Freitag, 7. Oktober 2022

Zorn und Gnade hl

Losung: Sein Zorn währet einen Augenblick und lebenslang seine Gnade. Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens ist Freude. Psalm 30,6 

Lehrtext: Wir rühmen uns auch Gottes durch unsern Herrn Jesus Christus, durch den wir jetzt die Versöhnung empfangen haben. Römer 5,11 

Liebe Leserin, lieber Leser, 

»Augenblick und lebenslang« – immerhin überwiegt selbst nach dem Zeugnis des Alten Testaments Gottes Gnade seinen befürchteten Zorn bei weitem. Ich kann verstehen, warum man von Gottes Zorn gesprochen hat und manchmal immer noch spricht. Es geschehen eben hin und wieder schreckliche Dinge, die sich manche Gläubigen nicht anders erklären können, als dass Gott zornig auf sie sei oder auf die gottlose Welt oder auf wen auch immer. Dann kommt zum Leid auch noch die Angst. Ich spreche lieber von Gottes Gnade, also davon, dass er seinen Geschöpfen alles schenkt, was sie für Leib und Seele brauchen. Sie aber müssen ihm nichts dafür geben. Sie könnten das auch nicht.

Was überwiegt

Natürlich kann man jetzt gegen meinen Satz mit Extrembeispielen argumentieren und all die furchtbaren Dinge aufzählen, unter denen Menschen gelitten haben und leiden. Ja, diese Dinge geschahen und geschehen. Für Beispiele muss man nicht lange suchen. Du findest selbst genug. Aber was hilft es, wenn ich darauf starre wie das Kaninchen auf die Schlange und mich dadurch in meinem Glauben irre machen und im Leben lähmen lasse? Meiner Erfahrung nach überwiegt seine Gnade solche negativen Erfahrungen um ein Vielfaches.

Ich habe es an dieser Stelle schon oft gesagt und sage es jetzt wieder: Es geschehen Dinge zwischen Himmel und Erde, die ich einfach nicht verstehe. Ich kann sie mir und anderen nicht erklären. Das gilt für die furchtbaren Dinge. Das gilt mehr noch für die Wunder, die Gott ständig geschehen lässt, damit Leben insgesamt und insbesondere meines und deines möglich ist. Jedenfalls halte ich daran fest, dass Freude und Lachen das Leid und die Tränen überwiegen.

Und nun versuche ich den Lehrtext zu verstehen: im Zusammenhang heißt er:
Nachdem wir jetzt durch Christi Blut gerecht gemacht sind, werden wir durch ihn erst recht vor Gottes Zorn gerettet werden. Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Gottes Feinde waren, werden wir erst recht, nachdem wir versöhnt sind, gerettet werden durch sein Leben. Mehr noch
, ebenso rühmen wir uns Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir jetzt schon die Versöhnung empfangen haben.

Die Denkkategorien des Apostels Paulus

Blut, Zorn, Tod, Feinde – Vielleicht musste Paulus als ehemaliger Pharisäer in diesen Kategorien denken, um Jesu Kreuzestod zu begreifen. Aber deshalb muss ich das nicht. Ich war und bin kein »Feind Gottes« und du auch nicht. Und Jesus musste nicht am Kreuz zu Tode gefoltert werden, damit ich mit Gott versöhnt bin. Diese Denkweise ist mir zunehmend fremd geworden, und heute hat sie für mich nur noch eine theologiegeschichtliche Bedeutung.

Der Missbrauch von Gottes Gnade

Ja, auch ich »rühme mich Gottes durch Jesus Christus, meinen Herrn«. Doch ich rühme mich Gottes nicht deshalb, weil auf dem dunklen Hintergrund von Jesu Kreuzestod, seine Gnade umso heller strahlt. Dieser Gedanke wurde nur allzu lang und allzu oft unter Christen missbraucht, indem man den Gläubigen jahrhundertelang die Hölle heiß gemacht und die finstere Nacht ewiger Verdammnis vor Augen gemalt hat, damit dann die Kirche Gottes Gnadengabe in Gestalt der Sakramente umso begehrenswerter darstellen konnte. So hatte man Gewalt über Seele, Gewissen und Geldbeutel der Gläubigen und konnte sie beherrschen.

