Losung: HERR, deine Augen, sind sie nicht auf Treue gerichtet? Jeremia 5,3
Lehrtext: Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ist auch im Großen ungerecht. Lukas 16,10
Liebe Leserin, lieber Leser,
Jesus erzählte
folgende Geschichte (Lukas 16,1-8): »Es war ein reicher Mann, der
hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm
seinen Besitz.2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da
von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht
Verwalter sein.
3 Da sprach
der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt;
graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4 Ich weiß, was
ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt
abgesetzt werde.5 Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen
jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn
schuldig?
6 Der sprach:
Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin
und schreib flugs fünfzig. 7 Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie
viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm
deinen Schuldschein und schreib achtzig.«
Falls du, liebe Leserin,
lieber Leser, „bibelfest“ bist, weißt du, wie die Geschichte weitergeht. Falls
nicht, wirst du dich wundern: »8 Und der Herr lobte den
ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte.« Und
jetzt kommen die letzten beiden Verse, darunter unser heutiger Lehrtext:
»Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die
Kinder des Lichts 9 Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem
ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die
ewigen Hütten. 10 Wer im Geringsten treu ist, der ist
auch im Großen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ist auch im
Großen ungerecht.«
Zerbrochener Kopf
Über dieser wunderlichen Geschichte zerbrechen sich viele bis heute den
Kopf. Auch meiner hat schon Sprünge. Aber ich will die Worte Jesu in der
gebotenen Kürze anders auslegen als in den Auslegungen und Predigten, die
ich kenne. Ob mir das gelungen ist, musst du beurteilen. Jedenfalls will ich
nicht behaupten, dass meine Auslegung die einzig richtige sei.
Hier nun mein Versuch in Stichworten:
1. Jesus war kein Morallehrer. Solche gab es zu seiner Zeit unter den
Juden und auch in der übrigen antiken Welt zuhauf.
2. Was er sagte, war neu, überraschend, provozierend, und stellte die bisherigen
religiösen Vorstellungen oft auf den Kopf*. Wie er sich verhielt, war für einen
frommen Juden seiner Zeit höchst ungewöhnlich, ja anstößig.
3. Er bestätigte die Menschen nicht in ihren Ansichten, sondern forderte sie
heraus zu einem neuen Glauben, zum unbedingten Vertrauen auf Gottes bedingungslose Liebe ohne Wenn
und Aber und auf seine voraussetzungslose Gnade (Freigebigkeit, Großzügigkeit, Geschenk),
ohne jegliches Zutun von uns Menschen.
Mit diesem Vorverständnis lese ich
diese Geschichte aus Lukas 16 und komme zu folgendem Ergebnis:
Der reiche Mann (Gutsbesitzer, Herr) ist, wie auch in anderen Gleichnissen,
Gott. Der Verwalter wird von anderen bei ihm angezeigt. Sie bezichtigen ihn nicht
der Unterschlagung oder Bereicherung, sondern dass er das Vermögen des „reichen
Mannes“ verschleudert habe. Darüber soll er nun Rechenschaft geben.
Der Gutsbesitzer ist reich. Die Schuldner sind arm. Der Verwalter
erleichtert ihnen die Schuldenlast. Als
der reiche Mann den wahren Sachverhalt
erfährt, nennt er seinen Verwalter zur großen Verblüffung aller nicht
„ungerecht“, sondern „klug“, straft ihn nicht, sondern lobt ihn. Denn es macht ihm nichts aus, dass der Verwalter seinen überfließenden, unerschöpflichen Reichtum der an die Bedürftigen verteilt, im Gegenteil.
Für mich, liebe Leserin, lieber Leser, spricht hier Jesus von sich
selbst in der Rolle des Verwalters. Doch wie so häufig im Neuen Testament, werden
von Anfang an seine Gleichnisse und Geschichten, sein Handeln und sein
Schicksal von den eigenen Anhängern missverstanden. Um dieser Geschichte das
Anstößige zu nehmen, werden wieder einmal fromme Erklärungen hinzugefügt von „den
Kindern des Lichts“, „von den ewigen Hütten“ und der moralisch einwandfreie und
allgemeingültige Satz aus unserem Lehrtext. Dagegen ist nichts einzuwenden. Er ist auch für mich ein Maßstab. Doch
diesen Satz hätte auch jeder andere Morallehrer sagen können ob Christ oder
nicht.
