Sonntag, 14. November 2021

Was stark und sicher macht (Predigt) hl

Bibelwort: „Alles, was du vom anderen willst, darin komme ihm zuvor.“ Matthäus 7,12 

Liebe Gemeinde, 

was gibt dir das Gefühl, stark zu sein?

Als ich ein Kind war, habe ich gerne Indianer und Cowboy gespielt. Ich wollte immer Winnetou sein. Meine Eltern taten mir den Gefallen und kauften mir einen Federschmuck und ein Spielzeuggewehr. Und von meinem älteren Bruder habe ich verbotenerweise das Fahrtenmesser ausgeliehen. So ausgerüstet fühlte ich mich mächtig stark. Denn jetzt war ich nicht mehr der kleine Hansi. Jetzt war ich Winnetou, der bewaffnete Häuptling der Apachen. Hugh!

Leider fühlten sich meine Freunde, die die Cowboys waren, mit ihren Revolvern, Patronengürteln und Cowboyhüten ebenfalls stark und ließen sich von mir nicht so ohne weiteres an den Marterpfahl binden.

Was ich damals für mein Leben gelernt habe: Waffen geben Menschen ein Gefühl von Stärke, nicht nur den Kindern, sondern auch den Erwachsenen. Und die Waffennarren, von denen ab und zu in der Zeitung zu lesen ist, die zu Hause eine Vielzahl von Gewehren und Pistolen horten, sind in der Regel ängstliche, schwache Charaktere. Sie versuchen ihre Minderwertigkeitsgefühle mit dem Besitz von Waffen auszugleichen.

Wie aber ist das mit der Bevölkerung eines Staates, der viel Geld für Militär und Rüstung ausgibt? Wir Deutsche zum Beispiel, machen Waffen uns stark? Bannen sie unsere Ängste? Und vor wem haben wir eigentlich Angst?

Im Lehrtext für den heutigen Sonntag heißt es: »Nun, da ihr Gott erkannt habt, ja vielmehr von Gott erkannt seid, wie wendet ihr euch dann wieder den schwachen und dürftigen Mächten zu, denen ihr von Neuem dienen wollt? Galater 4,9

"Schwache und dürftige Mächte"

Ich zähle Waffen, Rüstung, Militär und Armeen zu diesen »schwachen und dürftigen Mächten“. Sie spiegeln nur einen Schein von Macht und Stärke vor. Sie versprechen, das eigene Volk vor dem jeweiligen Feind zu schützen. Aber sie bewirken meist das Gegenteil, wenn man zum Beispiel an die beiden Weltkriege des letzten Jahrhunderts denkt. Statt Sicherheit zu geben, hatten die Kriege der Wehrmacht nur Zerstörung, Elend und Tod zur Folge.

Heute, am Volkstrauertag, ist es unsere Aufgabe, dass wir der Opfer der Kriege gedenken und aus der Geschichte lernen, damit sie sich nicht wiederholt. Was aber haben wir gelernt?

Ich denke an Afghanistan. Viele Millionen Euros und Dollars wurden für diesen Krieg ausgegeben. Und jetzt, nach dem Rückzug, ist die Situation wieder genau so wie vor dem Einmarsch. Die fanatischen Taliban sind wieder an der Macht. Die 55 toten Soldaten der Bundeswehr und die vielen tausend toten Zivilisten in Afghanistan – sie waren umsonst. Stattdessen sind nun viele auf der Flucht und versuchen verzweifelt an Polens Grenze nach Europa zu kommen.

Warum suchen wir immer wieder Zuflucht zu den schwachen und dürftigen Mächten, zu Militär, Waffen und Gewalt? Warum trauen wir nicht der Macht und Kraft unseres Gottes, der den Himmel und die Erde geschaffen hat und dich und mich? Warum trauen wir nicht den wirkmächtigen Worten Jesu, mit denen er zum Frieden mahnt und zu Petrus sagt: »Stecke dein Schwert in die Scheide; denn jeder, der zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.« Oder anders gesagt: „Weg mit den Waffen, denn wer zu den Waffen greift, kommt durch sie um.“

Doch trotz dieser Mahnungen und trotz aller schlechten Erfahrungen gerade von uns Deutschen, greift man immer wieder danach. Natürlich tut man das in bester Absicht. „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt“, sagte der ehemalige Verteidigungsminister Struck. Immer wird nur verteidigt, das Vaterland, die Freiheit, die Menschenrechte. Nie wird angegriffen. Warum gibt es dann Krieg? Warum müssen so viele leiden und sterben? Warum?

Man kann das alles auch anders sehen als ich. Man kann das so verstehen, wie es schon immer verstanden worden ist und bis heute von der Mehrheit der Bevölkerung gesehen wird. Demzufolge ist das Militär für ein Land unverzichtbar. Demzufolge muss man sehr viel Geld für Rüstung ausgeben, um gegen einen Angriff des Feindes gewappnet zu sein. Nur so kann man sich stark und sicher fühlen. Doch um so zu denken, muss ich kein Christ sein, muss ich nicht an Gott glauben. So denkt man in allen Gesellschaften und Religionen in allen Ländern der Erde. Aber ist dieses Denken vernünftig? Urteile selbst. Ist es mit dem Glauben an Jesus Christus vereinbar?

