Liebe Gemeinde,
heute am Gedenktag der Reformation möchte
ich mit euch über unseren evangelischen Glauben nachdenken. Denn was auch immer
zur Reformation, zur Erneuerung der Kirche beigetragen hat, an ihrer Wiege
stand nicht die Gewalt mit Feuer und Schwert, nicht Macht oder das große Geld,
auch keine große wissenschaftliche Erkenntnis. An der Wiege der Reformation
stand still und unscheinbar der Glaube, das schlichte Gottvertrauen, welches
Martin Luther in der Bibel wiederentdeckt hat. So wie wir uns vorhin gemeinsam mit seinem Glaubensbekenntnis
dazu bekannt haben (siehe unten).
Unser Reformator war ja zunächst auch gar
nicht auf große äußere Veränderungen und Reformen bedacht. Ihm ging es in
erster Linie um die Reform, um die Erneuerung des Glaubens. Eine Reformation
der Kirche muss auch heute, so meine ich, immer beim einzelnen Gläubigen
beginnen, sonst wird daraus eines der vielen wirkungslosen Reformprogramme, das
schnell wieder verpufft. Von Martin Luther habe ich gelernt, dass die
Reformation zuerst eine Reformation, eine Erneuerung des Herzens ist.
Er hatte sich damals ängstlich gefragt:
»Wie kriege ich einen gnädigen Gott?« Was muss ich tun, damit ich vor ihm
bestehen kann und nicht auf ewig verdammt bin? Doch ihm war bald klar, dass er
trotzdem, dass er ins Kloster ging, betete, fastete, beichtete und so weiter
immer ein Sünder bleiben würde. Er wusste, dass er aus sich heraus nicht heilig
werden konnte. Darüber wäre er fast verzweifelt.
Eines Tages hat er in der Bibel entdeckt,
dass Gott gar nicht erst gnädig gestimmt werden muss, sondern dass es sein
Wesen ist, gnädig zu sein. In Jesus Christus hat Martin Luther den gnädigen
Gott gefunden, den, der den Thron des Weltenrichters verlässt und die Menschen
in ihrer Angst aufsucht, der ihnen sein Vertrauen schenkt und so ihren Glauben
weckt, der die Verkrümmten aufrichtet, die Verlorenen sucht und den Schuldigen
vergibt.
Und das, liebe Gemeinde, ist wohl die
bedeutendste und zugleich am wenigsten verstandene Entdeckung der
Religionsgeschichte. Martin Luther hat wiederentdeckt, was Jesu
zentrale Botschaft war: Nicht wir Menschen müssen an Gott glauben, sondern Gott
glaubt zuerst an uns Menschen. Diese Einsicht finde ich in keiner anderen
Kirche oder Religion. Sie erst weckt auch in uns einen freien und dankbaren
Glauben.
Die Menschen, denen Jesus begegnete, haben
genau dies erfahren: Da glaubt einer an meinen Wert. Da glaubt einer, dass ich
es wert bin, dass er mir hilft, dass er mich heilt und mir vergibt. Und warum?
Weil ich ein kostbares und einzigartiges Geschöpf Gottes bin, von ihm gesegnet
und von ihm geliebt. Das habe ich mir nicht verdient. Womit auch. Das ist mir
geschenkt.
Nach dieser Entdeckung wusste Luther,
worauf es bei Gott ankommt. Dass du dir nicht erst im Selbstzweifel den Kopf
und das Herz zerbrechen darfst, ob du denn auch würdig und fromm genug bist,
von Gott angenommen zu werden. Sondern dass du schlicht und einfach darauf
vertraust, dass es so ist, dass du von ihm angenommen und ihm recht bist.
Das meint Glauben in erster Linie und nicht ein Fürwahrhalten von religiösen
Sätzen, Dogmen und übernatürlichen Wundern.