Und die Losung? Ja, die Augen des Herrn sind auf Treue gerichtet, auf
die Treue Jesu und derer, die seiner überfließenden, unerschöpflichen Liebe bedürfen. Ich bin einer von ihnen. Und du?
Gebet: Herr, wie bin ich froh, dass du kein Allerweltsgott mit moralischem Zeigefinger bist. Du zeigst dich in Jesus als Freund deiner Menschen, um uns zu vergeben und mit deiner Liebe zu heilen. Ja, du bist mir treu. Auf dich kann ich mich verlassen. Auf mich und meine Treue nicht. Amen
Herzlich grüßt
Ihr / dein Hans Löhr
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*Zum Beispiel „Die Arbeiter im Weinberg“ Matthäus 20,1-15; „Das Gleichnis von Sämann“ Markus 4,1-8; „Das Gleichnis vom verlorenen Sohn“ Lukas 15,11-32; „Jesus und die Ehebrecherin" Johannes 8,1-11; „Jesus isst mit den Sündern“ Matthäus 9,9-11 .....
Nachruf für Antje Vollmer von Hans Löhr
Dass sie bald sterben würde, war zu befürchten, sie, die aus meiner Sicht, zu den dünn gesäten Aufrichtigen und Unbestechlichen in Politik und Kirche gehörte. Obwohl sie es bis zur Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages brachte, klebte sie nicht am Sessel der Macht. Sie stieg aus der Politik wieder aus, als sie selbst es für angebracht hielt.
1987 auf dem Kirchentag in Frankfurt, habe ich Antje Vollmer persönlich kennengelernt. Damals habe ich als Münchner Studentenpfarrer ein Gespräch mit Familie von Braunmühl organisiert. Gerold von Braunmühl, ein deutscher Diplomat, war kurz zuvor von der Roten Armee Fraktion RAF ermordet worden. Seine Familie schrieb damals einen offenen Brief an die Mörder und forderte sie auf, sich zu erklären. Antje Vollmer nahm spontan als Gast an diesem Gespräch teil. Sie bat mich, an ihrer Stelle den kranken RAF-Terroristen Bernd Rösner, der am Überfall auf die deutsche Botschaft in Stockholm beteiligt war, in der Justizvollzugsanstalt Straubing zu besuchen und Kontakt mit ihm zu halten.
Es hat Antje Vollmer ausgezeichnet, dass sie über den großen politischen Themen das Schicksal Einzelner nicht aus den Augen verloren hat. Sie hat nicht nur geredet, sondern sich auch dafür eingesetzt, was sie gesagt hat.
Von Anfang an hat sie in der Partei "Die Grünen" mitgemacht und sich als überzeugte Christin und Pazifistin für Entspannung, Abrüstung und Frieden eingesetzt.
Wenige Tage vor ihrem Tod, veröffentlichte sie am 26. Februar ihr politisches Vermächtnis unter dem Titel "Was ich noch zu sagen hätte". Darin bezeichnet sie den inzwischen anti-pazifistischen, militaristischen Kurs der Grünen als "persönliche Niederlage".
Am Schluss schreibt sie: "Heute aber gilt, wer die Welt wirklich retten will, diesen kostbaren, einzigartigen, wunderbaren Planeten, der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen. Wir haben nur diese eine Zukunftsoption."
Antje Vollmer war eine besonnene, klar denkende, mitfühlende und kluge Frau, eine engagierte Theologin mit christlichem und humanistischem Kompass. Sie starb am 15. März 2023 im Alter von 79 Jahren. Ich vermisse sie.
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1728 erschien
in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das
für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes
Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die
täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das
Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt.
Großen Dank Herr Löhr für den Nachruf und die Würdigung Antje Vollmers. Sie war großartig und einzig.
AntwortenLöschenDanke für diesen Nachruf, diese Frau ist ein Vorbild für uns alle !
AntwortenLöschenUlla