser am Kreuz die Fäden nicht aus der Hand gab. Er handelte und erfüllte seinen Auftrag. So machte er die, die scheinbar über ihn triumphierten, zu seinen Erfüllungsgehilfen:

Der Hauptmann staunte, dass dieser ihm fremde Mensch nicht im Hass auf seine Mörder starb, dass er sie nicht verfluchte, sondern für sie um Vergebung bat. Er sah, dass ihre Lügen, ihre Grausamkeit, ja selbst der Tod Jesus nicht davon abbringen konnte, seine Feinde zu lieben. Das war seine Mission. Die hat er sich nicht nehmen lassen. Dafür wurde er in Bethlehem geboren. Dafür hat er gelebt. Dafür hat er gelitten. Dafür ist er gestorben.

Als der Hauptmann das sah, traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz: Nein, so stirbt kein gewöhnlicher Mensch. Das ist nicht menschlich, sondern göttlich. Dass einer für seine Freunde stirbt, ja, das kam vor, wenn auch selten. Dass aber einer für seine Feinde stirbt, für seine Henker und Mörder. Das war unerhört, unglaublich, unfassbar. Und, liebe Freunde, das ist es bis heute.

Nicht sein Blut, nicht sein Opfer, nicht sein Tod erlöst uns Menschen aus den Fängen des Bösen und des Todes. Seine Liebe ist es, die auch vom Leiden und Sterben nicht ausgelöscht wird. Sie heilte, befreite und erlöste damals seine Mörder unterm Kreuz. Wenn aber die schon von ihm gerettet wurden, wie viel mehr dann nicht du und ich? Sind wir doch nicht seine Feinde, so sehr wir vielleicht auch versagen und uns schuldig machen.

Seitdem, seit jenem Freitag im Jahre 30 ist das die Botschaft eines jeden Karfreitags bis heute: „Höre und glaube: Weder Leid noch Angst, weder Sünde noch Schuld, keine Macht auf Erden und keine im Himmel, ja nichteinmal der Tod kann dich scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist.“ So hat es der Apostel Paulus geschrieben (Römer 8,38+39). Auf dieses Wort vertraue ich. Und ich bitte dich: Tu es auch. Denn wo die Not am höchsten, sei dein Vertrauen am tiefsten! (Altarkreuz abstellen)

Wenn du nachher aus dem Karfreitagsgottesdienst nach Hause gehst, sollst du mit einem frohen, leichten Herzen heimgehen können. Von nun an musst du dich nicht mehr fürchten, weder vor dem Leben noch vor dem Tod, weder vor deinem Scheitern noch vor deiner Schuld, weder vor dem Jüngsten Gericht noch vor Strafe, weder vor der Hölle noch vor Gott.

Und es wäre schön, wenn du ihm dafür danken könntest, indem auch du zu anderen freundlich und gütig bist, selbst zu denen, die du nicht magst. Du kannst das. Schließlich bist du nicht irgendwer, sondern Gottes geliebtes Geschöpf.

Einmal wird auch aus deinem Herzschlag nur noch ein Strich wie damals bei Hildegard und seitdem bei zahllosen anderen. Doch was für uns ein Ende ist, ist für Gott ein Anfang. An Ostern hat Jesu Herz neu zu schlagen begonnen, ist Jesus von den Toten auferstanden und zur Hoffnung geworden für alle Welt. An Ostern hat Gottes Herz neu zu schlagen begonnen – für dich. Hab also keine Angst. Sieh her: Hinter dem Kreuz leuchtet die Sonne. (Noch einmal wird das Altarkreuz mit der Sonne gezeigt). Der dich geschaffen hat, wird dich nicht verlassen. Der dich liebt, wird dich nicht vergessen. Der dich kennt, bleibt dir treu. Amen

5 Kommentare:

  1. Danke für die Erinnerung an die Hoffnung in dieser hoffnungslosen Zeit.
    Gott liebt uns und wird uns nie verlassen. Wir merken es leider nicht immer.
    Elisabeth

    AntwortenLöschen
  2. Schönen guten Morgen herzlichen Dank für die herzens warme Karfreitags Predigt!Danke JESUS für deinne LIEBE!AMEN
    GANBRIELA

    AntwortenLöschen
  3. Vielen Dank, ein guter Hoffnungsträger, eine froh bringende Nachricht, alt bekannt und doch oft im Alltag verdrängt. Ein Licht in der Dunkelheit, ein Ende im Tunnel und besonders schön in Zeiten wo hierzulande gerade keine richtigen Gottesdienste stattfinden dürfen. Halleluja. Mit lieben Wünschen Susanne Habert aus Troisdorf, NRW

    AntwortenLöschen
  4. Danke für diese segensreiche hoffnungsgebenden Worte Herr Löhr.
    Herr Jesus ich bitte dich: Mögen viele Menschen von dieser guten befreienden Botschaft hören und sie auch begreifen können. Öffne du die Herzen dafür und Spende von deinem Heiligen Geist.
    AMEN. Jacqueline.

    AntwortenLöschen
  5. Ja, seine Freundschaft und echte Zuneigung (eben Liebe) zu uns ist auch für mich das Wesen des Kreuzes !

    Frohe Ostern aus Köln

    Martina Ecker

    AntwortenLöschen