Sonntag, 14. Januar 2024

Verkehrte Welt hl

Losung: So spricht der HERR: Wahrt das Recht und übt Gerechtigkeit; denn mein Heil ist nahe, dass es komme, und meine Gerechtigkeit, dass sie offenbart werde. Jesaja 56,1 

Lehrtext: Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt zu! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's ihm zu. Matthäus 3,14-15 

Liebe Leserin, lieber Leser,

es waren mehrere Gründe, weshalb ich mich zur Verblüffung meiner Familie und meiner Freunde dafür entschieden hatte, Theologie zu studieren. Ich wollte zunächst auch gar nicht Pfarrer werden. Ich wollte ersteinmal für mich herausfinden, was es mit Gott auf sich hat. Den vielleicht letzten Anstoß gab ein Zeitungsfoto. Es zeigte im Jahr 1969 eine kleine Gruppe dicht zusammengedrängter Studenten im damaligen Westberlin. Sie demonstrierten gegen den Krieg der Amerikaner in Vietnam und hielten ein selbstgemachtes Kreuz hoch. Dabei wurden sie von einem Wasserwerfer der Polizei beschossen.

Wie ein Blitz

Da traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz: Vielleicht ist ja dieser Jesus gar nicht auf der Seite der Herrschenden, der gehorsamen Bürger und ihrer Moral, der Meinungsmacher in den Medien. Vielleicht berufen sich viele Lehrer, Pfarrer und andere Repräsentanten der Gesellschaft zu Unrecht auf ihn. Vielleicht ist er gar nicht auf Seiten der Staatsgewalt, ihres Militärs, ihrer Gerichte, Polizei und Wasserwerfer, sondern tatsächlich auf der anderen Seite zu finden, bei den Leidtragenden des Vietnamkriegs und bei denen, die gegen diesen bestialischen Krieg protestieren?

Heute sehe ich das nicht mehr ganz so schwarz-weiß. Aber was ich damals gelernt habe, habe ich nicht mehr vergessen: Gott, wie er sich in Jesus zeigt, richtet sich nicht nach der geltenden Moral, nicht nach den Gesetzen, nicht nach der herrschenden Meinung in Staat und Kirche. Er richtet sich ersteinmal überhaupt nicht nach uns Menschen, auch nicht nach dem Katechismus Martin Luthers. Er tritt da in Erscheinung, wo man ihn nicht vermutet, auf eine Art und Weise, die man von ihm nicht erwartet: Plötzlich kommt da in einem Stall ein Kind zur Welt, liegt in einem Futtertrog, der inmitten von Mist und Pisse eines Ochsen und eines Esels steht: Die blutjunge, unbedeutende Mutter dieses Kindes ist nicht verheiratet. Das Kind ist unehelich. Halleluja! 

So erzählt der Evangelist Lukas das Wunder der Geburt des Menschen- und Gottessohnes Jesus. Und so seltsam und im besten Sinn merk-würdig wie es begonnen hat, ging es weiter bis dahin, dass dieses Kind 30 Jahre später vom römischen Militär als angeblicher, politischer Verbrecher gekreuzigt wurde. Es ging bis dahin, dass seine Anhänger plötzlich frei von Angst die Kunde verbreiteten, er sei von den Toten auferstanden und lebe. Halleluja!

Der ungebührliche Gottessohn

Vorher aber zog der Gottessohn ohne Waffen und Geld durchs Land, predigte Frieden und Gottes bedingungslose Liebe vor allem zu den Sündern und Feinden, heilte die Ausgestoßenen und Randfiguren der Gesellschaft, redete unbefangen zu Frauen mit zweifelhaftem Ruf, säte den Samen des Gottvertrauens in die Herzen der Ängstlichen und stritt sich mit den hochwürdigen Herrschaften in Tempelkirche und Gesellschaft.

Ja so hatte man sich den Messias nicht vorgestellt, auf den die Juden schon jahrhundertelang warteten. So hatte ihn sich auch Johannes der Täufer nicht vorgestellt, als Jesus sich in die Schlange der Sünder einreihte, um sich von ihm taufen zu lassen. Wie bitte, er, der Heiland der Welt, das Lamm Gottes, will sich von ihm, Johannes, taufen lassen? Da stimmt doch was nicht. (Lehrtext) Das ist doch verkehrte Welt! Genau das ist es, wo das Himmelreich, das Reich Gottes zu uns Menschen kommt. Plötzlich ist vieles nicht mehr, wie es war. Plötzlich gilt vieles nicht mehr, was fast alle für unumstößlich gehalten hatten. Plötzlich muss man umdenken, neu denken, umkehren auf dem ausgetretenen, alten Pfad (= Sinn des Wortes Buße). Plötzlich fallen die alten Ketten von einem ab, an die man sich längst gewöhnt hatte, weil so viele sie mit sich herumschleppen. Plötzlich öffnet er die Tür in Gottes Reich auf Erden, in dieser Welt und Zeit, und man müsste nur hindurchgehen, mit ihm gehen, und schon wäre man frei, niemand mehr untertan, auch nicht sich selbst und dem alten Menschen, der man war.

Wo käme man hin, wenn man ginge?

Das ist zu schön, um wahr zu sein. Wo käme man denn hin, wenn man das glaubte, wenn man so lebte? Ja, »wo kämen wir hin; wenn alle sagten; wo kämen wir hin; und niemand ginge; um einmal zu schauen; wohin man käme; wenn man ginge.« (Kurt Marti). Was meinst du? Sollten wir nicht vielleicht doch mal nachsehen, was hinter jener Tür auf uns wartet, die er für uns öffnet? Dazu muss man nicht erst Theologie studiert haben.

Gebet: Herr, du bist nicht besser, lieber, größer, klüger, frömmer als ich und meinesgleichen. Du bist anders. Dich bewegt nicht der Geist eines Menschen, sondern der Geist Gottes. Du hast kein Interesse an dir, sondern an mir, dass du mich durch dieses Leben bringst, und ich mich nicht verirre und verstricke in Wünschen und Enttäuschungen, in selbstsüchtigen Erwartungen und leeren Versprechen. Du bist mein Hirte und mein Lamm. Geh mit mir auf deinen Wegen. Amen

Herzliche Grüße

Ihr / dein Hans Löhr

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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt. 

 

2 Kommentare:

  1. So oft gerät mein Gottvertrauen ins Wanken, wenn mein Verstand in den Abgrund schaut... doch dann erinnert Gott mich daran, mich ihm anzuvertrauen, ihn um Hilfe zu bitten - und er hilft , ja, Halleluja !

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