Bibelwort: »Wer standhaft bleibt, wenn sein Glaube auf die Probe
gestellt wird, wird mit dem Siegeskranz des ewigen Lebens gekrönt. Das hat Gott
allen versprochen, die ihn lieben.« Jakobus 1, 12
Liebe Gemeinde,
bist du schon mal an deinem Gott irre geworden? Und was war es,
das deinen Glauben erschüttert hat? Manche sagen: Die Naturwissenschaften haben mich vom
Glauben abgebracht. Die Vernunft spricht einfach dagegen. Das mag sein. Aber
was ist das dann für ein Glaube, für ein Gottvertrauen, das sich durch
Bedenken erschüttern lässt? Andere sagen: Das Verhalten der Kirche
oder von einzelnen Pfarrern habe sie dem Glauben entfremdet. Aber was ist das
für ein Glaube, für ein Gottvertrauen, das durch das Fehlverhalten von Menschen
zerstört werden kann? Wieder andere sagen: Das Leid, das ich selbst erlebt habe
oder das anderen widerfahren ist, hat meinen Glauben und mein Gottvertrauen
erschüttert. Jetzt sind wir beim Kern. Ja, der Glaube kann durch Erfahrungen
und Erlebnisse, die du mit Gott nicht mehr zusammenbringen kannst, auf eine
harte Probe gestellt werden.
Und dazu gehört vor allem das Leid. Es genügt schon, dass du aus
den Nachrichten erfährst, wie Kinder unschuldig leiden und sterben müssen unter
der Gewalt von Erwachsenen, unter ihren Kriegen, unter Missbrauch oder bei Naturkatastrophen. Wenn ich davon in der
Zeitung lese, was hilflosen Kindern angetan wird, werde ich nicht nur zornig.
Das ficht meinen Glauben an und erschüttert mein Gottvertrauen.
Aber noch viel mehr wird dessen Glaube bis in die Grundfesten erschüttert, der sein eigenes Kind verliert,
egal wodurch und in welchem Alter. So stelle ich mir das zumindest vor. Ich selbst bin von einer
solchen Erfahrung bisher Gott sei Dank verschont worden und ich hoffe inständig, dass ich
sie nie machen muss.
Doch dein Glaube wird auch auf die Probe gestellt, wenn du vom
Arzt eine schlechte Nachricht bekommst und weißt, dass deine Krankheit nicht
mehr heilbar ist. Glaubenskrisen stellen sich oft dann ein, wenn wir etwas
verlieren, was uns lieb und teuer ist: den Partner, den Arbeitsplatz, das
Zuhause, die wirtschaftliche Sicherheit, die Gesundheit und das Leben. Dann
beginnen bei vielen die Zweifel: „Was ist nun mit dem lieben Gott? Warum lässt
er das zu? Warum gerade ich?“
Wer von uns hat schon einen Glauben wie Hiob aus der Bibel, der alles verliert: seine ganze Familie, seinen ganzen Besitz, seine
Gesundheit und der dennoch in seinem Leid sagt: »Der Herr hat‘s gegeben, der
Herr hat‘s genommen. Der Name des Herrn sei gelobt!«? Wer kann schon, wenn‘s
ans eigene Leben geht, beten wie Dietrich Bonhoeffer in der Todeszelle der Nationalsozialisten: »Und
reichst du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids gefüllt bis an den
höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar, ohne Zittern, aus deiner guten und
geliebten Hand.« Und wer kann wie Jesus im Garten Gethsemane beten, den Tod vor
Augen: »Ich hab Angst, Vater, ich will nicht sterben. Wenn du mir das ersparen
kannst, dann tue es bitte. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst!« Wir
beten zwar immer wieder: »Vater unser im Himmel, dein Wille geschehe!« Aber meinen wir das wirklich
so?
Vielleicht gibt es solche Menschen auch unter uns, die so
unerschütterlich in ihrem Glauben sind und ähnlich beten können. Ich traue mich das von mir nicht zu behaupten. Ja, in den bisherigen Krisen meines Lebens habe
ich Gott mehr gesucht als sonst. Aber werde ich das auch tun, wenn es um mein
Leben geht oder um das meiner Kinder? Werde ich auch dann noch an Gott
festhalten, wenn ich alles verliere, woran mein Herz hängt? Ich hoffe es, aber
ich weiß es nicht.
