Dienstag, 25. Oktober 2022

Wie die Bibel lesen? hl

Losung: Der HERR sprach zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst? Jona 4,4 

Lehrtext: Wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid. Und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. Galater 6,1 

Liebe Leserin, lieber Leser,

lange Zeit haben Christen die Bibel so gelesen, wie Muslime den Koran heute noch lesen, als ein heiliges Buch aus feststehenden, ewigen Wahrheiten, die man alle unhinterfragt glauben muss. Aber schon Martin Luther hat vor 500 Jahren beim Lesen der Bibel seinen Verstand nicht ausgeknipst und mit seiner Kritik nicht hinterm Berg gehalten, was zum Beispiel die neutestamentlichen Schriften wie den Jakobusbrief oder die Offenbarung des Johannes betrifft. Für ihn war der entscheidende Maßstab seiner Kritik, was in der Bibel den Geist Jesu atmet („Was Christum treibet“) und was nur vom üblichen, menschlichen Geist zeugt, der allzu oft von problematischen Gefühlen bestimmt ist.

Da nun mal irrtumsfähige Menschen mit ihren Vorurteilen und Interessen, Ängsten und Wünschen und dem Wissensstand vor 2000 bis 3000 Jahren die biblischen Schriften verfasst haben, findet man immer beides: wunderbare Glaubensaussagen von großer Tiefe neben nur allzumenschlichen, zeitgebundenen und persönlich gefärbten Sätzen.

Paulus - ein Mensch in seinem Widerspruch

Ein gutes Beispiel dafür ist der hochintellektuelle und gleichzeitig hochemotionale Apostel Paulus, bei dem ein scharfer Verstand und ein hingebungsvoller Glaube mit aggressiven Urteilen und negativen Gefühlen vermengt sind. Das macht mir den Apostel aber sympathisch, weil es ihn menschlich macht, und ich seine Schriften mit Zustimmung und Kritik, Nachsicht und Widerspruch lesen kann. So auch seinen Brief an die Galater, aus dem der heutige Lehrtext stammt.

Diesem Lehrtext kann ich durchaus zustimmen. Aber ihm, Paulus, möchte ich sagen, dass er sich doch als erster an seine eigenen Sätze halten möge oder zumindest zugeben, dass auch er immer wieder daran scheitert. Jedenfalls kann ich den Lehrtext nicht vereinbaren mit folgendem Satz, der ebenfalls aus seinem Brief an die Galater stammt: »Wie schon einmal, so sage ich es noch mal: Wenn jemand euch ein Evangelium predigt, anders als ihr es (von mir) empfangen habt, der sei verflucht.« (Galater 1,9).

Sanftmut statt Gewalt, Selbstkritik statt Selbstgerechtigkeit

Solche Sätze haben später in der Kirchengeschichte viel Unheil angerichtet. Sie führten dazu, dass Christen, die nicht linientreu waren, verketzert, aus der Kirche ausgestoßen und nicht selten verbrannt wurden. Dem tschechischen Reformator Jan Hus ist es so ergangen. Und Martin Luther hat 100 Jahre später einfach nur Glück gehabt, dass sein Kurfürst die Hand schützend über ihn gehalten hat, oder besser gesagt, dass Gott ihn vor dem Scheiterhaufen bewahrt hat.

Ja, Paulus hat im Lehrtext schon recht. Es steht uns Christen gut an, wenn wir uns unsere Fehler und Irrtümer nicht um die Ohren schlagen, sondern wenn einer dem anderen mit Sanftmut zurechthilft, ohne Rechthaberei, Druck oder gar Gewalt. Und erst recht, ohne ihn zu verfluchen. Selbstgerechtigkeit hilft uns in den Schwierigkeiten, die wir miteinander haben, nicht weiter, aber Selbstkritik. Kein Mensch ist perfekt und fehlerlos, Paulus nicht und ich erst recht nicht.“

Gebet: Herr, ich danke dir für den Glauben der Menschen in der Bibel, aus dem mein Glaube wächst. Ohne sie würde ich von dir nichts wissen und könnte ich nicht auf dich vertrauen. Amen 

Herzliche Grüße,                           

Ihr / dein Hans Löhr

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1 Kommentar:

  1. Das sind wieder wunderbare klare und schöne Gedanken. Danke! Nur Paulus brauchdt du das hier nicht sagen. Ich denke dass er auch sich delbst gemeint hat. So wie er ja im Römer Brief schreibt "Das was ich tun will, tue ich nicht ..."

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