Mittwoch, 8. Februar 2023

Das Erdbeben und Gott hl

Losung: Unser Herz freut sich des HERRN, und wir trauen auf seinen heiligen Namen. Psalm 33,21 

Lehrtext: Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass. 1.Thessalonicher 5,16-17 

Liebe Leserin, lieber Leser, 

allezeit fröhlich sein? – Unmöglich. Der Apostel Paulus, der so etwas im Lehrtext verlangt, konnte das auch nicht. Oder kannst du das? Auch wer ein sonniges Gemüt hat, dem vergeht in dieser Welt immer wieder der Frohsinn. Da genügt ein Blick in die Zeitung oder auf die Berichterstattung im Fernsehen über Erdbeben, Krieg und andere Katastrophen.

Ich habe schon manche Nachrichten über Erdbeben mitbekommen. Doch jedes Mal gehen mir die Bilder aus den Katastrophengebieten wie jetzt aus Syrien und der Türkei und besonders das Leid der Kinder aufs Neue unter die Haut.

Gott? Hätte er das nicht verhindern müssen? Nach meinen menschlichen Vorstellungen schon. Ja, ich weiß wie Erdbeben entstehen. Aber das ändert nichts daran, dass sie auch mich in meinem Inneren erschüttern. Ob mein Glaube einstürzt und alles unter seinen Trümmern begräbt, worauf ich vertraut und gehofft habe? Möglich ist das, doch ich wehre mich dagegen. Wem wäre auch damit geholfen?

Was dann? Beten für die Opfer und die Bergungsteams? Ja. Spenden? Ja. Und sonst? Zunächst muss ich es aushalten, dass ich keine Antwort weiß, wenn ich gefragt werde oder mich selbst frage, warum Gott solche Katastrophen zulässt. Ist er denn nicht allmächtig? Geschieht denn etwas ohne seinen Willen? Warum hat er die Welt so geschaffen, dass sich solche Unglücksfälle ereignen können? Ich weiß es nicht. Doch weshalb frage ich nur selten, warum er das viele Gute geschehen lässt, das es doch auch gibt?

Sechs Dinge, die ich mir klarmache

Doch zurück zu den aktuellen Ereignissen. Ich mache mir klar:

a) Täglich geschehen überall auf der Welt entsetzliche Dinge. Sie schaffen es nur nicht in die Nachrichten, weil es Einzelfälle sind. Doch in der Summe trifft es mehr Menschen als jetzt in Syrien und in der Türkei. Diese Dinge berühren mich merkwürdigerweise kaum. Ich weiß ja, wir alle leben auf dünnem Eis. Jederzeit kann es einbrechen - überall.

b) Was auch immer Leidvolles geschieht, es ist keine Strafe Gottes. Es gibt neben ihm aber auch keine finsteren, satanischen Mächte, die dafür verantwortlich wären. Das sind lediglich hilflose, menschliche Versuche, um das Unerklärliche zu erklären, weil man es nicht aushält, keine Antwort auf solche Dinge zu haben.

c) Die Schöpfung ist noch nicht zuende. Wir leben inmitten von Umgestaltung und Neugestaltung unserer Erde. Sie wird auch dann weitergehen, wenn es keine Menschen mehr geben wird. Zu den Werkzeugen des Schöpfers gehören auch Vulkanausbrüche, Erdbeben, Tsunamis und andere Naturkatastrophen. So entsteht neuer Lebensraum für alte und neue Lebewesen. Mehr noch, jene „Werkzeuge“ waren und sind überhaupt erst die Voraussetzungen, dass auf der Erde Leben entstehen konnte. Ohne sie gäbe es auch mich nicht.

d) Ich kann immer nur das erkennen, was gerade geschieht, weiß aber nichts über seine Langzeitfolgen. Hätte es die Katastrophen der Vergangenheit nicht gegeben, würde es zwar andere Menschen geben, aber keinen von denen, die heute leben, auch mich nicht. Es wären sich andere Frauen und Männer begegnet und hätten andere Nachkommen gezeugt. Ohne die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs zum Beispiel, hätten sich die Wege meiner Mutter und meines Vaters nicht gekreuzt.

e) Wir reden oft so leichtfertig vom Willen Gottes. Doch was wissen wir schon über ihn? Wir können und wir sollen ihn nicht ergründen, sondern annehmen, manchmal auch unter Tränen und Schmerzen wie Jesus im Garten Gethsemane. Wir haben es schließlich mit der unermesslichen, ewigen und heiligen Kraft zu tun, die wir Gott nennen und die sich uns in Jesus soweit zeigt, wie sie es für richtig hält. Das ist ein winziger Ausschnitt. Wer oder was diese Kraft und Macht ist, wer Gott an und für sich und darüber hinaus ist, werden wir in dieser Welt und Zeit nicht erfahren. Alles andere wäre fromme Anmaßung und Vermessenheit.

