Freitag, 9. August 2024

Raus aus der Todeszelle! hl

Losung: Befreie, die zum Tod geschleppt werden, und rette, die zur Hinrichtung wanken! Wenn du sagst: Sieh, wir haben das nicht gewusst! – wird er, der die Herzen prüft, es nicht durchschauen? Sprüche 24,11-12 

Lehrtext: Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit. 1.Korinther 12,26 

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor 10 Jahren, am 25. Juli 2014, hatten wir schon mal dieselbe Losung wie heute. Dass sich ein Losungswort im Lauf der Jahre wiederholt, kommt immer wieder vor. Der „Topf“, aus dem die Losungen gezogen werden, enthält nur eine begrenzte Anzahl. Nicht jedes Bibelwort eignet sich als geistlicher Impuls für den Tag. Doch weil meine Auslegung damals leider auch heute noch zutrifft, drucke ich sie hier noch einmal ab:

Wer wissen will, kann wissen 

Ehrlich gesagt, mich macht das heutige Losungswort etwas hilflos. Wie soll ich denn diejenigen befreien, die in den Todeszellen in Nord- und Südkorea, in den USA, in Saudi-Arabien, in Israel, im Iran, in Indien, in Japan oder Ägypten, in China oder Somalia auf ihre Hinrichtung warten?* Das einzige, was ich tun kann, ist, für Menschen zu beten, die mir namentlich bekannt sind und eine Petition von Amnesty International zu unterschreiben.

Bringt das was? In vielen Fällen nicht. In Einzelfällen schon. Gestern meldete tagesschau.de, dass in Arizona (USA) der wegen Doppelmordes hingerichtete Joseph Wood fast zwei Stunden einen qualvollen Todeskampf hatte, bevor er an der Giftspritze gestorben ist.

Ebenfalls gestern meldete die Deutsche Presse, dass die im Sudan einer Todesstrafe entgangene Christin Mariam Jahia Ibrahim mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern nach Italien ausreisen konnte und vom Papst empfangen wurde. Sie sollte wegen ihres Glaubens hingerichtet werden und hat noch im Gefängnis eine Tochter zur Welt gebracht. Internationales Aufsehen und Entrüstung sorgten schließlich dafür, dass sie von einem Berufungsgericht freigesprochen wurde. Zehntausende haben über die Gefangenenhilfsorganisation (klick:) Amnesty International und auf Twitter oder Facebook ihre Freilassung gefordert. Das konnten die Machthaber im Sudan offenbar nicht ignorieren. Gott und den Fürsprechern von Mariam Jahia sei Dank!

Nein, ich werde die vielen Hinrichtungen nicht verhindern können. Aber falls meine Gebete, meine Spenden und meine Unterschrift mit dazu beitragen, dass ab und zu ein Menschenleben gerettet wird, war der Einsatz nicht umsonst.

Wegschauen verboten!

Wenn ich etwas aus dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte gelernt habe, das (inzwischen) vor gerade mal 79 Jahren zu Ende gegangen ist, dann dies, dass ich nicht wegschauen darf, wenn himmelschreiendes Unrecht geschieht. Und es geht auch nicht, einerseits Gott Lobpreislieder zu singen und andererseits zu sagen: »Wir haben das nicht gewusst!« (Losung) Wer wissen will, kann wissen [heute leichter und mehr als je zuvor]. Das galt damals und gilt heute. Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, der selbst in der Todeszelle saß und schließlich von den Nazi-Henkern im KZ Flossenbürg umgebracht wurde, schrieb in jener finsteren Zeit: »Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen.« (‚gregorianisch‘ heißt eine bestimmte Weise des Gottesdienstgesangs).

Der Lehrtext heute macht mir bewusst, dass mir Jesus auch – und vor allem – in den Elenden, Misshandelten, Gefangenen und Flüchtlingen meiner Zeit begegnet. Wenn mich ihr Schicksal kalt lässt, dann lässt er mich auch kalt, selbst wenn ich widerspreche. Dann bin ich mit meinem inneren Seelenfrieden zufrieden, aber allein, und meine Lobpreislieder und Gebete gehen ins Leere. So lese ich es im Evangelium des Matthäus im Kapitel 25. 

Gebet: Herr, bewahre mich davor, dass mein Glaube zur Sünde wird, wenn es mir nur um meine persönliche Beziehung zu dir geht und ich darüber das Leid meiner Mitmenschen übersehe. Gib mir ein waches Gewissen, ein mitfühlende Herz und den Mut, zu reden und zu handeln, wo es möglich ist. Amen

Herzliche Grüße,

Ihr / dein Hans Löhr

* Insgesamt sind es weltweit 18 Staaten. Russland ist nicht dabei, aber Belarus (Weißrussland)

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»Die Bibel ist so voller Gehalt, dass sie mehr als jedes andere Buch Stoff zum Nachdenken und Gelegenheit zu Betrachtungen über die menschlichen Dinge bietet.«
 J.W. von Goethe aus: „Dichtung und Wahrheit“
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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt.
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5 Kommentare:

  1. Herzlichen Dank für diese Auslegung.

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  2. Möge unser Herr allen beistehen die in Sorge und Not sind! Wer sonst, außer unserm himmlischen Vater kann das unsägliche Leid vieler Menschen lindern. Hoffen wir auf seine Barmherzigkeit. Ich wünsche einen gesegneten Tag.

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  3. Lieber Pastor Löhr,
    guten Morgen und danke für den bewegenden Kommentar.
    Hm, beim Lesen kam mir erneut der Gedanke, ob Sie ein Israelproblem haben.
    Seit dem 16.Februar 1954 hat Israel die Todesstrafe abgeschafft. Damit ist es der einzige Staat in der Region von Nordafrika bis Japan, der diese Strafe nicht mehr vorsieht. Ausnahme: Naziverbrecher wie Adolf Eichmann 1962.
    Allerdings wird gegenwärtig die Einführung der Todesstrafe für Terroristen diskutiert. Das Gesetz liegt allerdings „auf Eis“. (Quelle:Israel heute)

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  4. Lieber Herr Löhr,
    Danke für dies Auslegung.
    Genau, wir dürfen nicht wegschauen und die Not vielleicht sogar unserer sogenannten Feinden Ignorieren.
    Und die endlosen Ungerechtigkeiten müssen immer angeprangert oder verändert werden.
    Wir sollen es nicht wie die drei Affen machen.
    Und Jesus hat sicher auch nicht nur gebetet die ganze Zeit.
    Er war aktiv unterwegs und hat gesagt was er für richtig hielt im Namen Gottes.
    Gott allein kann nicht alles richten es braucht auch uns Menschen.
    So verstehe ich das Evangelium.

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