Losung: HERR, ich warte auf dein Heil. Psalm 119,166
Lehrtext: Er, der für all das als Zeuge einsteht, sagt: »Ja, ich komme bald.« Offenbarung 22,20
Liebe Leserin, lieber Leser,
gestern Nachmittag habe ich im Buch von
Christian Nürnberger „Keine Bibel“ gelesen. Darin erzählt er zentrale Geschichten
aus dem Alten und Neuen Testament auf dem Hintergrund der Ergebnisse der
modernen Bibelwissenschaften. Unter anderem habe ich sein
Verständnis der Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas gelesen. Dann bin
ich bei Sonnenuntergang spazieren gegangen und habe mir die Kopfhörer in die
Ohren gesteckt, um leise meine Lieblingsmusik zu hören. Plötzlich wählte mein
Smartphone aus einer Vielzahl von Songs diesen aus:
In der Nacht von Bethlehem
da ist ein Kind geboren.
Gottes Liebe kam zu uns, wir sind nicht mehr verloren.
Jesus, Heiland der Welt.
1. Endlich ist die Dunkelheit bezwungen, / Gottes Licht ist zu uns
durchgedrungen. / Endlich ist die Nacht vorbei, / und endlich werden Menschen
frei, / das Ende wird zum Anfang, Gott ist da.
In der Nacht von Bethlehem …
2. Wer du bist, Gott will auch dir begegnen. / Er will jetzt dein
ganzes Leben segnen. / Lass ihn in dein Leben ein, / denn du sollst seine Wohnung sein, / sein
Licht wird dich erfüllen: Gott ist da!
In der Nacht von Bethlehem …
(Peter
Strauch, * 10. Januar 1943 in Wetter an der Ruhr, freikirchlicher Liederdichter)
Ich war zunächst ganz schön verdutzt. Nein, ich glaube auch in diesem Fall nicht an ein Wunder. Und doch war ich berührt. Ich weiß auch, dass die Weihnachtsgeschichte des Lukas ein kunstvoll gestalteter Mythos ist und nicht auf Tatsachen beruht. Wahrscheinlich ist Jesus ganz unspektakulär in Nazareth geboren. Aber ich weiß auch, was Lukas längst vor mir wusste, dass man von Gott und Jesus nur in solchen Erzählungen zutreffend reden kann. Seine Geburtsgeschichte enthält so viel Tiefsinn und Glaubenswahrheit, dass ich auf keinen Fall darauf verzichten möchte. Sie tröstet mich und belebt mein Vertrauen. Sie lässt mich Gottes Liebe spüren und ihn wieder lieben. Ohne die wunderbare Geschichte vom Kind in der Krippe könnte ich vielleicht gar nicht glauben – und auch nicht ohne die vom Mann am Kreuz. Die aber ist für mich kein Mythos, sondern schonungslose Wirklichkeit.
Vieles bleibt in
der Schwebe
Und während ich durch die gemähten Altmühlwiesen ging, wurde mir wieder klar: Ich darf und will diese Geschichten nicht mit der falschen Frage zerstören, ob sie so geschehen sind oder nicht. Überhaupt habe ich es in der Bibel mit Gottes Geist zu tun, der das, worauf es ankommt, in der Schwebe lässt. Käme ich aber mit den schweren Stiefeln der Rechtgläubigkeit, der Dogmatik und des Biblizismus daher, würde ich Gottes Geist verjagen wie einen scheuen Vogel und das feine und kostbare Gewebe der biblischen Erzählungen zertreten.
Weder die Bibel noch der Glaube lassen sich dingfest machen. Wenn ich in ihr lese, geschieht etwas zwischen ihr und mir. Manchmal sehe ich nur dürre, schwierige Sätze vor mir. Oft aber beginnen ihre Worte und Geschichten zu leben und zu reden und bewegen mein Gemüt, wecken meine Gefühle und schenken mir neue, überraschende Einsichten. Und darum kann, will und werde ich nicht auf die Weihnachtsgeschichte verzichten, weil sie eben auf eine höhere Weise wahr ist. Und von dieser Wahrheit singt auch jenes Lied.
In späteren Zeiten ist ein ganzer Kranz von Liedern und Geschichten entstanden, die sich um die Weihnachtserzählung ranken und sie deuten. So zum Beispiel die Legende von den „heiligen drei Königen“ oder die poetische Erzählung „Die heilige Nacht“ von Selma Lagerlöf. Selbst Ochs und Esel sind erst nachträglich in sie ‚eingewandert‘.
Raum für neue Glaubenserfahrungen
Möglicherweise ist ja auch das ein Grund, weshalb Jesus keine einzige Zeile in der Bibel selbst geschrieben hat, weil er nicht in den unfruchtbaren Streit hineingezogen werden möchte, ob alles buchstabengetreu und wortwörtlich geglaubt werden muss. "Denn der Buchstabe tötet", schreibt der Apostel Paulus, "aber Gottes Geist macht lebendig" (2. Korinther 3,6). Er sperrt mich nicht in erstarrte Vorschriften und Bekenntnisse ein, sondern schafft weiten Raum für neue Glaubenserfahrungen mit ihm.
Von Gott, wie er sich mir in Jesus zeigt,
soll man meines Erachtens Geschichten erzählen, die in der Schwebe bleiben und
so immer wieder neu Menschen ergreifen. Da ist nichts in
Stein gemeißelt. Da reden Menschen zu Menschen auf menschliche Weise, oft
unzulänglich und doch bewegt von einem Geist, der nicht von dieser Welt ist.
Vielleicht spürst du, wie ich um Worte ringe, um das letztlich Unsagbare zu sagen. Da ist manches nicht fertig und wird es auch nicht werden. Da bedarf es weiteren Nachdenkens, Nachsinnens und immer wieder auch der Begegnung mit Liedern und Geschichten, die das Herzen berühren.
Gebet: Herr, du bist das Geheimnis der Welt und meines Lebens. Du lässt dich nicht ausrechnen, entschlüsseln und beweisen. Du willst von mir geglaubt werden, dass ich mit dir auch ohne Worte reden kann, im Innersten berührt und voll tiefer Zuneigung. Ich danke dir, dass du mich für dich gewonnen hast und bitte dich, bei mir zu bleiben wo ich auch bin und wie es mir auch geht. Ich muss ja nicht mehr auf dich warten (Losung), denn du bist längst da, in der Nacht von Bethlehem und auch in meinen Tagen und Nächten. Amen
Herzliche Grüße und eine gesegnete, neue Woche!
Ihr / dein Hans Löhr
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»Die Bibel ist so voller Gehalt, dass sie mehr als jedes andere
Buch Stoff zum Nachdenken und Gelegenheit zu Betrachtungen
über die menschlichen Dinge bietet.« J.W. von Goethe aus: „Dichtung und Wahrheit“
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1728 erschien
in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das
für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes
Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die
täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das
Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt.
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Danke 🙏
AntwortenLöschen...in der Schwebe bleiben - welch wunderbares Bild am Anfang des Tages - es macht mich leicht und neugierig. EF
AntwortenLöschenWas für schöne Gedanken zum Wochenbeginn! Möge unser Vater mich an jedem Tag leiten. Danke wieder für Ihre Mühen. Einen behüteten Tag wünsche ich.
AntwortenLöschenVielen herzlichen Dank für Ihre ehrlichen und zum Nachdenken anregenden Worte. Wie gut dass unser Glaube nichts Starres ist, sondern beweglich und lebendig.
AntwortenLöschenAuch Ihnen eine gesegnete und behütete Woche!
Danke für Ihre berührenden Worte. Sie spiegeln auch mein Bemühen wieder mit dem manchmal schwer verdaulichen Inhalt der Bibel in Verbindung zu treten. Auch mein Trost ist: Gottes Geist berührt uns durch diese vielschichtige Schrift. Vielleicht müssen wir uns auf die Stille und den Frieden hinter den Buchstaben einlassen oder einfach die göttliche Liebe durch Jesus und den Heiligen Geist spüren.
AntwortenLöschenHerzliche Grüße, Rüdiger
Danke für dieses schöne Gebet
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