Bibelwort für
diesen Sonntag: Psalm 103, 1-5
Lobe den
HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den HERRN,
meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir alle deine
Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben
erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich
macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Liebe
Gemeinde, liebe Freunde,
ich habe jetzt zwei Wünsche. Zum einen wünsche ich mir, dass jeder
von euch nachher etwas größer aus der Kirche wieder hinausgeht als er reingekommen
ist, mit erhobenem Kopf und aufrechtem Gang, weil ihn der Gottesdienst
innerlich aufgerichtet hat. Und der zweite Wunsch hat mit dem ersten zu tun. Ich
möchte von jedem von euch eine Antwort auf eine ganz persönliche Frage: Lebst
du gern?
Lebst du gern, auch wenn in deinem Leben ein paar Dinge sind, die
dir nicht gefallen. Lebst du trotzdem gern?
Und so bitte ich, dass jeder, der gern lebt, jetzt einmal die Hand
hebt. Das ist ein starkes Bild, dass jetzt, soweit ich sehen kann,
alle ohne Ausnahme die Hand heben. Vielen Dank.
Du warst schon oft in der Kirche, im Gottesdienst, und hast viel
von dem, was hier gesagt und getan wurde, wieder vergessen. Das ist ganz
normal. Aber diesen Augenblick jetzt sollst du bis zu deinem Lebensende nicht
mehr vergessen. Immer wieder, besonders wenn es dir nicht gut geht, sollst du
daran denken, dass du einmal in der Kirche von dir selbst gesagt hast: „Ich
lebe gern“. Und das hast du vor allen anderen Leuten hier gezeigt, indem du die
Hand gehoben hast. Und du hast es Gott gezeigt. Hast ihm mit deinem Bekenntnis
„Ich lebe gern“ eine Freude gemacht. Und ich habe das auch getan und will das
nicht wieder vergessen.
Ist das so wichtig? Ich meine schon. Denn dieses Bekenntnis stärkt
deine Lebensfreude, macht dir bewusst, was du liebst und schätzt. Es genügt
schon, wenn du dir das immer wieder mal klar machst. Und schon hellt sich deine
Stimmung auf, sieht die Welt freundlicher aus. Auch in diesem Augenblick
erlebst du ein positives Gefühl, da du deine Hand gehoben und so gezeigt hast:
Ja, ich lebe gern.
Wenn es dir einmal nicht gut geht, bewahrt dich dieses Bekenntnis
davor, in Selbstmitleid zu versinken und dich selbst aufzugeben. Vielleicht
kommt einmal die Stunde, in der du auch gerne sterben wirst, weil du alt und
hinfällig und krank genug geworden bist, sodass dir das Leben keine Freude mehr
macht. Aber bis dahin hast du noch Zeit, viele Stunden, Tage, Monate und
hoffentlich auch Jahre, in denen du gern leben können sollst.
Denn genau dazu hat Gott dich ja geschaffen, dass du gern lebst
und dich in und an der Welt freuen kannst, die er gemacht hat. Aber weißt du
auch, warum du gern lebst? Ich finde, das wäre schon gut, wenn du das wüsstest
und es dir wieder in Erinnerung rufen könntest, wenn dir einmal das Leben keine
Freude macht. Darum rege ich jetzt an, dass du dir daheim, vielleicht heute
noch, Zeit nimmst und eine Liste beginnst auf der all die Dinge stehen,
weswegen du gerne lebst. Du kannst diese Liste ja im Laufe der nächsten Tage
und Wochen ergänzen. Ich bin überzeugt, dass da mit der Zeit ganz schön viel
Lebensfreude zusammenkommt. Und dann hebe diese Liste in deinem
Nachttischkästchen auf und hole sie immer wieder mal hervor besonders dann,
wenn dir das Leben keine Freude macht.
Und was soll auf diese Liste stehen?
Ich glaube, dass es oft gar nicht die großen spektakulären Dinge
sind, weswegen wir gern leben, sondern die eher unscheinbaren kleinen Sachen,
an denen wir Freude haben. Und dazu gehören zuerst einmal die Erinnerungen an
das, was Gott dir bisher Gutes getan hat, wie es König David in seinem Psalm
sagt
All die schönen Erlebnisse und Freuden, die du hattest, sie sind
doch nicht einfach weg, sie sind ein Teil von dir und vielleicht ganz tief in
dir versteckt. Aber sie sind da und du kannst sie hervorholen.