f) In dieser zerbrechlichen Welt ist uns zerbrechlichen Wesen Gottes Geist verheißen als Beistand und Trost. In der Kraft seines Geistes glauben und beten wir. Dazu gehört ein empfindsames Herz, dem das Leid anderer nicht egal ist. Dazu gehört, dass wir zurecht hadern und klagen, wenn solche Dinge passieren wie jetzt in Syrien und in der Türkei. Dazu gehört, dass wir trotzdem auf Gottes Hilfe für die Opfer hoffen und auch uns selbst als Teil seiner Hilfe und seines Beistands verstehen. Dazu gehört, dass wir trotz alledem in der Liebe bleiben zu Gott, unseren Nächsten und Fernsten und zu uns selbst. Und dass wir darauf vertrauen, dass er gerade den Leidenden nahe ist, so wie dem sterbenden Jesus am Kreuz, der sich von ihm verlassen fühlte und doch sagen konnte: „Vater, ich lege mich vertrauensvoll in deine Hände.“ (Lukas 23,46; Psalm 31,6). Eine andere Möglichkeit sehe ich für mich nicht, ohne zynisch, kalt und bitter zu werden.

Ich breche hier hab, weil diese Überlegungen den Rahmen der Losungsauslegungen sprengen. Doch zuletzt noch einmal die Frage nach der Freude. Soll ich darauf verzichten, mich meines Lebens zu freuen, das Gott mir geschenkt hat, weil in der großen weiten Welt ständig auch viel Schlimmes passiert? Es gibt Tage wie diese, an denen ich angesichts des namenlosen Leids erschüttert und traurig bin. Es gibt Tage, an denen ich selbst von Leid und Schmerz betroffen bin. Doch sie dürfen nicht verhindern, dass ich mich trotzdem wieder freuen werde über meinen Gott, der mich mit so vielem segnet, auch mit Mitgefühl, auch mit Freude, auch mit großherzigen Menschen, besonders aber mit Jesus Christus, bei dem ich Zuflucht finde, wenn ich Gott nicht verstehe. 

Gebet: Herr, ich klage dir das Leid der Erdbebenopfer. Ich klage dir ebenso das Leid der Vielen, die von Schicksalsschlägen getroffen sind. Auch wenn ich keine Antworten weiß auf die Frage nach dem Warum, so wende ich mich doch an dich, weil du der Helfer in aller unserer Not bist. Du kannst die Kraft geben, Leid zu tragen. Du kannst es wieder wenden. Du bist doch unser barmherziger Vater und zeigst dich uns in Jesus als der große Menschenfreund. Darum will ich dich auch mitten im fremden und eigenen Leid für deine Treue loben. Denn du wirst auch wieder eine Zeit schenken, in der wir fröhlich sind und dich preisen. Amen 

Herzlich grüßt

Ihr / dein Hans Löhr 

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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt. 

5 Kommentare:

  1. Lieber Pfarrer Löhr, mit dem Lesen ihrer Zeilen beginnt schon seit längerem mein Tag. Ihre Worte helfen mir über vieles was ist und vielleicht auch sein kann hinweg. Getragen und gestärkt beginne ich meine Arbeit. Danke, für ihre einfühlsamen Worte, die Hoffnung und Zuversicht spüren lassen.

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  2. Guten Morgen Herr Löhr,
    eine wundervolle Auslegung
    ohne Verklärung aber mit viel Vertrauen und Hoffnung.
    Danke dafür.
    Ute

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  3. Der Lehrtext ist mein Konfirmationsspruch. Aber hier nicht gedruckt ist in den Losungen die 3. Aussage: Seid dankbar in allen Dingen. Die steht bei mir dabei.
    Ich habe viel nachgedacht über diesen Spruch. Für mich stellt er einen Dreiklang des Lebens dar, inhaltlich und zeitlich.
    Inhaltlich wird das Fröhlichsein relativiert oder abgelöst durch dieses "betet ohne Unterlass". Es bedeutet für mich "festhalten an Gott, auch wenns dick kommt". Mit "zeitlich" meine ich auch "Jugend, Mitte, Alter".
    Ob man das so sehen kann?

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  4. Vielen Dank für die gute, aufbauende Auslegung und ihrer Betrachtung im Ganzen. Ich kann dem mit meinen Erfahrungen nur zustimmen.

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