Sonntag, 22. August 2021

Wir lassen die Kirche im Dorf (Predigt) hl

Liebe Gemeinde,

die Kirchweih war in früheren Zeiten eines der wenigen Feste, meistens sogar das einzige Fest auf dem Dorf, an dem die jungen Leute ausgelassen sein konnten. Oft von den Pfarrern missbilligend beäugt, weil da getanzt und getrunken wurde und was  junge Leute sonst noch so tun.

Aber warum? So war halt die Zeit und die Moral. In vielen evangelischen Pfarrhäusern war, zumindest nach außen hin, immer Karfreitag. Selbst auf der Kirchweih sollte es nach damaligen Begriffen anständig und gesittet zugehen. Aber was ist das dann für ein Fest, wenn die jungen Leute und manche ältere keinen Spaß haben und nicht auch mal über die Stränge schlagen dürfen?! Versteht denn Gott keinen Spaß? Kann er, der die Freude geschaffen hat sich nicht mit seinen Menschenkindern freuen? Nein, er ist kein Spaßverderber, das zeigt Jesus, der auf der Hochzeit zu Kana 750 Liter Wasser in besten Wein verwandelt hat, damit das Fest weitergehen konnte. 750 Liter, das sind 1000 fränkische Bocksbeutel. Prost!

Ich freute mich jedes Mal, wenn im Thanner Bierzelt nicht nur die jüngeren Leute gefeiert haben, sondern auch unsere Seniorinnen, also die Damen vom Gemeindenachmittag. Sie saßen einträchtig auf einer Bierbank nebeneinander und haben sich über die Leute unterhalten, die aus- und eingingen. Da hatten sie ihren Spaß, und den hab ich ihnen von Herzen gegönnt genauso wie das Bier und das Salzknöchle auf ihrem Tisch. 

Schade, dass uns Corona nun schon zum zweiten Mal einen Strich durch unsere Zeltkirchweih gemacht hat. Aber nächstes Jahr holen wir das alles nach. Da bleibt dann kein Auge und keine Kehle trocken. Nein, die Thanner „Kerwa“ lassen wir uns von niemandem nehmen. Bis nächstes Jahr sind alle geimpft und dann gibt es keinen Anlass mehr, dass wir auf dieses Fest verzichten.

Ich denke, wir haben allen Grund, Kirchweih zu feiern, auch wenn vielen das nicht mehr bewusst ist. Was wäre denn unser Dorf ohne die Peterskirche? Und was die Kirche ohne die Dörfer unserer Gemeinde? Sie ist ja um der Menschen willen da. Hier feiern wir unsere Familienfeste und Jubiläen. Hier werden die Kinder und Enkel getauft. Hier werden sie konfirmiert. Hier werden die Brautpaare gesegnet. Hier nehmen wir Abschied von unseren Toten. Und immer wieder feiern wir hier an den Sonntagen und Feiertagen Gottesdienst: 

Am Erntedankfest stehen die Körbe mit den Erntegaben auf den Altarstufen. Am Ewigkeitssonntag brennen hier auf dem Altar die Kerzen für die Verstorbenen des letzten Jahres. Am ersten Advent hängt wieder der Kranz unter der Empore und das Adventstor vor dem Altar wird geöffnet. An Weihnachten steht unsere schöne Krippe vor dem großen Christbaum. An Ostern schmückt eine neue Osterkerze die Kirche. An Pfingsten stehen zwei Birken links und rechts vom Altar.

Und sooft wir uns hier treffen, heißt es zu Beginn: „Unsere Hilfe stehet im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Wir sind hier zusammenkommen, um miteinander Gottes Wort zu hören, ihn mit unseren Liedern zu loben und zu preisen, das Brot des Lebens und den Wein der Versöhnung zu empfangen und alles, was ein jeder von uns auf dem Herzen hat, im Gebet vor Gott zu bringen.“

Wer weiß schon, meine Lieben, was hier in den vergangenen Jahrhunderten nicht schon alles vor Gott gebracht worden ist. Erinnerst du dich noch an das eine oder andere Gebet, das du hier leise gesprochen hast? An die Bitten in deiner Not und an den Dank für Gottes Hilfe und Segen? Erinnerst du dich noch an die Tränen, die du hier heimlich geweint hast und an die stille Freude, die du in deinen glücklichen Tagen hier empfunden hast?

Und so wie dir ging es hier deinen Eltern und Großeltern und all den Vorfahren, die du gar nicht mehr kennst. In den 20 Jahren, in denen ich nun schon hier mit euch Gottesdienst feiere, ist mancher Platz verweist. Aber ich weiß noch genau wo einst der Jul Dürnberger gesessen hat und der Schmied, der Heiner Schnotz und die Frau Schwab aus Thann. Oder der Karl Niedermüller, die Maria Binner und die Maria Braun aus Selingsdorf. Oder die Elise Kratzer, der Georg Seiler und der Meyers Schorsch aus Winkel. Oder der Heinz Herzog und der Hans Haberecker aus Kallert. Oder der Buckel Heiner, die Schmidts Luis samt Bruder Hans und die Frau Straßner aus Kaudorf und viele mehr, die ich hier jetzt nicht alle aufzählen kann. Sie alle liegen nun vor der Kirche auf dem Friedhof.

Inzwischen besuchen andere die Gottesdienste in der Thanner Kirche und sitzen auf ihren Plätzen. Ich bin zuversichtlich, dass das auch künftig so bleibt, dass immer wieder welche nachrücken und auch auf euren Plätzen einmal andere sitzen. Sie werden dann genauso wie ihr jetzt Gottes Wort hören, singen und beten. Man muss nicht immer gleich schwarz sehen.

Jeder von euch hat so seine ganz persönlichen Gründe, warum er hierher in den Gottesdienst kommt. Aber das verbindet uns miteinander, dass wir uns hier unserem wunderbaren Gott nahe fühlen, dem Schöpfer von Himmel und Erde, von dir und mir, unserem barmherzigen Vater. Und dass hier das Evangelium von unserem Herrn Jesus Christus verkündigt wird, der Gottes Liebe zu uns auf die Erde gebracht hat, durch den uns vergeben ist und wir eine lebendige Hoffnung haben, die über den Tod hinausreicht.

Das alles geschieht hier in der Peterskirche, deren Weihe wir jetzt feiern. Und so wollen wir uns heute aufs Neue versprechen: Wir lassen die Kirche im Dorf. Wir halten dieses Haus in Ehren, das unsere Vorfahren gebaut haben und wir ehren in ihm unseren Gott, wie auch sie ihn geehrt haben. 

Denn in all den Stürmen der Zeit und unseres Lebens finden wir hier Zuflucht und Trost, bekommen wir neuen Lebensmut und schöpfen wir neue Hoffnung. Hier fassen wir Vertrauen zu unserem Gott, der bei uns ist und bleibt in guten wie in schlechten Zeiten und der seine schützende und segnende Hand über unsere Gemeinde hält und jeden, der bei uns wohnt. 

Das, liebe Freunde, ist doch Grund genug, dass wir jedes Jahr aufs Neue Kirchweih feiern. Heuer noch mit gebremstem Schaum. Nächstes Jahr aber wieder so, wie wir es seit vielen Jahren gewohnt sind. Denn die Thanner und die Bewohner aus den Dörfern unserer Gemeinde lassen sich die Freude am Leben nicht verderben. Auch sie ist schließlich Gottes Geschenk. Amen

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