Doch ich kann mich auf schwere Krisen seelisch vorbereiten. Ich
kann mir die Glaubenserfahrungen anderer zu eigen machen, die ein hartes Schicksal erlitten haben. Solche Erfahrungen sind vor allem in
unseren Gesangbuchliedern enthalten. Da heißt es unter anderem: »Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht. Größer als der Helfer ist die Not
ja nicht.« (EG 596) Oder: »Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst
mich doch zum Ziele auch durch die Nacht.« (EG 376) Oder »Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir. Wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann
herfür. Wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den
Ängsten kraft deiner Angst und Pein.« (EG 85)
Als Konfirmand habe ich gestöhnt, dass ich solche Verse auswendig
lernen musste. Sie hatten mit meiner damaligen Lebenswirklichkeit nichts zu tun. Und ich hätte sie wohl wieder vergessen, wenn ich sie zwischenzeitlich nicht in
den Gottesdiensten und bei Trauerfeiern immer wieder gesungen hätte.
Jetzt sind sie wie ein Geländer, an dem mein wankender Glaube in Krisenzeiten Halt
findet. Ich denke, dass es vielen von euch hier ähnlich geht. Darum kommen wir
ja immer wieder im Gottesdienst zusammen, um uns hier unseres Glaubens zu vergewissern
und uns von Gott stärken zu lassen. Ganz für dich allein kannst du den Glauben nicht
bewahren. Du brauchst die Gemeinschaft anderer, die mit dir zusammen glauben.
Die mit dir im Gottesdienst singen und beten und immer wieder neue auf Gottes
Wort aus der Bibel hören.
Auch Martin Luther wurde in seinem Glauben immer wieder mal angefochten. So hat er sich sein persönliches Glaubensbekenntnis aufgeschrieben, um es in seelischen Notfälle zur Hand zu haben. Darin heißt es:
»Ich wage und setze mein Vertrauen allein in
den unsichtbaren, unbegreiflichen, einzigen Gott, der Himmel und Erde
erschaffen hat und allein über alles Geschaffene herrscht. …
·
Ich glaube nichtsdestoweniger an
Gott,
ob ich auch von allen Menschen verlassen oder verfolgt wäre.
ob ich auch von allen Menschen verlassen oder verfolgt wäre.
·
Ich glaube nichtsdestoweniger an
Gott,
ob ich auch arm, unverständig, ungebildet und verachtet bin oder nichts besitze.
ob ich auch arm, unverständig, ungebildet und verachtet bin oder nichts besitze.
·
Ich glaube nichtsdestoweniger an
Gott,
ob ich auch ein Sünder bin.
ob ich auch ein Sünder bin.
Ich vertraue beständig auf ihn, wie lange er auch auf sich warten
lässt.
Weil er denn Gott ist, so weiß er, wie er's mit mir aufs Beste machen soll.
Weil er denn Gott ist, so weiß er, wie er's mit mir aufs Beste machen soll.
Und weil ich daran nicht zweifle und setze mein Vertrauen auf ihn,
so bin ich gewiss sein Kind … und mir wird geschehen, wie ich
glaube.«
Ja, manchmal muss man gegen die eigenen Erfahrungen anglauben und
wie Martin Luther sagen: Wie auch immer die Umstände sind,»ich glaube nichtsdestoweniger« oder wie Asaf im Psalm
73 betet: Was auch geschehen ist, »dennoch – dennoch bleibe ich stets an dir, denn du, Gott, hältst
mich bei meiner rechten Hand. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so
bist du doch allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.«
An solchen Worten halte ich mich fest, hält sich mein Glaube fest,
wenn es schwierig wird. Da muss ich nicht selbst etwas erfinden. Da kann ich
mir den Glauben anderer leihen und mir ihre Sätze zu eigen machen. An solchen
und ähnlichen Worten haben sich auch unsere Vorfahren festgehalten, die vor
300 Jahren um ihres Glaubens willen verfolgt und aus ihrer Heimat im Salzburger
Land vertrieben worden sind. Als sie in unserer Dörfer kamen, hatten sie
nichts weiter als ihren Glauben an Jesus Christus. Der gab ihnen Kraft, hier in Franken ein neues Leben zu beginnen.
Und darum ist das die biblische Botschaft für den heutigen Tag und
die neue Woche: Lasst uns, liebe Freunde, unter allen Umständen an unserem Gott und Herrn festhalten. Wir haben sonst niemand, der uns auch im tiefsten Leid sucht,
findet und hält. Der uns den »Siegeskranz des ewigen Lebens« gibt, wenn alles vorbei ist. Unser Glaube wird in diesem Leben immer wieder mal auf eine harte Probe gestellt und erschüttert. Darauf muss ich mich einstellen.
Aber ich kann jetzt schon sagen:
Gebet: »Herr, du siehst doch, wie zerbrechlich mein Glaube ist. Darum
stärke mich. Mach mich gewiss, dass auch mein Kleinglaube, meine Zweifel, meine
Angst mich nicht von dir trennen können. Denn deine Liebe ist stärker als mein
Glaube. Das hilft mir, standhaft zu bleiben in meinen Krisen und Anfechtungen. Das gibt mir neue Kraft. Amen«
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