Bibelwort zur Predigt: „Mein
Gott, was auch immer geschieht, dennoch bleibe ich stets bei dir, denn du
hältst mich bei meiner Hand. Du führst mich nach deinem Wort und nimmst
mich am Ende in Ehren an. Du bist ja allezeit meines Herzens Trost und
mein Halt.“ Psalm 73,23.26
Liebe Gemeinde,
1972 bekam Heinrich Böll den Literaturnobelpreis, die
höchste Auszeichnung für einen Schriftsteller. Von ihm stammt unter
anderem die wunderbare Satire „Dr. Murkes gesammeltes Schweigen“. Darin bekommt
der Kulturchef eines Rundfunksenders plötzlich Bedenken, dass seine Beiträge
für den Geschmack der Hörer zu fromm seien. Also muss ein junger
Redakteur aus dem letzten aufgenommenen Vortrag vor der Sendung noch schnell
das Wort „Gott“ herausschneiden und durch die Phrase ersetzen „Jenes höhere
Wesen, das wir verehren“. Diesen Satz muss der Kulturchef aber erst noch so oft
auf Band sprechen, wie das Wort „Gott“ in seinem Vortrag vorkommt.
Die Szene ist urkomisch,
weil sich der Kulturchef damit selbst zum Narren macht. Besonders peinlich wird
es, als er den Ausruf „Um Gottes willen“ ersetzen will durch den Ausdruck „Um
des höheren Wesens willen, das wir verehren“. Und das Wort
"Gottvertrauen" ist gleich gar nicht zu ersetzen. Gefragt, was damit
geschehen soll, sagt er „Gottvertrauen? Ach, das lassen wir am besten ganz
weg“. „Was lassen wir weg?“ ruft der Tontechniker. „Gottvertrauen“ sagt der
junge Redakteur bitter.
Gottvertrauen – wie
steht's damit bei dir? Spielt das in deinem Leben eine Rolle? Viele sind ja
irgendwie gläubig. Aber mein Eindruck ist, dass sie in letzter Konsequenz Gott
doch nicht so recht trauen. Wäre es so, würden sie leichter leben. Müssten sie
sich nicht so viele Sorgen machen und Bedenken haben.
Und wie ist das bei mir? Habe ich
Gottvertrauen? Ja, schon. Aber mir ist auch klar, dass es jederzeit erschüttert
werden kann, wenn etwas Schreckliches passiert. Darum hoffe und bete ich, dass
Gott mir auch dann mein Vertrauen erhält und ich an ihm
festhalten kann.
Letzten Montag war ich
erstmals auf der Wartburg. Ich wollte endlich den Ort sehen, an dem Martin
Luther das Neue Testament ins Deutsche übersetzt hat. Die Frau, die uns durch
die Räume geführt hat, stellte besonders Luthers genialen und einzigartigen
Beitrag für die deutsche Sprache heraus. Denn das Deutsche, in das Luther die
Bibel übersetzt hat, gab es zu seiner Zeit nicht. Er musste es sozusagen erst
erfinden und hat aus verschiedenen deutschen Dialekten eine einheitliche
Sprache geschaffen. Das war eine ungeheure Leistung mit Folgen für die weitere
deutsche Geschichte bis heute.
Doch für mich persönlich
ist etwas anderes noch wichtiger. Luther hat in der Bibel das schlichte
Gottvertrauen neu entdeckt, vor allem, wie es Jesus gelehrt und gelebt hat. Und
so hat er für sich noch ein
persönliches Glaubensbekenntnis verfasst, das leider kaum bekannt ist. Für mich aber ist es zum
Kernbestand meines eigenen Glaubens geworden. Einen Auszug daraus will ich euch
nun vorlesen:
»Ich wage und setze
mein Vertrauen allein in den unsichtbaren, unbegreiflichen, einzigen Gott, der
Himmel und Erde erschaffen hat und allein über alles Geschaffene herrscht. …
Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott, ob ich auch von
allen Menschen verlassen oder verfolgt wäre.
Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott, ob ich auch
arm, unverständig, ungebildet und verachtet bin oder nichts besitze.
Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott, ob ich auch ein
Sünder bin.
Ich vertraue beständig auf ihn, wie lange er auch auf
sich warten lässt.
Weil er denn Gott ist, so weiß er, wie er's mit mir aufs Beste machen soll.
Weil er denn Gott ist, so weiß er, wie er's mit mir aufs Beste machen soll.