Ja, auch ich »rühme mich Gottes durch Jesus Christus«. Ich lobe ihn und danke ihm dafür, dass er sich mir in ihm gezeigt hat, wer und wie er wirklich ist: als der barmherzige Vater, gütig und gnädig, freundlich und liebevoll, heilsam und nah. Der für seine Geschöpfe da ist und sie nicht vergisst. Ihm vertraue ich.

Gebet: Gütiger Gott, dein Antlitz leuchtet über deinen Geschöpfen ohne eine Spur finsterer Zornesfalten. Darum wende ich mich vertrauensvoll an dich und sage: Ich gehöre dir in guten wie in bösen Tagen. Selbst der Tod wird mich nicht von dir scheiden. Denn du bist Licht und in dir ist keine Finsternis. Du bist Gnade und nicht Strafe.  Du bist Segen und kein Fluch. Ich danke dir für Jesus Christus, in dem ich das erkennen und glauben darf. Amen

Herzliche Grüße,                           

Ihr / dein Hans Löhr

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6 Kommentare:

  1. Verstehe ich das richtig, dass Sie auch nicht glauben, dass Gott Jesus so quälen ließ,damit wir Südenerlaß hätten?

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  2. Guten Morgen, ich sehe es für mich mittlerweile so:
    Sie schreiben:"...dass er lieber seinen Geschöpfen alles schenkt, was sie für Leib und Seele brauchen."
    Und dann kommt unsere persönliche Entscheidung tagtäglich, was wir damit machen... es für Gutes oder Ungutes einsetzen.
    Wir sind so geschaffen und haben eine so wundervolle Erde, dass wir in Frieden und hilfreichem, freundlichem Miteinander leben KÖNNTEN. Dass wir es dennoch nicht tun, liegt einzig an uns. Die Voraussetzungen haben wir.
    Das ist mein Verständnis darüber.
    Ich wünsche uns allen einen friedvollen und schönen Tag.
    Annelie


    brauchen

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    1. Ich sehe es ebenso.
      Dennoch bleibt das ungelöste und vielleicht unlösbare Rätsel, ob wir einen freien Willen haben, der uns vernünftige, menschen- und tierfreundliche Entscheidungen treffen lässt, oder ob wir reflexhaft und unüberlegt zu unserem eigenen Schaden und dem vieler Geschöpfe reagieren, getrieben von Gier und Angst.
      Ich jedenfalls bemühe mich so zu leben und zu entscheiden, als ob ich einen freien Willen und somit auch Verantwortung für meine Mitmenschen, meine Mitwelt und für mich hätte.

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    2. Lieber Herr Löhr. Danke für Ihre Auslegung. Es hat mich ungemein erleichtert, aus dem Munde eines Theologen zu vernehmen, dass Jesus Christus nicht so schrecklich leiden musste, damit ich mit Gott versöhnt werde und dass Gott Vater seinen Sohn Jesus Christus nicht für die Sünden der Menschen, für meine Sünden, opferte. Das ist eine fürchterliche Aussage. Meiner Ansicht nach haben Menschen aus Machtgier, Unwissenheit und aus Angst vor Verlust solche Vergehen begangen. Auch mir ist diese Denkweise fremd geworden oder schon immer gewesen. Mir liegt noch eine andere Aussage der Kirche schwer auf dem Herzen. Mit Geschöpfen wird jeweils immer nur die Menschen gemeint. Warum denken die Christen nicht auch an die nicht-menschlichen Geschöpfe, die Tiere. Auch sie sind doch Seelen, die nach ihrem Tod - meiner Meinung nach - in Gottes Reich, an ihren Ursprung zurückkehren. Wir haben letztes Wochenende in der Schweiz mit der Massentierinitiative gesehen, welchen Wert wir den Tieren zubilligen. Sie sind doch unsere Brüder und Schwestern. Danke, dass Sie uns/mir die Gelegenheit bieten, hier unsere Gedanken zu äussern. Ich wünsche Ihnen, lieber Herr Löhr, eine gesegnete Zeit. Herzliche Grüsse Verena aus der Schweiz

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  3. Aber,er wußte doch,wie es enden würde......

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