Ich nenne mal ein paar Sachen aus meiner Kindheit. Vielleicht
erkennst du dich darin wieder. Um diese Jahreszeit waren es damals die Heuböcke
auf den Wiesen, in denen man sich wunderbar verstecken konnte, in denen es so
herrlich duftete, auf denen man verbotenerweise auch herumklettern konnte,
weil‘s einfach Spaß gemacht hat. Ich erinnere mich an die Maikäfer im
Schuhkarton, die ich stolz mit in die Schule genommen habe, wo sie dann durchs
Klassenzimmer gebrummt sind. Oder an die Indianer- und Cowboyspiele mit
Freunden, ans Kästchenhüpfen im Pausenhof, an meine Lieblingskletterbäume oder
daran, wie gut die Stallhasen gerochen haben, wenn ich ihren Stall wieder
sauber gemacht hatte. Das alles und viel mehr steckt in mir wie die Jahresringe
eines Baumes. Und so könnte ich jetzt weitergehen in die Jugendzeit und in die
Zeit als sich ein junger Erwachsener war und schließlich auf dem Höhepunkt
meines Lebens. Da kommt mir die erste Liebe in den Sinn, die bestandenen
Prüfungen, mein erstes Auto, die Geburt der Kinder, Urlaub am Meer, gute
Erfahrungen im Beruf usw.
Und dazu
gehören auch die schönen Feste daheim und in der Kirche, die Taufen,
Konfirmationen, Trauungen, die Erntedank-, Weihnachts- und Ostergottesdienste.
Alles wertvolle Erinnerungen, die ich nicht missen möchte.
Wenn ich an all das denke, kann ich aus ganzem Herzen in das
Psalmwort einstimmen und mit David sagen: »Lobe den Herrn meine Seele und
vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.« Dieses Erinnern an das Gute, das
Gott dir getan hat, ist eine wichtige Quelle, aus der du immer wieder neue
Kraft schöpfen kannst.
Und wie ist es jetzt? Gibt es jetzt auch etwas, wofür du Gott
loben kannst? Tut er dir auch jetzt etwas Gutes, wofür du ihm danken kannst?
Vor ein paar Tagen habe ich vor dem Schlafengehen noch einen Spaziergang gemacht,
nicht, weil ich besonders Lust darauf gehabt hätte, sondern weil mir die
Vernunft sagte, dass ich mich noch ein bisschen bewegen solle. Doch mit einem
Mal wurde aus der Pflicht Neigung mehr noch, stellte sich ein Glücksempfinden
ein. Es war das letzte Licht des Tages, das sich spät abends über die
Altmühlwiesen ergoss. Im Westen kleidete sich der Himmel in sein schönstes Rot.
Nach dem Regen am Nachmittag lag eine wunderbare Luft über dem Tal, die Wiesen
dufteten und die friedvolle Abendstimmung legte sich auf meine Seele wie ein
weiches Tuch. Ich hatte Zeit zum Nachdenken. Wie von selbst begann es in mir zu
beten, weil ich von Dankbarkeit erfüllt war und mich meines Lebens freute. Und
ich dachte mir, was für ein Geschenk, dass du glauben kannst, dass diese Welt
für dich Gottes Welt ist und du mittendrin als sein Geschöpf leben darfst, von
ihm behütet und gesegnet.
Ja, da war
es mir wieder klar, wie gern ich lebe. Und ich nehme an, dass es dir nicht viel
anders geht. Jeder von uns möchte wohl noch ein paar Jahre auf der Welt bleiben
trotz mancher Widrigkeiten. Jeder von uns weiß, dass die Zeit abläuft, egal wie
alt man ist. Aber mit jedem Tag wird der verbleibende Rest nur umso kostbarer.
Jetzt, in
der Kirche, machen wir uns das wieder bewusst. Jetzt, im Gottesdienst, können
wir, kannst du und ich Gott für dein Leben danken. Jetzt, in diesem Augenblick
können wir gemeinsam sagen: »Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht,
was er dir Gutes getan hat. Lobe den Herrn meine Seele und nimm wahr, was Gott
dir jetzt Gutes tut. Der dir hier Zeit schenkt, damit du
über dein Leben nachdenken kannst. Der dein Herz mit Dankbarkeit füllt für
allen Segen, den er dir geschenkt hat und vielleicht auch für manch schmerzliches
Erlebnis, das auch zu dir gehört und das dich geformt und stärker gemacht hat.
Jetzt können
wir sagen: »Lobe den Herrn, meine Seele«, da wir die brennenden Kerzen auf dem
Altar sehen, Zeichen seiner Gegenwart und Jesu Kreuz, Zeichen seiner Liebe; da
wir den Geruch des Kirchenraumes riechen, der uns seit langem vertraut ist und
die Orgelklänge hören, die die altbekannten Lieder begleiten. Jetzt können wir
dankbar sein für all das und für Gottes Wort, für das Brot gegen die Schuld und
den Wein der Versöhnung im Abendmahl, das wir nachher feiern; auch dafür dass
Gott uns um Jesu willen vergibt und neue Kraft schenkt für diesen Tag und das, was in der
neuen Woche auf uns wartet.
Und auch das
können wir sagen: Lobe den Herrn, meine Seele, nicht nur für das, was er dir
Gutes getan hat, nicht nur für das, was er dir jetzt in diesem Augenblick Gutes
tut. Sondern vertraue darauf, dass er dir auch künftig Gutes tun wird, weil du
zu ihm gehörst und bei ihm bleibst jetzt und in Ewigkeit. Ja, Herr, schau her, ich
lebe gern (Hand heben). Danke.
Hans Löhr
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