Und weil ich daran nicht zweifle und setze mein
Vertrauen auf ihn,
so bin ich gewiss sein Kind … und mir wird geschehen,
wie ich glaube.«
Nichtsdestoweniger – Liebe Freunde,
jeder von uns hätte Gründe, Gott nicht zu vertrauen. Denn im Leben eines jeden
gibt es Dinge, die ihn fragen lassen, warum Gott das geschehen lässt, warum er
nicht eingreift, warum er nicht jetzt schon alles zum Besten wendet.
Und wenn du mit deinem
persönlichen Leben zurzeit zufrieden bist – und ich sage bewusst zurzeit, weil
auch dein kleines Glück schnell in Unglück umschlagen kann. Wenn du also mit
deinem Leben zufrieden bist, - mit den Zuständen weltweit kannst du es nicht
sein.
Zu viele Menschen müssen
jetzt in diesem Augenblick überall auf der Erde leiden. Zu viele Gefahren
drohen und hängen wie schwarze Gewitterwolken über unser aller Zukunft. Und
damit meine ich nicht nur den Klimawandel, sondern auch den neuen Rüstungswettlauf,
die Spannungen zwischen den USA und dem Iran, den Populismus in Europa, die
offenen Fragen, was Gentechnik und künstliche Intelligenz aus uns Menschen
machen werden und so weiter.
Darum denken und sagen
heute viele: „Weil es mir in meinem Leben nicht gut geht, weil die Zustände in
dieser Welt so miserabel sind, deshalb glaube ich nicht an Gott, deshalb
vertraue ich ihm nicht.“ Ja, so kann man
das sehen.
Doch zur Zeit Martin
Luthers haben die Menschen nicht weniger gelitten, eher mehr. Kriege
verwüsteten die Länder. Hungersnöte und Seuchen rafften viele dahin.
Die Zukunft war alles andere als rosig. Viele glaubten, dass deshalb die
Endzeit angebrochen sei und die Welt unterginge. Und manche glaubten deshalb
mehr an den Teufel als an Gott.
Aber Luther glaubte anders,
und ich lege euch ans Herz, so wie er zu glauben. Statt uns von Gott
abzuwenden, weil wir negative Erfahrungen machen, lasst uns lieber sagen: ‚Was
auch geschieht, wir vertrauen nichtsdestoweniger auf Gott.‘
Luther hat sein
Glaubenszeugnis nicht in persönlichen Leidens- und Notzeiten geschrieben. Er
hat in ruhigen Stunden darüber nachgedacht und dabei die Einsicht
gewonnen, wie wichtig Gottvertrauen ist. Er wusste aber auch, dass er sich
jetzt, in ruhigeren Zeiten, in den Glauben einüben sollte. Denn wenn erst
einmal die Wogen der Angst über einem Menschen zusammenschlagen und die Feuer
der Leiden brennen, wird es schwer, Gottvertrauen zu lernen und im Glauben Halt
zu finden.
Petrus zum Beispiel erging
es so. Als er aus dem Boot stieg und über das Wasser auf Jesus zuging, bekam
er vor dem Wind und den Wellen plötzlich Angst. Da verließ ihn das Vertrauen
und er begann zu sinken. Es ist das Gottvertrauen, das dich und mich trägt und über das
Wasser der Angst zu Jesus gehen lässt.
Weil das so ist,
vergewissere ich mich jetzt schon meines Glaubens und sage: „Herr, lass mich in schweren Zeiten nicht untergehen. Sei du auch dann mein
Retter und mein Halt (vgl. Psalm 31,1).
Was auch geschieht, ich vertraue dir, denn ich gehöre dir. Du
wirst mich nicht im Stich lassen. Denn du bist mein Gott und weißt, wie
du’s auf’s Beste mit mir machen sollst. “
Gestern haben wir in unserer Gemeinde
einen Mann beerdigt, der nach einem langen Krebsleiden gestorben ist. An seinem
Glauben konnte sich auch die Familie immer wieder aufrichten. Die Witwe
erzählte mir: "Das Letzte, was er zu mir gesagt hat, war, es wird alles
gut!"