Die Goldene Regel

Was aber gibt dann einem Volk äußere Sicherheit? Was macht es stark? Ich meine, wie im Kleinen, im Umgang mit meinen Mitmenschen, so gilt auch im Großen, im Verhältnis zwischen den Staaten, die Goldene Regel, die Jesus zitiert. Sie heißt:

„Alles, was du vom anderen willst, darin komme ihm zuvor“:

·          Du willst, dass sich der andere Mensch, der andere Staat nicht feindselig verhält? Dann tue es du auch nicht und beginne damit.

·          Höre also auf zu drohen und suche das Gespräch.

·          Höre auf, den anderen an den Pranger zu stellen und ihn in die Ecke zu treiben, sondern begegne ihm von gleich zu gleich.

·         Lass deine Soldaten in deinem Land. Schick sie nicht zu Kriegseinsätzen in andere Länder und sei es in bester Absicht.

·         Misch dich nicht in die inneren Angelegenheiten des anderen ein, du hast genug mit deinen eigenen zu tun. (Vergleiche (Jesus in Matthäus 7,3-5 u.a.)

·         Boykottiere das andere Land nicht, sondern versuche so viel Handel zu treiben wie möglich.

·         Suche die Partnerschaft und nicht die Feindschaft.

·         Bedenke, dass du und dein Volk nicht automatisch die Guten und die anderen die Bösen sind.

·         Wirf nicht den ersten Stein. Du könntest im Glashaus sitzen.

·         Versuche vielmehr zu verstehen, warum der andere so ist wie er ist, so redet wie er redet, so handelt wie er handelt. Auch er hat seine Gründe so wie du.

Das, liebe Freunde, wäre Jesu Goldene Regel in der Politik. Sie würde sofort die Spannungen zwischen den Nationen vermindern und schon damit zu mehr Sicherheit beitragen. Sie würde Gespräche ermöglichen, wo jetzt nur Beschuldigungen zu hören sind. Sie würde dazu führen, dass man sich begegnet und besser kennenlernt. Diese Regel, dass man zuerst tut, was man sich vom anderen wünscht, kann stärker und mächtiger sein als jede Armee, wenn man sich danach richtet und handelt.

Nur schöne Worte?

Aber ist das realistisch? Sind das nicht nur schöne Predigtworte? Nein, denn das hat schon einmal geklappt während des kalten Krieges, als Bundeskanzler Willy Brandt gegen erbitterten Widerstand im eigenen Land die Ostpolitik einführte. Damals, Anfang der 70er Jahre, gab er Garantien für sichere Grenzen. Er leitete Abrüstungsverhandlungen in die Wege und machte gezielt Entspannungspolitik. Seine wichtigste Friedensgeste war, als er am 7. Dezember 1970 vor dem Denkmal für die Opfer des Warschauer Gettos gekniet hat.

Das waren die Voraussetzungen für den friedlichen Wandel 1989, für die Wiedervereinigung ohne Gewalt. Diese Politik im Geist der Goldenen Regel wäre auch jetzt angebracht, da im Schatten von Corona und Klimakatastrophe wieder wie verrückt aufgerüstet wird, nur dieses Mal ohne Verhandlungen und ohne Politikerinnen und Politiker, die das Format haben, Feindschaften zu beenden und Partnerschaften anzubahnen. Die Entspannungspolitik, die damals die beste Garantie für den Frieden war, wäre es auch heute.

Was gibt dir das Gefühl, stark und sicher zu sein? Die Pistole im Nachttisch und die NATO im Osten? Für mich heißt die Antwort: Vertraue auf Gott, er ist deine Stärke. Sei freundlich und entgegenkommend zu den Menschen. Sei besonnen und klug. Amen

4 Kommentare:

  1. Kann nur sagen, supergut u schön, danke. Ich erfreue mich jeden Morgen an dem Blog. Er ist für mich wie das tägliche Brot. Danke lieber Hans von Herzen

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  2. Dem kann ich mich nur anschliessen.
    Gottes Segen für uns alle.
    Nun danket alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen...
    Elisabeth

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  3. "Was gibt dir das Gefühl, stark und sicher zu sein?" Die allerletzte Aussage/Antwort stimmt zweifellos. Ansonsten erhoffe ich mir auch Sicherheit durch einen Schutz der NATO (nicht im Osten, aber hier bei uns und für uns) ggü. Machtgelüste Dritter und da fallen mir einige Potentaten ein. Wer weiß, wie es nach 1945 weitergegangen wäre, wenn die Allierten mit ihren Waffen die unvorstellbare Ent-Wicklung nicht mutig (freilich auch schlimmen weiteren Auswirkungen bei uns) beendet hätten?! Ganz so einfach ist es eben nicht!!!

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  4. Danke. Das ist alles sehr gut und in sich vernünftig/logisch. Und der Idee kann ich gut folgen. Ich möchte andererseits aber auch nicht vergessen, dass ich sehr froh bin, dass die Aliierten damals gut bewaffnet das Nazi-Regime zerstört haben. Was wäre nur geschehen, wenn sie Hitler nicht Einhalt hätten bieten können.

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