Sonntag, 25. Juli 2021

Warum Menschen helfen hl

Predigt in der Peterskirche in Thann

Liebe Freunde,

am 10. Juli früh morgens gegen 6:00 Uhr kam das Hochwasser der Altmühl nach Thann, überschwemmte die Anwesen unmittelbar am Fluss und lief in die Keller. Sogar die Straße davor wurde überflutet und musste gesperrt werden.

Die betroffenen Anwohner brachten noch in der Nacht ihre Sachen in Sicherheit. Dann kam die Freiwillige Feuerwehr und pumpte mit starken Pumpen immer wieder das Wasser ab, damit es nicht die Stromversorgung erreichte. Die meist jungen Leute packten kräftig mit an und blieben die darauffolgende Nacht und den ganzen Tag, um die Situation zu überwachen.

Da sich alles in Grenzen hielt, wurden alsbald Bierbänke aufgestellt und die Helfer machten aus der Situation das Beste: Sie setzen sich zusammen und ließen es sich bei Essen und Trinken gut gehen.

Ein paar Tage später in der Eifel war den Menschen nicht mehr nach Feiern zumute. Da liefen nicht nur die Keller voll. Da hat das Wasser ganze Häuser samt ihren Bewohnern weggerissen. Vermutlich sind über 200 Menschen ums Leben gekommen. Zahlreiche wurden schwer verletzt. Eine Lawine aus Wasser, Schlamm, Geröll, Bäumen und beschädigten Autos ergoss sich in die Dörfer und richtete schwerste Verwüstungen an.

Auch da waren die Feuerwehren vor Ort. Aber das reichte bei weitem nicht. Ohne lange nach dem Staat und seinen Behörden zu rufen, packten alle mit an, die konnten. Besonders die Bauern mit ihren Maschinen und Geräten waren eine große Hilfe. Sie holten auf eigene Kosten und eigenes Risiko die Trümmer und den Schlamm aus den Straßen und Höfen und transportierten alles ab.

Manche von den Freiwilligen haben sich über die überwältigende Dankbarkeit der Flutopfer gefreut. Doch sie waren auch enttäuscht, dass sie von offizieller Seite nichts gehört haben. Vielleicht hat man ja inzwischen die Anerkennung und das Dankeschön nachgeholt, auf das die Helfer in der ersten Zeit vergeblich gewartet haben.

Und jetzt will ich mit euch die ganze Angelegenheit im Licht des Glaubens betrachten. Was hat es denn mit der Hilfsbereitschaft und mit dem Dank auf sich? Es stimmt mich für unsere Gesellschaft hoffnungsfroh, dass in Notfällen so viele helfen. Da wird nicht erst lange gefragt: „Was habe ich davon?“. Da wird einfach angepackt und nicht wenige arbeiten dann bis zu Erschöpfung. Und, da bin ich mir sicher, das würde auch die Feuerwehr von Thann machen und alle Bewohner und auch noch die aus den umliegenden Dörfern, wenn die Not groß wäre. So will ich an dieser Stelle schon einmal allen, die jetzt im Einsatz waren, ein herzliches Dankeschön sagen. Auf euch kann man sich verlassen.

Aber woher kommt diese Hilfsbereitschaft? Im Predigtwort für diesen Sonntag sagt Jesus: »Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.
So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.« Matthäus 5, 13-16  

Wenn du das genau liest, dann fällt auf, dass es hier nicht heißt: Ihr sollt Salz und Licht sein, sondern ihr seid es. Das gilt damals wie heute. Wer auch immer seinen Mitmenschen in Not hilft, ist ein solches Salz und ein solches Licht. Er tut das ja nicht, weil er soll, sondern weil er will. Offenbar steckt Hilfsbereitschaft in viel mehr Menschen, als man normalerweise annimmt. Und natürlich wird ihnen auch zu Recht gedankt. Sie haben jede Anerkennung verdient.

Doch Jesus schließt bei seinen Worten mit einer Überraschung. Er sagt: »Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen.« Und nun erwartet man, dass er fortfährt: »und dass sie euch dafür danken und preisen.« Stattdessen sagt er: »damit sie euren Vater im Himmel preisen«.

Das ist interessant und aufschlussreich. Denn das besagt doch, Gott selbst ist es, der das Gute in jedem Menschen bewirkt, egal ob dieser gläubig ist oder nicht, Christ oder nicht. In jedem Menschen lebt und wirkt etwas von der großen und guten Macht, die wir Gott nennen. Oft spürt man nichts davon. Und viele haben davon auch keine Ahnung. Sie helfen halt, weil sie in sich den Wunsch dazu verspüren. Doch woher dieser Wunsch und diese Hilfsbereitschaft kommen, darüber machen sich die meisten keine Gedanken. Müssen sie auch nicht.

Doch uns hier hilft das, Gott besser zu erkennen. Er ist nicht weit weg. Er ist zu jeder Zeit und an jedem Ort bei dir und wirkt in dir. Er gibt dir täglich Mut und Kraft zum Leben. Aber er wirkt auch durch dich und ist so für deine Mitmenschen da. Dafür können wir ihn preisen.

In einem bekannten Satz heißt es: »Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun. Er hat keine Füße, nur unsere Füße, um zu denen zu gehen, die in Not sind. Christus hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um Menschen zu ermutigen und zu trösten. Er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe, um anderen zu helfen und sie für sich zu gewinnen«. (Modifikation: HL)

Dass Gott auch durch mich anderen hilft, das ist meine Ehre. Das ist die Ehre eines jeden, dem seine Mitmenschen nicht gleichgültig sind und der ihnen in der Not beisteht. Ja, jeder Mensch kann Salz der Erde und Licht der Welt sein, wenn er nicht nur an sich, sondern auch an andere denkt. Er kann das sein, nicht weil er soll, sondern weil Gott in ihm wirkt.

Zuletzt aber will ich noch auf die Frage eingehen: Warum hat Gott so eine verheerende Flut wie in der Eifel überhaupt zugelassen? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Natürlich könnte ich jetzt sagen: Es war wieder einmal der Mensch, der durch Unvernunft und Gier die Natur so misshandelt hat, dass er nun die Folgen tragen muss. Aber solche Sätze helfen jetzt nicht weiter. Auch wenn manche schnell mit Schuldzuweisungen bei der Hand sind, ich will mich daran nicht beteiligen. Aber das will ich: Ich will von meinem Gott sprechen, der mir manchmal fern und fremd ist, wenn ein Unglück passiert, das ich nicht verstehe. Der aber dann plötzlich auch wieder ganz nahe ist und mir in meinem Unglück und Leid beisteht. Und das tut er nicht zuletzt durch andere Menschen, die dann für mich da sind.

Der Dichter Friedrich Hölderlin hat das im Jahre 1802 so ausgedrückt: »Nah ist und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.« Ja, einerseits ist Gott nah. Andererseits ist er wieder nur schwer zu fassen und zu begreifen. Aber das gilt und diese Erfahrung hat jeder von uns schon gemacht und werden wir auch künftig machen: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Das war im Kleinen beim Hochwasser in Thann. Das war im Großen beim Hochwasser in der Eifel. Das ist auch bei dir so, wenn du Hilfe brauchst. Denn, so heißt es in dem beliebten Lied ‚Harre meine Seele‘: »Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht. Größer als der Helfer ist die Not ja nicht!«

Auf ihn, liebe Freunde, lasst uns vertrauen in guten und in schlechten Zeiten, in Glück und im Leid, im Sterben und im Leben. Amen

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