Weil das so ist, will auch
ich mich keinem dunklen Schicksal ergeben, was immer das sei. Und du hier
sollst dich ihm auch nicht ergeben. Stattdessen können auch wir sagen: „Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott, ob ich auch krank, einsam
und elend bin. Ich vertraue beständig auf ihn, wie lange er auch auf sich
warten lässt. Denn er weiß, wie er es mit mir auf's Beste machen soll.“
Nein, ich will mich keinem dunklen Schicksal ergeben und du sollst das auch
nicht.
Nächstes Jahr, am 11.
August, sind es genau 2500 Jahre, dass die Schlacht bei den Thermopylen
stattfand. Damals marschierte der Perserkönig Xerxes mit einem riesigen Heer
nach Griechenland, um es zu unterjochen. An einem nur wenige Meter breiten
Engpass stellte sich ihm eine kleine Truppe von gerade mal 300 Spartanern
entgegen. Sie wollten die Feinde solange aufhalten, bis sich der
Großteil des griechischen Heeres in Sicherheit bringen konnte. Später erzählte
man sich, dass Xerxes die kleine Schar aufforderte, den Widerstand aufzugeben
und die Waffen niederzulegen. Doch die Spartaner riefen zu ihm hinüber. „Komm
doch her und hole dir unsere Waffen, wenn du dich traust!“ Und dann kämpften
sie bis zum letzten Mann.
Ich bin eigentlich kein
Freund von militärischem Heroismus. Aber diese Episode passt gut zu jenem Glaubensbekenntnis und zum ‚Nichtsdestoweniger‘. Die Spartaner hatten die
Einstellung: ‚Wir sind zwar gegen das Herr der Feinde eine verschwindend kleine
Zahl, nichtsdestoweniger werden wir kämpfen bis zuletzt. Wir werden uns auf
keinen Fall ergeben.‘
Und als Christ sollte ich die Einstellung haben: „Selbst wenn mir die Zustände in der Welt große Sorgen machen und mir meine eigenen Probleme über den Kopf wachsen und auch wenn ich ein Sünder bin – ich werde nichtsdestoweniger an Gott glauben.“
Wie gesagt, ich bin
gegen sinnloses, militärisches Heldentum. Aber beim Glauben ist das was
Anderes. Da ist der Widerstand gegen den Feind nicht sinnlos, sondern geboten.
Denn unser Feind heißt "Hoffnungslosigkeit“ und unser Gegner
„Verzweiflung" und unser Widersacher heißt "Angst".
Erinnere dich an deine
dunkelsten Stunden, an deine Tränen, als du untröstlich warst. Erinnere dich,
wie du schon mal verzweifelt warst, schwach und teilnahmslos. Wenn wieder
solche schweren Tage kommen, wo du am Boden zerstört bist, dann sage:
‚He du, mein Unglück, pass
bloß auf. Ich biete dir die Stirn. Ich bekenne: In mir schwachem Menschen ist
Gottes Kraft mächtig. In seiner Kraft halte ich dir stand und wenn ich lange
mit dir ringen muss. Ich werde dir den Weg in mein Herz nicht kampflos
überlassen. Ich werde mich mit den geistlichen Waffen wehren, die Gott mir
gibt, mit dem Schild des Gottvertrauens, der mich vor den Pfeilen des Bösen
schützt, mit dem Helm der Gewissheit, dass Jesus Christus mich gerettet hat,
mit dem Schwert des Wortes Gottes (Epheser
4,16+17).
Hör zu, du Trübsinn, du
willst mir die Lebensfreude rauben? Und du, mein Leid, willst, dass ich den
Glauben aufgebe? Und du, mein Elend, willst, dass ich mein Gottvertrauen fahren
lasse? Dass ich die Waffen strecke und mich ergebe? Das werde ich nicht tun!
Also komm her, wenn du dich traust und hol dir meinen Glauben. Freiwillig gebe
ich ihn dir nicht. Ich will mich wehren bis zuletzt und an meinem Gott
festhalten, denn er hält zu mir.‘
Das ist es, was du in
deinen schweren Zeiten sagen kannst. Und ich will das auch sagen können. Bitten
wir Gott, dass er uns die Kraft und den Mut dazu gebe.
Liebe Freunde, für mich ist
das die Haltung des Nichtsdestoweniger, des Trotzalledem. In dieser Haltung
will ich glauben und leben, was auch geschieht. Und du?
Doch wie geht das nun mit
dem Vertrauen auf Gott? Ein Mann wollte das von einer Frau wissen. Da erzählte
sie ihm von Charles Lindbergh, dem ersten Menschen, der am 20. Mai 1927 von New
York aus allein über den Atlantik geflogen ist.
Es war die siebenundzwanzigste
Stunde auf seinem einsamen Flug. Lindbergh hatte die Nacht zuvor mit seiner
einmotorigen „Spirit of St. Louis” schon einen Sturm überstanden. Jetzt kämpfte
er gegen die Müdigkeit. Noch war unter ihm nur Wasser. Noch war von Europa weit
und breit nichts zu sehen. Da packte ihn auf einmal der Zweifel. Was ist,
fragte er sich, wenn es Europa gar nicht gibt? Ich habe es noch nie gesehen,
war noch nie da. Vielleicht existiert es nur in der Phantasie und ich setze
dafür mein Leben aufs Spiel! Aber nein, dachte er, ich weiß doch aus Büchern
und Atlanten, dass es Europa gibt. Menschen haben mir davon erzählt. Ich darf
mich jetzt nur nicht verrückt machen lassen. Muss meinen Kurs halten. Muss
ruhig bleiben und will vertrauen, dass stimmt, was andere mir erzählt haben!
Früher oder später werde ich da sein.
„Und, ist Lindbergh
angekommen”, fragte der Mann? „Ja”, sagte sie, „nach dreiunddreißig Flugstunden
ist er in Paris gelandet.” „Aber das war doch riskant?” „Ja.” „Er hätte
unterwegs ins Meer stürzen können!” „Ja.” „Und du meinst, so ist das auch mit
dem Glauben: also ruhig bleiben, Kurs halten und vertrauen?” Doch sie
antwortete nicht, sondern sah ihn nur an.
Denn die Antwort, ob man Gott
trauen will, müssen wir uns letzten Endes selbst geben. Was sagte nochmal der
Kulturchef zu seinem Rundfunkvortrag? „Gottvertrauen? Ach, das lassen wir am
besten ganz weg.“ Soll er nur. Wir, liebe Freunde, du und ich, wir halten daran fest! Amen
Hans Löhr
Eine tolle und nachdenklich stimmende Predigt. Wo finde ich das wiedergegebene Glaubensbekenntnis Luthers?
AntwortenLöschenEin Bekenntnis Martin Luthers
AntwortenLöschenIch glaube an Gott Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden.
DAS IST:
Ich entsage dem bösen Geist, aller Abgötterei, aller Zauberei, allem Missglauben.
Ich setze mein Vertrauen auf keinen Menschen auf Erden,
auch nicht auf mich selbst,
auch nicht auf meine Gewalt, Kunst, Gut, Frömmigkeit
oder was ich sonst hab.
Ich setze mein Vertrauen auf keine Kreatur,
sie sei im Himmel oder auf Erden.
Ich wage und setze mein Vertrauen
allein auf den unsichtbaren, unbegreiflichen, einzigen Gott,
der Himmel und Erde erschaffen hat
und allein über alle Kreatur herrscht.
Wiederum entsetze ich mich nicht ob aller Bosheit
des Teufels und seiner Gesellschaft,
d e n n m e i n G o t t h e r r s c h t ü b e r s i e a l l e.
Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott,
ob ich auch von allen Menschen verlassen oder verfolgt wäre.
Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott,
ob ich auch arm, unverständig, ungelehrt und verachtet bin
oder aller Dinge ermangele.
Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott,
ob ich auch ein Sünder bin.
Denn dieser mein Glaube soll und muss schweben über allem,
was da ist und nicht ist.
Ich begehre auch kein Zeichen von Gott, ihn zu versuchen.
Ich vertraue beständiglich auf ihn, wie lange er auch verzieht.
Ich setze ihm kein Ziel keine Zeit und kein Maß,
sondern stelle es alles seinem göttlichen Willen anheim
in einem freien, richtigen Glauben.
So er denn allmächtig ist, -
was mag mir gebrechen, dass er mir's nicht geben könnte?
So er Schöpfer Himmels und der Erden ist und aller Dinge ein Herr, -
wer will mir etwas nehmen oder schaden?
Dieweil er denn Gott ist,
so weiß er, wie er's mit mir aufs Beste machen soll.
Dieweil er Vater ist,
will er's auch tun und tut es herzlich gern.
Und dieweil ich daran nicht zweifle und setze mein Vertrauen auf ihn,
so bin ich gewiss sein Kind, Diener und Erbe ewiglich
und mir wird geschehen, wie ich glaub.