Von Luther habe ich gelernt, dass ich Gott
vertrauen soll, weil er an mich glaubt so wie ein Vater an seinen Sohn, seine
Tochter glaubt. Denn er weiß, was in seinem Kind steckt, auch wenn es versagt
hat. Er schaut nicht auf einzelne Fehler, sondern traut ihm zu, aus den Fehlern
zu lernen und seinen Weg zu machen. Einem solchen Vater kann ich wieder
vertrauen. An ihn kann ich glauben, weil ich weiß, was in ihm steckt: Ein Herz
voll Gnade und Liebe, voll Güte und Barmherzigkeit.
Martin Luther hat es so gesagt: Wenn du
schon durch die Taufe Christ bist, wenn du schon an Gott glaubst, dann wäre es
dumm, an ihn nur ein bisschen und nicht ganz und gar zu glauben. »Einen Gott
haben«, so schreibt er zum ersten Gebot, »heißet etwas haben, darauf das Herz
gänzlich vertraut.« Denn dieses «Gebot fordert: das ganze Herz des Menschen und
alle Zuversicht auf Gott allein zu setzen und auf niemand anders.«
# Mit nichts als diesem Vertrauen hat sich
der Mönch aus Wittenberg allen Ängsten, Zweifeln und Anfechtungen entgegen
geworfen.
# Mit nichts als diesem Vertrauen hat er
den Kaiser und den Papst herausgefordert.
# Mit nichts als diesem Vertrauen hat er
sich an das Werk gemacht, die Kirche zu reformieren.
Das heißt nicht, dass Luther keine Ängste
und Zweifel, keine Schwierigkeiten und Leiden mehr gekannt hätte. Aber das hat
es für ihn doch geheißen, dass er in allen Ängsten und Zweifeln, in allen
Schwierigkeiten und Leiden immer wieder festen Boden unter die Füße bekam, eine
Basis, auf der er selber stehen konnte. Eine Basis, auf der unsere lutherische
Kirche heute noch steht und wir mit ihr. Und diese Basis heißt Gottvertrauen.
Amen
(Das gesprochene Wort ging über die schriftliche Fassung hinaus)
(Das gesprochene Wort ging über die schriftliche Fassung hinaus)
Glauben
heißt vertrauen
Ein Bekenntnis Martin Luthers
Ich
glaube an Gott
den
Vater, den allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde.
Das heißt:
Ich setze mein Vertrauen in keinen Menschen
auf Erden,
auch nicht in mich selbst,
auch nicht in meine Kraft, Können, Besitz,
Frömmigkeit oder was ich sonst habe.
Ich setze mein Vertrauen in keine Kreatur,
sie sei im Himmel oder auf Erden.
Ich wage und setze mein Vertrauen
allein in den unsichtbaren, unbegreiflichen,
einzigen Gott,
der Himmel und Erde erschaffen hat und allein
über alles Geschaffene herrscht.
Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott,
ob ich auch von allen Menschen verlassen oder
verfolgt wäre.
Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott,
ob ich auch arm, unverständig, ungebildet und
verachtet bin oder nichts besitze.
Ich glaube nichtsdestoweniger an Gott, ob ich
auch ein Sünder bin.
Denn dieser mein Glaube muss schweben über
allem, was da ist und nicht ist.
Ich verlange auch kein Zeichen von Gott, um
ihn auf die Probe zu stellen.
Ich vertraue beständig auf ihn, wie lange er
auch auf sich warten lässt.
Ich setze ihm kein Ziel, keine Zeit und kein
Maß,
sondern überlasse alles seinem göttlichen
Willen
in einem freien und aufrichtigen Glauben.
Wenn er denn allmächtig ist, -
was mag mir fehlen, dass er mir's nicht geben
könnte?
Wenn er der Schöpfer des Himmels und der Erde
ist und Herr über alle Dinge, -
wer will mir etwas nehmen oder schaden?
Weil er denn Gott ist,
so weiß er, wie er's mit mir aufs Beste
machen soll.
Weil er mein Vater ist, will er's auch tun und
tut es herzlich gern.
Und weil ich daran nicht zweifle und setze
mein Vertrauen auf ihn,
so bin ich gewiss sein Kind, Diener und Erbe
ewiglich
und mir wird geschehen, wie ich glaube.
Luthertext revidiert von Hans Löhr Weimarer
Ausgabe Band 6 S.215, 23-216, 29
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen